MACBETH
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Wiener Staatsoper
7.12.09

Premiere


Dirigent: Guillermo García Calvo

Inszenierung: Vera Nemirova
Ausstattung: Johannes Leiacker
Licht: Manfred Voss
Choreinstudierung: Thomas Lang

Macbeth - Simon Keenlyside
Banquo - Stefan Kocán
Lady Macbeth - Erika Sunnegårdh
Kammerfrau - Donna Ellen
Macduff - Dimitri Pittas
Malcolm - Gergely Németi
Diener - Johannes Gisser
Arzt - Alfred Šramek
Mörder - Dragoljub Bajic
Herold - Hiroyuki Ijichi


Eine launige Nach(t)besprechung
(Dominik Troger)

Die „Macbeth“-Premiere an der Staatsoper wurde zu einem denkwürdigen Desaster. In Frage stellen musste man als Besucher dieser Aufführung nahezu alles – nicht nur die Inszenierung, die mit einem selten gehörten Buhorkan verabschiedet wurde.

Das erste Buh schnitt schon nach rund fünf Minuten durchs Haus, und galt offenbar ein wenig überspitzt den modern herausgeputzten Hexen – seine mehrfache Bestätigung erfuhr es beim ulkigen Auftritt der Mannen von König Duncan, völlig eisig wurde die Stimmung nach der schon beinahe peinlich wirkenden Duschszene zwischen Lady und Macbeth.

Die clownasigen Mörder Banquos mit ihren roten Lufttballonen trugen auch nicht unbedingt zur Hebung der Stimmung bei – und als sich in der Bankettszene die bis dahin sehr blasse Lady eher als Soubrette empfahl, ahnte man schon Schlimmes. War ihr doch schon nach der kraftlos vorgetragenen Kavatine kaum Applaus beschieden gewesen. Auch der Macbeth zeigte sich nicht gerade von der besten Seite, wirkte stimmlich abgekämpft und nervös. Der Banquo irritierte mit unebenem, groben Bass und das Orchester spielte sich so dahin.

Als völlig nutzloses Unterfangen erwies sich das Aufmachen des meist gestrichenen Balletts im dritten Akt – immerhin gab es der Regisseurin Gelegenheit, den Geist des Theaterkollektivs zu beschwören: damit auch ideologisch alles in den richtigen Fahrwässern läuft und ein bisschen Gymnastik schadet auch nicht dem Damenchor. Macbeth‘ Befragung der Hexen enthielt sich ausnahmeweise lächerlicher Floskeln, dafür kam die Lady Minuten später mit einem Kinderwagen auf die Bühne, dem sie ganz gangsterbrautgemäß eine Maschinenpistole entnahm. Dieser Wagen, ein schwergewichtigeres Modell im 50er-oder 60er-Jahre-Look, zeigte sich in Folge ein wenig eigenwillig und war nahe daran die Lady über den Haufen zu fahren – Macbeth rettete sie mit einem deftigen Tritt gegen das Wagengestell – und erhielt dafür freundlichen Szenenapplaus.

Macduffs Arie, gesungen von dem jungen Tenor Dimitri Pittas, sorgte endlich für eine dem Abend angemessene sängerische Leistung, leider folgten darauf ein paar Chaostakte im Orchester – ein bei Staatsopern-Premieren noch sehr selten gehörter Ausrutscher. Bis sich die vom Volke betrauerten Leichen von der offenen Bühne begeben hatten, entstand eine längere Pause, die vom Publikum mit immer deutlicherem Geräusper und Gehüstel begleitet wurde.

Die Schlafwandlerszene mit einer schwangeren (?) Lady (Fehlgeburt neben der Bühne??) schleppte sich so dahin und schloss mit einem verpatzten finalen Ton – das besiegelte endgültig ihr Schicksal. Es gab kaum Szenenapplaus, ein Bravo wurde mit ein paar Buhrufen gekontert, es wurde gezischt, dann schwieg man sich aus. Macbeth reüssierte zuletzt doch noch mit seiner Arie im vierten Akt – ehe er endlich sterben durfte – ohne den finalen Chor.

Der Schlussapplaus wurde zur Missfallenskundgebung: Buhrufe für Banquo (Stefan Kocan), sehr vehement gegen die Lady, auch gegen den Dirigenten Guillermo Garcia Calvo, der nach der Absage von Daniele Gatti relativ kurzfristig eingesprungen war. Vera Nemirova, Inszenierung, wurde beim Betreten der Bühne mit einem Buhorkan empfangen, der erst verebbte, als sie selbige ein oder zwei Minuten später wieder verlassen hatte. Macbeth wurde überraschend stark beklatscht. Aber nach lediglich acht (!) Minuten war der Applaus schon zu Ende.

Resümee: Die Sänger standen hörbar unter großem Druck, die schlechte Stimmung im Haus wird ihnen nicht entgangen sein. Erika Sunnegardh ist in dieser Verfassung für ein Lady Macbeth an der Staatsoper schwer vorstellbar, die Stimme besitzt kaum Tiefe, wirkt insgesamt zu leicht, die Höhen sind forciert und nicht so sicher, wie man es sich wünschen würde. Die Ausdruckskraft wirkt sehr begrenzt.

Simon Keenlyside scheint sich in ein Fach zu wagen, dass ihm zumindest derzeit mehr Mühe macht, als dass es einen als Zuhörer befriedigen könnte. Vergleiche mit früheren Aufführungen und klingenden Sängerinnen- und Sängernamen sollte man lieber keine ziehen. Durchaus ansprechend war, was sich im Umfeld bei den sogenannten „Nebenrollen“ tat, Alfred Sramek sei hier nur als bewährtes Beispiel genannt. Eventuell verschieben die Folgevorstellungen das sängerische Fazit noch in ein positiveres Licht.

Die Inszenierung selbst hat nur wenige gute Momente: dazu zählt sicher der Schluss, wenn der hochstämmige Wald, der das insgesamt durchaus brauchbare Bühnenbild bis dahin geprägt hat, in den Himmel fährt. Auch die Schlacht ist gut choreographiert. Einigermaßen gut gelöst war auch die Szene mit Macbeth und den Hexen im dritten Akt sowie die Bankettszene (wenn da nicht wieder ein roter Luftballon, und diese riesigen Fleischstücke ...)

Mehr Worte darüber zu verlieren, lohnt nicht – eventuell nach einer Folgevorstellung, bei der sich Ensemble und Publikum mit den Gegebenheiten bereits „akklimatisiert“ haben. Möglicherweise findet man dann auch genug Muße, sich über Vera Nemirovas Gedankengänge den Kopf zu zerbrechen – und man lüftet das Geheimnis der Schaumbadmarke. Immerhin hat Nemirova der Lady den Abstieg in die Wanne erspart, (sie turnt nur darum herum und bläst ein bisschen Schaum in die Luft). Aber Duncan darf sich entkleidet Wannebaden, bevor er gemeuchelt wird. Die Frage, von wo im Zuschauerraum man am besten sein „Zumpferl“ sieht, wird sicher Interpretationsgeschichte schreiben. Womit dieser „Macbeth“ endgültig zur „Soap Opera“ geworden wäre.

Es ist bald ein Uhr oder drei Stunden nach dem der Vorhang gefallen ist. Der Schreiber dieser Zeilen empfiehlt sich zur Nachtruhe.