NABUCCO
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Wiener Staatsoper
11. Februar 2017

Dirigent: Guillermo Garcia Calvo


Nabucco - Leo Nucci
Ismaele - Bror Magnus Todenes
Zaccaria -
Roberto Tagliavini
Abigaille - Anna Smirnova
Fenena - Ilseyar Khayrullova
Oberpriester - Sorin Coliban
Abdallo - Benedikt Kobel
Anna - Caroline Wenborne


Meisterklasse

(Dominik Troger)

„Nabucco“, „Il trovatore“, „Otello“ – im Repertoire der Wiener Staatsoper kann das Publikum derzeit zwischen „frühem“, „mittlerem“ und „spätem“ Verdi gustieren, wobei der „mittlere“ Verdi vom Chefsommelier am allerwärmsten empfohlen wird.

Die aktuelle „Nabucco“-Serie ist eher etwas für den gereiften Kenner, der versteht, auch einem älteren Jahrgang alle gebührende Wertschätzung zukommen zu lassen. Hat Leo Nucci nicht schon die Premiere dieser Produktion im Jahr 2001 bestritten? Er hat es. Seither sind natürlich einige Jahre ins Land gezogen – und der Staatsopern-„Nabucco“ hat es laut Programmzettel trotz (!!) der Inszenierung von Günter Krämer auf 74. Aufführungen gebracht.

Aber was immer sich Krämer bei diesem in einen blauen Anzug gesteckten „Berlusconi-Nabucco“ auch wirklich gedacht haben mag, Leo Nucci schien sich daran noch zu erinnern. Er spielte die Figur als von göttlichem Schlaganfall gestreiften Herrscher, setzte auf seine in vielen Jahrzehnten gewachsene Bühnenautorität und den klug kalkulierten Einsatz seines Baritons. Nicht immer fügte sich alles zum „großen Bogen“, es fehlte der Stimme gewissermaßen an „Schmieröl“, die Rädchen hakten da und dort, aber einmal in Schwung gekommen – und das war nach der Pause der Fall – konnte man sich Nuccis Rollenerfahrung nicht mehr entziehen. Dann wirkten Timbre, Energie und Bühnenautorität zusammen, um sozusagen die „Substanz“ der Rolle abzubilden, etwas rau, etwas „schaustellerhaft“, aber im Kern vom Publikum als „wahr“ begriffen. Ein bisschen haben solche Abende etwas von einer „Meisterklasse“ an sich – nur dass der Meister selbst es noch einmal vorzeigt. Man kann auch als Publikum viel lernen dabei.

Roberto Tagliavini feierte mit dieser Aufführungsserie sein Staatsoperndebüt. Tagliavini war 2014 im Theater an der Wien an Seiten von Placido Domingo in „I due foscari“ aufgetreten und hatte damals einen guten Eindruck hinterlassen. Der Zaccaria verspricht allerdings weit mehr Renomee als der Jacopo Loredano. Die angenehm timbrierte, eher helle Basstimme des Sängers zeichnete sich durch viel Verdi-Gefühl aus und landete schlussendlich auch bei der Publikumsgunst an erster Stelle.

Anna Smirnova sang eine kraftvolle Abigaille mit armierten Spitzentönen und flüchtigen Koloraturen. Die Sängerin fegte wie eine babylonische Brünnhilde durch den Abend, oft wenig klangschön, hielt für das Finale aber auch einige emotional gesättigtere Töne bereit. Bror Magnus Todenes stellte als Ismaele gegenüber so manchem früheren Rollenvetreter eine Verbesserung dar, wobei sein metallischer, „blonder“ Tenor nicht gerade südländische Wärme verströmte. Die Fenena der Ilseyar Khayrullova klang in der Tiefe und Mittellage ansprechender als in der Höhe. Sorin Coliban sprang kurzfristig als Oberpriester des Baal für Ayk Martirossian ein.

Am Beginn des berühmten Chores ging ein beglücktes Raunen durchs Publikum, so als würde die Oper erst jetzt richtig beginnen. Der Staatsopernchor zelebrierte das „Va, pensiero“ standesgemäß, krönte seinen Vortrag mit einem sehr lange gehaltenen ebenmäßigen finalen Piano.

Das Orchester unter Guillermo Garcia Calvo lotete aus, was Verdi an Gegensätzen in die Partitur gepackt hat: metallisch grellen Passagen, aufgetürmt zu alttestamentarischer, mauernbrechender Lautstärke, standen schön ausmusizierte Ruheinseln gegenüber wie dem Gefangenenchor oder den mit weichem, vollem Klang solistisch aufspielenden Celli. Das rundete sich im Laufe des Abends überraschend gut.

Der Schlussapplaus brachte es auf fünf Minuten.