MACBETH
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Schloss Neuwaldegg
20.7.2004 Premiere
Freilichtaufführung

opernwerkstatt wien
Macbeth in der Urfassung von 1847

Dirigent: Tiziano Duca
Inszenierung:Paolo Trevisi
Bühnenbild: Poppi Ranchetti

Choreinstudierung: Kalin Marinov

Orchester der opernwerkstatt wien
Chor Plovdiv und Theater Gruppe DIALOG


Macbeth - Mauro Augustini
Lady Macbeth - Kathleen McCalla
Banco - Bonaldo Giaiotti
Macduff, schottischer Edler - Juremir Vieira
Malcom, sein Sohn - Wilfried Feichtinger
Kammerfrau
- Tamami Sato
Arzt - Eberhard Kummer
Erscheinungen: Eberhard Kummer
, Beata Hecht, Isabel Duca


„A drum! a drum!
Macbeth doth come.“

Shakespeare, Macbeth, 1. Akt, 3. Szene

Macbeth im Wienerwald
(Dominik Troger)

Freilichtaufführungen haben einen großen Vor- beziehungsweise einen großen Nachteil: Es kommt immer auf das Wetter an. Wer hätte noch vor einer Woche der Premiere dieser „Macbeth“-Produktion einen so prachtvollen, milden Sommerabend prophezeit? Jedenfalls war die Premiere eine gelungene – auch kräftig vom stimmungsvollen Ambiente des Aufführungsortes unterstützt.

Das schwüle Gedünst, dass am frühen Abend noch über dem westlichen Wienerwald gelagert hatte, löste sich auf, es kamen sogar die Sterne durch. Und das ferne Wetterleuchten gegen halb zwölf Uhr nachts flackerte gerade rechtzeitig zur Schlacht beim Wald von Birnam. Natur ist nicht nur wegen des in „die Schlacht marschierenden Waldes" ein wichtiges Macbeth-Ingredienz. Auch die Hexen, umwabert von Heide-Nebeln, verstehen sich auf Wetterzauber und lieben das Gewitter.

Die Bühne hat man so platziert, dass das Schlössl mit seiner spätbarocken Fassung im Rücken der Zuschauer zu liegen kommt. Deren Blicke richten sich waldwärts, in der Bühnenmitte von einem hohen Ahorn bestimmt; rechts und links davon befinden sich dunkelgraue, burgmauernähnliche Aufbauten als Begrenzung. Einige dieser Mauerelemente können modulartig je nach Szene verschoben werden. Am Beginn ist die Bühne ganz offen, die Hexen lagern schon in Gruppen zum Empfang von Macbeth bereit. Bühnennebel speit empor. Macbeth und Banco tauchen plötzlich hinter entferntem Strauchwerk auf und marschieren über das Wiesengras durch lockeren Baumbestand auf die Bühne. Das macht einen sehr romantischen, verheißungsvollen Beginn.

Aber in der Folge hat man, wie mir scheint, dieses Natur-Ambiente zu sehr als Dekoration und zuwenig als Spielraum verstanden. Wie großartig der räumliche Effekt sein kann, erfährt man erst wieder am Schluss, wenn sich der Schlachtenlärm aus waldigem Nachtdunkel in Form versprengter Bläsergruppen und Waffengeklirr mit dem Orchesterklang zu einem mitreißenden akustischen Erlebnis verschmilzt. (Immer bezogen auf meinen relativ weit vorne und mittig gelegenen Tribünenplatz.) Da beginnt die Parkkulisse plötzlich lebendig zu werden und jene geheimnisvolle Naturmagie auszuströmen, von der viel in Verdis Macbeth-Musik verborgen liegt. Ansonsten ist über die Inszenierung vor allem anzumerken, dass sie die Handlung im 11. Jahrhundert belässt und nicht immer mit Kreativität und Raumgefühl die Charaktere zeichnet und die Ensembles arrangiert.

Die Lady der Kathleen McCalla musste leider einer Verkühlung Tribut zollen und sich vor Beginn ansagen lassen. Gezügelte Power und kluger Ressourceneinsatz hemmten die künstlerische Entfaltung, aber man spürte die innere Glut, die an diesem Abend leider nur phasenweise auflodern konnte. Mit Mauro Augustini stand ein erfahrener Verdi-Bariton auf der Bühne, der für einen hörenswerten Macbeth sorgte. Gustostückerl des Abends war aber sicher der Banco von Bonaldo Giaiotti. Der einstens gefeierte Bass ließ einen die alte Schule italienischen Operngesanges genießen, wortdeutlich und stilistisch ausgearbeitet, wenn auch – seinem fortgeschrittenen Alter entsprechend – das Verdische Feuer schon abgeklärter flammte. Mit dem etwas strengen Timbre von Juremir Vieira als Macduff konnte ich mich weniger anfreunden, aber er gab die Partie kämpferisch und voller Energie – was dem vierten Akt insgesamt sehr gut bekam.

Das Orchester *) war von Tiziano Duca gut eingestellt und präpariert. Wichtig scheint mir, dass die großen Konturen deutlich herausgearbeitet waren, was bei einer Aufführung im Freien dem Höreindruck nur förderlich sein kann. (An Details kann man natürlich immer feilen.) Für den Gastchor aus Plovdiv gibt es Punkteabzüge, da waren zwei, drei Hexen darunter, die mehr Blech als Gold in der Kehle hatten. Insgesamt hätte ich mir mehr Expressivität und Leidenschaft gewünscht, so richtig aufwühlend wurde es selten. Das hatte teilweise auch mit der simplifizierenden Inszenierung zu tun.

Ein interessanter Aspekt dieses „Macbeth“ ist die gespielte Fassung. Während man fast immer nur Verdis Macbeth-Überarbeitung von 1865 zu hören bekommt, konnte man hier die Urfassung von 1847 kennenlernen. Sie unterscheidet sich nur an wenigen Stellen deutlich von der Zweitfassung. Am auffälligsten ist der andere Schluss: In der Urfassung stirbt Macbeth auf der Bühne und hat das letzte Wort. Der Jubel für den neuen König bleibt aus. Mag sein, dass sich dadurch für den Zuschauer eine veränderte Perspektive ergibt, dass man in der Urfassung eher geneigt ist, das Schicksal Macbeth „tragischer“ zu nehmen. Jedenfalls ist die Akzentuierung eine härtere. So entspricht auch der Eingangschor zum vierten Akt besser dem tragischen Los der Flüchtlinge. Auch hier hat Verdi 1865 eine neues, „prächtigeres“ Chorstück eingefügt. (Man darf nicht vergessen, dass diese Macbeth-Neubearbeitung für Paris entstanden ist.) Ansonsten steht Macbeth in der Urfassung mehr im Mittelpunkt, die Lady hat weniger zu singen. Wenn ich mich entscheiden müsste, ich würde trotzdem bei der Fassung von 1865 bleiben. Sie ist schlussendlich die „effektvollere“.

Das zahlreich erschienene Publikum – man hatte zwischen Orchester und Tribüne noch zusätzliche Sitzgelegenheiten aufstellen müssen – quittierte die Aufführung mit viel Applaus und ging sichtlich zufrieden nach Hause.

*) 23.7.04: Wie man mir dankenswerter Weise mitgeteilt hat, besteht das Orchester zu 90 % aus Amateurmusikern und nur zu 10 % aus Profis!

Abschließend noch ein paar Anmerkungen zu Spielort und Anreise: Spielort ist das Schloss Neuwaldegg, umgeben von einem sehenswerten (wenn auch im 19. Jhdt. teilweise veränderten) Barockpark. Die Anreise mit dem Auto ist nicht zu empfehlen. In unmittelbarer Nähe des Eingangs in der Waldegghofgasse gibt es so gut wie keine Parkplätze. Von der Straßenbahnendstelle 43 braucht man auch nur fünf bis 10 Minuten. Die Aufführung beginnt zwar erst um 20.30, endet aber rechtzeitig, um den letzten 43er, der kurz nach dreiviertel Zwölf bis zum Schottentor fährt, noch zu erreichen – spätere Züge werden nur mehr kurzgeführt und landen irgendwo in einer Hernalser Remise. Kritisch könnte es sein, den einen oder anderen Anschluss zu erwischen (insoferne wäre 20.00 Uhr wohl die bessere Beginnzeit gewesen). Die Mitnahme eines Sitzpölsterchens könnte – je nach persönlicher Empfindlichkeit – von Vorteil sein.