NABUCCO
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Zeitversetzter Lifestream
Wiener Staatsoper
22. Jänner 2021

Dirigent: Marco Armiliato


Nabucco - Placido Domingo
Ismaele - Freddie De Tommaso
Zaccaria -
Riccardo Zanellato
Abigaille - Anna Pirozzi
Fenena - Szilvia Vörös
Oberpriester - Dan Paul Dumistrescu
Abdallo - Daniel Jenz
Anna - Aurora Marthens


„Nabucco feiert einen runden Geburtstag“
(Dominik Troger)

Der Geburtstags-„Nabucco“ für Placido Domingo wurde wegen der COVID-bedingten Einschränkung des Spielbetriebs von der Wiener Staatsoper aufgezeichnet und noch am selben Tag über die Homepage und auf myfidelio gestreamt sowie am 24. Jänner von ORF III ausgestrahlt.

Die Übertragung des Livestreams auf der Staatsopern-Homepage war ursprünglich für 16 Uhr angesetzt. Die Ausstrahlung des Streams begann aber erst um 20.30 Uhr. Der Direktor begründete am Beginn die Verschiebung sinngemäß damit, dass man dadurch die Möglichkeit habe, die Vorstellung (die wie geplant um 16 Uhr begonnen hatte) zu unterbrechen und Passagen für eine bestmögliche Aufzeichnung zu wiederholen. Es dürfte von dieser Möglichkeit aber kein Gebrauch gemacht worden sein. Ob für die TV-Ausstrahlung Veränderungen vorgenommen wurden, entzieht sich meiner Kenntnis.

Im Mittelpunkt stand mit Placido Domingo ohnehin der Jubilar – und Geburtstage sind eigentlich kein Anlass, um lange herumzumäkeln. Es liegt auf der Hand, dass ein Nabucco, der  80 Lenze zählt, seine Vergöttlichung und seinen Wahnsinn nicht mehr so energiegeladen in Szene setzen wird als wie ein 50jähriger. Ursprünglich war davon ausgegangen worden, dass es sich bei dieser „Nabucco“-Serie um Domingos Staatsopern-Abschied handeln wird. Aber ist es vorstellbar, dass diese Sängerlegende so ganz ohne Publikum ihren Abschied nimmt? Eigentlich nicht.

An der Staatsoper hat der Sänger die Partie erstmals 2014 verkörpert. Und er spielt und singt sie nach wie vor mit vollstem körperlichem Einsatz, auch wenn er sich nicht mehr auf diese Bundeslade aus Glas legt, sondern sicherheitshalber neben ihr zusammenbricht und er kriecht sogar im von der „göttlichen“ Regie verordneten Wahnsinn auf allen „Vieren“ über die Bühne. Er hat sich die Partie stimmlich bestens adaptiert und auf die Gesamtwirkung berechnet. Auch wenn der Vortrag schwerfälliger geworden ist, das Atmen seinen Tribut fordert, auch wenn der Stream die Kraftanstrengung, die das Singen kostet, zu deutlich in den Blickpunkt rückt: die emotionale Gestaltungskraft ist ungebrochen.

Über Tenor oder Bariton braucht man allerdings nicht mehr zu diskutieren. Man kann damit viel Zeit verbringen und wird doch immer das in Jahrzehnten erprobte Künstlertum dieses Sängers zu seinen Gunsten in die Waagschale werfen müssen. Allerdings ist inzwischen kaum mehr zu unterscheiden, ob Domingo als Vater Germont, als Boccanegra, als Nabucco oder als Rodrigo auf der Bühne steht. Die Bühnenfiguren sind ihm alle irgendwie ähnlich geworden. Aber seltsam, das was den Reiz seiner Stimme ausmacht, diese tenorale Erinnerung, schwebt dann doch betörend über und zwischen allem und gießt dem Publikum jene leise Wehmut ins Herz, nach der es süchtig geworden ist.

Anna Pirozzi
feierte unter diesen außerordentlichen Umständen ihr Staatsoperndebüt. Sie widmete sich der Abigeille. Die Partie begleitet die Sängerin fast vom Anfang ihrer Karriere an, u. a. hat sie sie 2013 bei den Salzburger Festspielen in einer konzertanten Aufführung verkörpert. Sie widmete sich der Rolle mit viel harscher Spinto-Energie und einer etwas flachen Tiefe. Riccardo Zanellato, ebenfalls mit Hausdbüt, lieh dem Zaccaria einen mehr nüchtern als üppig strömenden Bass.

Freddie De Tommaso sang einen kraftvollen Ismaele, aber die Stimme schien immer ein wenig unter „Druck“ zu stehen. Sein deutlich baritonal gefärbtes Organ ist bereits von der Tonträgerindustrie entdeckt worden, sein erstes Soloalbum Anfang des Jahres erschienen. Szilvia Vörös bot eine gute Fenena und Dan Paul Dumistrecu einen bewährten Oberpriester. Der Staatsopernchor bewährte sich erwartungsgemäß beim berühmten Chor. Marco Armiliato am Pult des Orchesters hat mit diesem schon für nachhaltigeren Eindruck gesorgt, als an diesem Abend.

Der schüttere Schlussapplaus in einem nur von ein paar geladenen Medienvertretern besuchten Haus, war  eine traurige Erinnerung an die aktuelle pandemische Kulturverhinderung – aber zumindest wurde gleich danach Placido Domingo zum 80er gratuliert und man hörte noch ein „Happy Birthday“, das in den Schluss der Übertragung „hineinrutschte“.

Fazit: Abgesehen vom würdigen Anlass bot dieser „Nabucco“ mehr „Repertoire“ als Festvorstellung.