MACBETH
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Staatsoper
17. Dezember 2016



Dirigent: Evelino Pidò

Macbeth - Simon Keenlyside
Banco - Jongmin Park
Lady Macbeth - Martina Serafin
Kammerfrau - Lydia Rathkolb
Macduff - Jorge de León
Malcolm - Bror Magnus Todenes
Spion - Ayk Martirossian
Fleance - Lars Wendel
Stimmen der Erscheinungen -
Manami Ziervogel, Konrad Huber, Maria Gusenleitner


Macbeth, ein Psychodrama
(Dominik Troger)

Jahrelang ist Giuseppe Verdis „Macbeth“ in Wien nicht auf dem Spielplan gestanden. Jetzt hat die Staatsoper mit vier Vorstellungen ihre Premierenproduktion von 2015 wieder ins Rennen geschickt. Erst im November war das Werk in einer Neuproduktion im Theater an der Wien gezeigt worden. Wie ist dieses „Macbeth-Match“ zwischen den Opernhäusern ausgegangen?

„Macbeth“ im Theater an der Wien – „Macbeth“ an der Wiener Staatsoper: diese Partie hat die Staatsoper mit mindestens 4:1 gewonnen. Das Tor fürs Theater an der Wien geht an den bekannt fußballaffinen Placido Domingo, der als bühnenstürmender Baritontenor nach wie vor seine Goals macht. „Trainer“ Christian Räth hat an der Staatsoper die Spielanlage aber so konzipiert, dass sie die herumkünstelnde Taktik von Roland Geyer mit viel angerührtem Bunkerbeton und Pressing zu schrecklichen Eigenfehlern gezwungen hat. Ja, da war auch mindestens ein Eigentor dabei.

Räths Inszenierung ist schon bei der Premiere vor etwas mehr als einem Jahr als solide Produktion für das Repertoire gehandelt worden – und dieses Versprechen hat sie eingelöst. Nach der unsäglichen Inszenierung am Theater an der Wien lernt man dergleichen zu schätzen. Und wenn – wie an diesem Abend – Lady und Macbeth ihr schauspielerisches Talent auspacken, dann beleben sie die Betonwände des auf die Bühne gestellten Macbeth-Bunkers überraschend stark – und Verdis nach Shakespeare gebautem Bühnenalbtraum steht dann nichts mehr im Wege.

Diese „Macbeth“-Serie an der Wiener Staatsoper wusste zudem mit einer guten Nachricht aufzuwarten: Simon Keenlyside ist zurück, auch wenn er stimmlich einen etwas unausgewogenen Eindruck hinterließ, und in den dramatischen Passagen einige Herausforderungen zu bewältigen hatte. Das „Pietà, rispetto, amore“ gelang ihm hingegen ausgezeichnet. Hier strömte die Stimme frei und entfaltete das viril-schmeichelnde Potenzial seines Kavalierbaritons, der bei den grimmigen Verdihelden schon in der Vergangenheit immer ein wenig über seine Ressourcen hinauszuwachsen hatte. Aber Keenlysides großes Plus sind dann seine darstellerischen Fähigkeiten. In diesem Fall hat er den Charakter Macbettos in Details entwickelt, die fast schon beängstigend genannt werden müssen.

Keenlysides „Bühnennaturalismus“ vergisst keine Nuance und spuckt sich – nachdem er im Finale erdolcht worden ist – sogar in den Tod. Man hat den Eindruck, dass der Sänger stundenlang Videos studiert haben könnte wie sich Menschen im Schlaf bewegen. Und dass er in der zweiten Hexenszene, die hier als Traum gegeben wird, den Polster im träumenden Schlaf zwischen die Beine klemmt, hat das Erscheinen der Hexen vielleicht auch mit sexuellen Reizen mehrdeutig verbunden.

Der Sänger hat ein Psychogramm dieser Figur entwickelt, das er minutiös umgesetzt hat: Er unterlegte den schwachen Helden mit neurotischen Gebärden, er flüchtete sich in den Schutz der Lady, den selbige in Form von Martina Serafin mit sublimer Berechnung gewährte. Viele Details im Gesichtseindruck eröffnete einem erst das Opernglas. Er wirkte fahrig, getrieben, dann ermannte er sich wieder, wenn der Hauch der Lady ihn streifte. Die „Eheszene“ im großen Doppelbett vor Banquos Ermordung war von exemplarischer Wirkung: Serafin im schwarzen Unterkleid hatte ihren Macbeth völlig in der Hand, der den Kopf auf ihren Schoss bettete und sich so Mut zuführte.

Überhaupt Martina Serafin: Eine Lady mit Ausstrahlung, die Nuancen findet, die vor allem dort stark agiert, wo ihr Sopran Macbeth wie eine Feder in diese oder jene Richtung dirigiert, ohne dass dieser es gewärtig wird. Die vulkanartigen Ausbrüche, zu denen die Lady angehalten ist, die markigen Spitzentöne füllten zwar ausreichend das Haus, drangen über Chor und Ensemble, aber sie klangen im Vergleich zur attraktiven Mittellage der Sängerin ziemlich spröde und forciert, zeigten sozusagen eine zu geschartete Klinge für „klinisch sauberes Morden“. Dieses Manko zog sich zwar nachteilig durch den Abend, wurde in diesem Fall aber durch die grundsätzlich stimmige „Italianita“ ihrer Rollenauffassung und die gelungene „Paarbeziehung“ zwischen ihr und Macbeth wieder einigermaßen aufgewogen. Ich fand das Agieren der beiden sehr schlüssig – und von der beständig angelegten psychologischen Grundspannung der beiden Charaktere aus gesehen, war der Abend ein Glücksfall: Die beiden passten einfach zu einander.

Für das musikalische Highlight sorgte Jongmin Park mit seinem so schön schwarz gefärbten Bass als Banquo. Jorge de Leon sang den Macduff mit vor sich hinwaberndem Einheitsforte. Gute Anlagen versprach das Antreten von Bror Magnus Todenes als Malcolm. Das Orchester marschierte unter Evelino Pidò in die richtige Richtung: mit etwas trockenem Klang, aber ausreichend differenziert, erklang die Musik expressiv und fand zu elastisch-federnder Energie. Der Hexenchor war – wie schon in der Premiere – nicht immer perfekt „getimt“.

Das Publikum war zufrieden und sorgte für rund acht Minuten langen Schlussapplaus.