NABUCCO
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Wiener Staatsoper
1. Mai 2014

Dirigent: Jesús López-Cobos



Nabucco - Placido Domingo
Ismaele - Marian Talaba
Zaccaria -
Dmitry Belosselskiy
Abigaille - Anna Smirnova
Fenena - Zoryana Kushpler
Oberpriester - Il Hong
Abdallo - Benedikt Kobel
Anna - Caroline Wenborne


Placido Domingos Wiener Nabucco-Debüt

(Dominik Troger)

Placido Domingo ist mit „seinem“ Nabucco in Wien angekommen. Der Erfolg dieses Abends (schon die 64. Aufführung in dieser Inszenierung) schien also vorprogrammiert, der Staatsopern-Stehplatz war bummvoll – und der Schlussapplaus dauerte rund 25 Minuten lang.

Placido Domingo hat mit der Partie vor einem Jahr in London debütiert und sie unter anderem letzten Sommer auch in Verona gesungen. Der Sänger schürfte beim babylonischen Herrscher einmal mehr nach der menschlichen Leidensfähigkeit, das Gottkönigtum schien ihm weniger auf den Leib geschneidert – was gewiss auch mit der tenoralen Färbung seines Baritons zu tun hat, die den prinzipiellen Herrscherstatus von Nabucco zu wenig unterstreicht.

Obwohl diese aus dem Jahr 2001 stammende Inszenierung von Günter Krämer wenige Möglichkeiten bietet, die Fallhöhe des Charakters zu verdeutlichen, gelang es Domingo als erfahrenem Bühnenkünstler viel Emotion und Effekt herauszuholen, etwa beim Zusammenbruch Nabuccos am Schluss des zweiten Aktes auf (!) der großen gläsernen „Museumsvitrine“, vom Publikum aus gesehen links an der Rampe platziert. Gesanglich wirkte Domingo nach der Pause auf mich nicht mehr so frisch: Es schlichen sich ein paar kleine Unsicherheiten ein, und die Stimme war schon zu träge, um den Schwung des jungen Verdi „mitnehmen“ zu können. Insofern bleibt für mich der „Simon Boccanegra" die überzeugendere Partie von Domingos Bariton-Karriere.

Eigentlich müssten Opernliebhaber dankbar sein, dass sich Sängerinnen die Abigaille überhaupt „antun“, andererseits ist das, was einem zu Gehör gebracht wird, oft recht „zweifelhafter“ Natur. Anna Smirnova, an diesem Abend mit Staatsopern-Rollendebüt in dieser Partie, machte keine Ausnahme. Smirnova hat 2011 an der Staatsoper als Amneris (!) debütiert und inzwischen ihr Fach „erweitert“. Laut Operbase wird sie 2015 sowohl Mezzopartien wie Eboli und Azucena als auch die Abigaille singen. Smirnova, laut Wikipedia erst 31 Jahre alt, ließ als Abigaille jedenfalls keinen Zweifel an ihren Machtansprüchen aufkommen, übertönte Chor und Orchester, schmiss sich bärbeißig und oft sehr forciert in die Partie, und hatte lange damit zu kämpfen, ihre Stimme unter Kontrolle zu bringen: Intonationsprobleme, ein im Hintergrund mitschwingendes schepperndes Vibrato und scharfe Spitzentöne boten keinen verheißungsvollen Start. Im Laufe des Abends besserte sich ihre „Stimmlage“, gelangen ihr sogar verhältnismäßig verhaltene Pianotöne.

Dmitry Belosselskiy rückte mit seinem etwas harten, in der Mittellage und Höhe durchschlagskräftigen Bass den Zaccaria mehr in die Richtung eines politischen Anführers und erzielte damit gute Wirkung. In der Tiefe mangelte es der Stimme an balsamischer Resonanz. Marian Talaba hat im slawischen Fach seine Verdienste, aber als Ismaele hat er sich an diesem Abend keine erworben. Zoryana Kushpler war eine solide Fenena. Dem Chor kommt im „Nabucco“ natürlich eine ganz besondere Rolle zu – und der prächtige Staatsopernchor durfte sich nach dem „Va, pensiero“ an verdientem Szenenapplaus erfreuen. Das Orchester unter Jesús López-Cobos war knallig und laut unterwegs, brachte den Abend aber mit einigem Schwung voran. Die Länge des Schlussbeifalls war vor allem die Leistung des unermüdlich applausfreudigen Domingo-Fanclubs.

Die Inszenierung, die das Werk möglicherweise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ansiedelt, lässt das Publikum den ganzen Abend über im wahrsten Sinne des Wortes „im Dunkeln“. Muss nicht Abigaille sogar mit einer Taschenlampe herumleuchten? Die Handlung wird dadurch allerdings kaum erhellt. Für die widerspenstige Kerze, die nicht auf dem siebenarmigen Leuchter bleiben wollte, kann der Regisseur natürlich nicht verantwortlich gemacht werden: Zaccaria hat sie dann einfach in sein „Gebetsköfferchen“ gepackt und fortgetragen. Der Leuchter blieb mit nur sechs Kerzen bestückt zurück.