MACBETH
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Theater an der Wien
17. November 2016



Dirigent: Bertrand de Billy

Macbeth - Placido Domingo
Banco - Stefan Kocan
Lady Macbeth - Davinia Roirguez
Kammerfrau - Natalia Kawalek
Macduff - Arturo Chacón-Cruz
Malcolm - Julian Heneao Gonzalez
Sicario, Medico - Andreas Jankowitsch
Ecate - Magdalena Bönisch, Irina Mocnik
Duncano - Anton Zabsky
Fleanzio - Luis Aue


Tenoraler Macbeth
(Dominik Troger)

War auch die „Macbeth“-Inszenierung des Regisseurs Roland Geyer kein Geniestreich – dem Intendanten Roland Geyer hat Placido Domingo als „Alternativbesetzung“ zumindest für drei Vorstellungen ein volles Haus gesichert. Dieser Coup ist gelungen.

Placido Domingos „Baritonkarriere“ ist jetzt also beim Macbeth angekommen. Ob die hellere, tenorale Klangfarbe seiner Stimme zu dem düsteren Werk passt, wird jede Opernbesucherin und jeder Opernbesucher für sich selbst entscheiden müssen – denn so ganz ist der Bariton Domingo seinen Tenor schließlich doch noch nicht „losgeworden“. Vor allem vor der Pause, als Domingos Verkörperung des Macbeth mehr an einen soignierten älteren und väterlichen Herrn erinnerte als an einen altschottischen Königsmörder, mochte die tenorale Aufhellung das ganze Stück in eine zu unverfängliche Richtung verschoben haben. Aber vielleicht wollte Domingo auch nur zeigen, wie eine gewisse Antriebslosigkeit in Macbettos Charakter durch sexuelle Anreize von der Lady geschickt manipuliert wird. Klar war aber schon nach der ersten Szene: Domingos Stimme schien sich an diesem Abend sehr wohl zu fühlen.

Nach der Pause, je mehr Macbeth im Ringen um sein Schicksal die Initiative ergreift, umso mehr steigerten sich die Bühnenpräsenz und die Ausdrucksstärke des Sängers, kulminierten schließlich in dem ergreifenden Schlussmonolog des sterbenden Macbeth, in dem Domingo noch einmal den ganzen Erfahrungsschatz seines sehr langen, reicherfüllten Sängerlebens auszupacken wusste. Dieser Schlussmonolog war aus der Fassung 1847 in diese Produktion implantiert worden – die ohne den beschließenden Chor mit dem Tod des Macbeth endet. (Diese Fassung ist übrigens 2004 von der opernwerkstatt wien zur Aufführung gebracht worden, war also für das Wiener Opernpublikum keine „Novität“.) Für Domingo war dieses Finale jedenfalls genau das Richtige – und er verzückte das Publikum noch einmal mit einem hinreißenden Bühnentod.

Auffallend waren die stimmliche Frische und Energie von Domingos „Baritontenor“, beispielsweise ohne Kurzatmigkeit wie schon bei ihm gehört. Dass er das Theater an der Wien mit seiner Stimme kraftvoll und ohne Überspannung auszufüllen vermochte, versteht sich fast von selbst. Aber beim Macbeth ist für Domingo noch lange nicht Schluss, er peilt schon den Posa an. Für ihn selbst scheinen diese Herausforderungen einen vorerst noch unerschöpflichen Jungbrunnen darzustellen, bei allem Risiko, dass er damit einzugehen bereit ist. Aber nur wer wagt, gewinnt.

Die Inszenierung war in einem wesentlichen Punkt im Vergleich zur Aufführungsserie mit Roberto Frontali in der Titelpartie abgeändert: Es gab keine Andeutung intimeren Körperverkehrs zwischen Macbeth und Lady – und Domingo und seine Partnerin Davinia Rodriguez wurden vor der Banco-Mordszene nicht mit dem Zylinder in die Höhe geschraubt, um sich während der Bluttat am Thron zu verlustigen, sondern sie gingen vor dieser Szene ab. Das Schlussbild mit der toten Lady an der Rampe kam in der von Domingo gesungenen Version natürlich deutlich besser zum Tragen.

Davinia Rodriguez war ein ähnlicher „sexy“ Lady-Typ wie Adina Aaron. Sie trug ab der Schlafwandlerszene schwarze Unterwäsche und keinen weißen Bademantel. Sie beging offensichtlich keinen Selbstmord so wie Aaron – wobei ich dieses Detail in der ersten Premiere nicht wirklich mitbekommen habe. Ein Dolch wurde jedenfalls hier wie dort gezückt, um verkrustetes Blut von den Händen zu schaben. Es liegt nahe, ihn dann gleich für einen Suizid zu verwenden. An Rodriguez Sopran stachen eigenartige Tiefen heraus, etwa am Beginn der Nachtwandler-Arie, die abgesetzt wie künstlich verbreitert klangen. Sängerinnen auf alten Aufnahmen, etwa aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, haben ihr tiefes Register derart herausgestellt. Bei Rodriguez klang es mir allerdings schon zu sehr nach einem leicht hohlwangigen Imitat, mehr der Notwendigkeit als der stilistischen Neigung geschuldet. Die Höhen waren scharf, der Gesamteindruck war etwas kompakter als bei Aaron. Ansonsten war die Besetzung wie gehabt, nur dass Domingo den Tenor von Arturo Chacón-Cruz überstrahlte, der einem Vergleich mit seinem berühmten Kollegen nicht zu entrinnen vermochte. Der Szenenapplaus nach der bekannten Arie mag ihn dafür entschädigt haben. Stefan Kocan sang wieder einen gediegenen Banco.

Mit einem Platz rechts außen über dem Orchester spielte die Frage der Lautstärke an diesem Abend keine große Rolle, dafür kamen mir einige Passagen etwas spannungslos vor – etwa der Chor der Flüchtlinge und die Arie des Macduff. Der Schlussbeifall dauerte knapp über eine Viertelstunde lang, Domingo hatte schon mehrmals während der Vorstellung Szenenapplaus erhalten – er war natürlich das Um und Auf des Abends.

Zur Inszenierung wäre noch anzumerken, dass die Lady im ersten Bild am Varietéausflug der Generäle teilnimmt. Und jene seltsame nackte Hieronymus-Bosch-Frau ist ebenfalls bereits in dieser ersten Szene auf der Bühne zu sehen. Ihre Funktion im Rahmen der Inszenierung bleibt ein Rätsel. Und der Banco-Sohn ließ diesmal die Jause unausgepackt und kramte in seinem Schulranzen.

Diese Anmerkungen beziehen auf sich auf die zweite Vorstellung der drei mit Placido Domingo angesetzten Aufführungen.