UN BALLO IN MASCHERA
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Wiener Staatsoper
12. 1. 2012

Dirigent: Philippe Auguin

Gustav III, König v. Schweden - Neil Shicoff
Graf René - Leo Nucci
Amelia - Barbara Haveman
Ulrica - Zoryana Kushpler
Oscar - Julia Novikova
Christian - Marco Caria
Graf Wartig - Sorin Coliban
Graf Horn - Alexandru Moisiuc
Richter/Diener
- Benedikt Kobel

Königlicher Schnupfen
(Dominik Troger)

An der Staatsoper wird derzeit viel unter jahreszeitlich bedingten Erkältungserscheinungen gelitten – und die Viren, die vor allem auf Tenöre aus sind, haben sich von Spanien („La forza del destino“) ins Schweden unter Gustav III. ausgebreitet („Un ballo in maschera“).

Neil Shicoff wurde aber angesagt – und das war gut so. Denn durch diese „offizielle Klarstellung“ kamen erst gar keine Missverständnisse auf. Shicoff, am Beginn stimmlich stark beeinträchtigt, kämpfte sich durch den ersten Akt, und man befürchtete schon, dass der Abend ein schlimmes Ende nehmen könnte. Aber bis zum Schlussbild hatte er sich soweit freigesungen, dass er noch ein einigermaßen ansprechendes Finale hinlegen konnte. Die Romanze vor dem Maskenball bestand er mit Kraft und Erfahrung – und Sterbeszenen liegen ihm ohnehin. Gegen die starke, nasale Einfärbung, die an diesem Abend das Timbre seines Tenors „belegte“, halfen leider auch die zwei langen Pausen nichts.

Leo Nucci war für Simon Keenlyside eingesprungen. Nucci steht kurz vor einem runden Geburtstag (wenn man zwei einschlägigen sängerbiographischen Werken trauen darf). Seine letzten Auftritte an der Staatsoper („Nabucco“) waren gesanglich nicht gerade erfreulich verlaufen, man sah seinem Einspringen also mit gemischten Gefühlen entgegen. Seine Mitwirkung am „Simon Boccanegra“ Ende Mai/Anfang Juni 2011 hatte er krankheitsbedingt abgesagt.

Aber Nuccis schon etwas „vernarbter“ Bariton kam an diesem Abend recht solide und kompakt über die Rampe, kräftig und mit guter Höhe. Nucci schien das selbst zu fühlen und kostete es weidlich aus. Nach dem „Eri tu“ gab es längeren Applaus, der von zwei oder drei Bravorufern, unbestritten Fans des italienischen Sängers, noch zusätzlich „geschürt“ wurde. Man sollte die Persönlichkeit und Bühnenpräsenz solch langgedienter Spitzensänger nicht unterschätzen. Sie vermag bis zu einem gewissen Grad stimmliche Alterserscheinungen auszugleichen – und manches mag sich auch der Zuhörer aus seiner Erinnerung ergänzen.

Barbara Havemann war für Eva-Maria Westbroek eingesprungen. Shicoffs Partnerin in der Manon Lescaut-Premiere 2005 sang die Amelia mit kräftigem, stark veristisch geprägtem Sopran und brachte darstellerisch die bewegenden Emotionen dieser Frau gut zur Geltung. Julia Novikova gab einen lebendigen Oscar, mit locker gesungenen Koloraturen. Die Stimme hat an Volumen wie es scheint seit letzter Saison leicht zugelegt.

Zoryana Kushpler hat als Ulrica debütiert, mit potentiell guter Tiefe, die sie aber nicht so recht„ausgespielt“ hat. Sie muss erst in das „Kleid“ dieser dämonenbeschwörenden Wahrsagerin „hineinwachsen“. Als Graf Warting debütierte Sorin Coliban: ein Verschwörer mit stattlicher Bühnenerscheinung und schönem Bass. Positiv zu vermerken auch Marco Caria (Christian) und Alexandru Moisiuc (Graf Horn).

Dirigent Philippe Auguin ließ etwas getragen spielen, durchaus um Differenzierung und „Formbewusstsein“ bemüht. So wurden beispielsweise die gegensätzliche Welten von „Liebesleidenschaft“ und „Verschwörung“ im Vorspiel zum ersten Akt recht gut herausgearbeitet. Er enthielt sich der sentimentalen Übertreibung, aber etwas „knallig“ wurde es dann doch.

Die Inszenierung von Gianfranco de Bosio lebt von der barock angemalten „Guckkastenbühne“ (Emanuele Luzzati). Die hat ihre optischen Reize – und passt gut zum Sujet. Vielleicht war das ursprünglich sogar leicht „ironisch“ gemeint? Das Publikum nahm den Abend eher gelassen auf und spendete wohlwollenden Schlussapplaus. Die Fans von Shicoff und Nucci steuerten noch ihre Bravorufe bei. Die Opernwelt hat dieser Abend nicht bewegt.