NABUCCO
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Wiener Staatsoper
1. November 2021

Dirigent: Marco Armiliato


Nabucco - Amartuvshin Enkhbat
Ismaele - Massimo Giordano
Zaccaria -
Roberto Tagliavini
Abigaille - Maria José Siri
Fenena - Szilvia Vörös
Oberpriester - Dan Paul Dumistrescu
Abdallo - Daniel Jenz
Anna - Aurora Marthens


„80. Aufführung in dieser Inszenierung“
(Dominik Troger)

Der Staatsopern-„Nabucco“ ist auch schon wieder zwanzig Jahre alt. Damals hätte sich wahrscheinlich niemand gedacht, dass Günter Krämers Versuch einer „babylonischen Vergangenheitsbewältigung“ achtzig Aufführungen erleben wird – und die heutige war laut Spielplan noch gar nicht die letzte.

Die Produktion ist damals nicht gut angekommen. Beim Publikum sowieso nicht, aber auch nicht im „Feuilleton“. Der Versuch Nabucco im blauen Anzug als Berlusconi-Paraphrase einem mit ostjüdischen Reminiszenzen versehenen Hebräertum gegenüber zu stellen, hat nicht überzeugt. So manche ältere Inszenierung, die weitaus frischer wirkte (wie zuletzt Rossinis „Barbier“) ist inzwischen ausgetauscht worden. Es ist wie im Leben: zu oft trifft es die falschen.

Die aktuelle Aufführungsserie hätte Anna Netrebko als Abigaille bereichern sollen, aber ihre Schulter hatte etwas dagegen, wie sie vor einigen Wochen der Presse und ihren Fans mitteilen musste. Die Wiener Staatsoper stand vor der nicht unheiklen Aufgabe, für Ersatz sorgen zu müssen. Maria José Siri ist bereits vor vier Jahren als „Troubadur“-Leonore für Anna Netrebko eingesprungen. Ihr Sopran ist feingliedriger als jener von Netrebko und weniger durchschlagskräftig. Die Abigaille hat die Sängerin erst seit letztem Jahr im Repertoire und die dramatischen Herausforderungen, die ihr die Partie abverlangte, prägten den ersten und zweiten Akt, nicht nur mit schmalen, kantigen Acuti. Nach der Pause wirkte der Vortrag gelöster und dann kamen die Vorzüge dieses mit dunklem Schimmer umflorten Soprans besser zur Geltung.

Aber es war ohnehin der Abend des Amartuvshin Enkhbat bei seinem Hausdebüt, der mit einem raumfüllenden Verdibariton (!) und anschmiegsamer Gesangslinie das Haus füllte: eine Stimme mit Autorität, sicherer Höhe und einem Timbre, das mit cremiger Abrundung Stimmfetischisten verzückt. Enkhbat ist laut Webrecherche Mitte Dreißig und dürfte im karg bestellten Sängerfeld vom Nabucco über den Rigoletto bis zum Posa eine ganz große Zukunft haben. Darstellerisch ließ er sich weder vom blauen Anzug noch von der Inszenierung beeinflussen: Er trug unbekümmert seinen Bariton wie einen Banner vor sich her, und an seiner stimmgespeisten Bühnenpräsenz schienen alle szenischen Fragwürdigkeiten abzuprallen.

Roberto Taglivani steuerte als Zaccaria einen schönen Bass bei, der mit Eleganz zu gewinnen versteht, mit orgelnder Tiefe vermag er weniger aufzuwarten. Massimo Giordano hatte als Ismaele nicht viel zu singen. Sein jugendliches, sympathisches Naturell ist zwar für jede Aufführung eine Bereicherung, aber an der auffallenden, dem Gesamteindruck stark abträglichen Ungeschliffenheit seines Tenors hat sich leider in all den Jahren nichts geändert. Szilvia Vörös sang eine solide Fenena, Dan Paul Dumestrescu einen ausreichend würdevollen Oberpriester des Baal. Aber was wäre ein „Nabucco“ ohne Chor. Der Staatsopernchor war beim berühmt-berührenden „Va, pensiero“ ganz in seinem Element und wurde mit viel Applaus bedacht.

Das Orchester unter Paolo Carignani legte sich nach einer etwas verschleppten Overtüre mächtig ins Zeug. Am Schluss war alles eitle Wonne, bei knapp sieben Minuten langem Beifall. Dass der Nabucco den meisten Applaus einheimste (auch mit starkem Szenenapplaus im vierten Akt) war keine Überraschung.