I MASNADIERI
Aktuelle Spielpläne & Tipps
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Verdi-Portal

Konzerthaus
27.11.2003
Konzertante Aufführung

Dirigent: Bertrand de Billy

Radio Symphonieorchester Wien (RSO)
Slowakischer Philharmonischer Chor

(Choreinstudierung Marián Vach)

Amalia - Dimitra Theodossiou
Carlo - Maurizio Graziani
Francesco - Charles Edwin Taylor
Massimiliano - Kwangchul Youn
Arminio/Rolla - Dietmar Kerschbaum
Moser - Janusz Monarcha


"Hochprozentiges 'Räuber'-Destillat "
(Dominik Troger)

Man kann schon der Schiller’schen Vorlage schwerlich nachsagen, dass sie über keine „grellen Effekte“ verfüge. Die übertrieben wirkende Handlung wird nur durch die bildhaft-kräftige Sprache Schillers vor dem Absturz bewahrt. Wer aber auf diesem schmalen Grat zu wandeln weiß, der saust wie auf einer Hochschaubahn durch viele emotionale Steilkurven.

Und dieser Schiller-Text ist für die Effekt-Hysterie der italienischen Oper in der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts wie maßgeschneidert. Der musikalische Schematismus, der sich am besten am Doppelgespann Arie und folgender Cabaletta verdeutlichen lässt, nährt sich von blitzartigen Umschwüngen der Handlung, von überreichten Briefen und viel grauslicheren Geschehnissen, die sich in Sekundenschnelle zu Flüchen, Schwüren, Racheexaltismen ausweiten. Der Konzentrationsprozess, den die Umwandlung eines Theaterstücks in ein Opernlibretto meist mit sich bringt, führt zu einer weiteren Verstärkung der angesprochenen Effekte, und Verdi tut sein übriges dazu. Er hat mit den „Räubern“ noch einmal ein exemplarisches Beispiel für diese Operngattung geschaffen. Mag sein, dass in den „Masnadieri“ zuviel vom „jungen“ Verdi steckt. Zwar macht es gewaltigen Effekt, aber dieser Effekt ist einem Feuerwerk nicht unähnlich, das ein paar flammende Leucht-Kaskaden in den Nachthimmel schleudert: auf das „Ah“ und „Oh“ des Publikums, einer gehörigen Ausschüttung an Endorphinen, folgt kaum etwas nach. So kann man es ein wenig mit den viel geschmähten ernährungsphysiologischen Eigenschaften von „Fast Food“ vergleichen. Aber jedenfalls ist der würzige Ketchup-Geschmack beim Hineinbeißen nicht ohne.

Bertrand de Billy biss jedenfalls kräftig zu. Das Ketchup entströmte der Partitur in grellem Paradeisrot mit viel Pfeffer drin. Auch solche „Brötchen“ muss man backen können. Über das Orchester wird man also keine Klage zu führen haben. Die Möglichkeiten zur Nuancierung blieben gewahrt, auch dort, wo Verdi – einem ihm befreundeten Musiker zuliebe – das Cello besonders forciert hat.

Die Besetzung musste in den Titelpartien des Carlo und der Amalia zwei Absagen verkraften. Dimitra Theodossiou und Maurizio Graziani sprangen kurzfristig ein. Amalia ist eine jener frühen Frauengestalten Verdis, die Koloraturanforderungen mit einer stark forcierten Emotionalität vereinigen müssen. Da sollen lyrischer Ausdruck und Attacke Hand in Hand gehen. Nun hat sich Theodosio gerade mit jungen Verdi-Heroinen einen Namen gemacht und in den letzten Jahren beispielsweise die Odabella („Attila“) an mehreren europäischen Opernhäusern gesungen. Mit „I masnadieri“ feierte sie ihr Debut im Wiener Konzerthaus. Was nun die „Koloraturfähigkeit“ dieser Amalia betrifft, so musste man einiges an Abstrichen machen und auch die „Impact“-Fähigkeit der Stimme im dramatischen Effekt hat dieses hörbare Manko nicht aufgehoben. Aber weil sich ihr Timbre für diese Art von Partien vorzüglich eignet, war man gerne bereit, die vorher genannten Punkte nicht so stark in Rechnung zu stellen.

Maurizia Graziani, der zweite „Einspringer“, debütierte mit einem angenehmen, hellen, zwar noch nicht voll durchschlagskräftigen, aber in den Höhen schon leicht metallisch angehauchten Spinto-Tenor. Er sang mit jugendlicher Frische und Unbekümmertheit, ließ sich von de Billys anfeuerndem Dirigat gerne mitreißen und hielt Verdis Pathos durch bis zum Schluss.

Der gepflegte, wohlgeführte Bariton von Charles Edwin Taylor schmeichelte Francesco, der Kanaille. Ich hätte mir hier schärfere Akzente gewünscht, andererseits hat sich Taylor mit einer jungen, prächtigen Stimme dem Wiener Publikum vorgestellt, und das war auch gleich recht angetan. Sowohl Taylor als auch Graziani ließen sich am Schluss ihrer jeweiligen Caballeta nicht lumpen und sangen hinauf – Theodossiou nicht. Und Kwangchul Youn punktete wieder mit seinem verlässlichen Bass von hoher Qualität.

Das Publikum, wie immer an solchen Abenden im Konzerthaus hochmotiviert, klatschte am Schluss freudig die Hände, rief Bravo – und ging zufrieden nach Hause.