MACBETH
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Staatsoper
14. Juni 2021

24. Juni 2021

Premiere 10. Juni 2021

Musikalische Leitung: Philippe Jordan

Inszenierung: Barrie Kosky
Szenische Einstudierung: Sylvie Döring
Bühne und Licht: Klaus Grünberg
Kostüme: Klaus Bruns

Macbeth - Luca Salsi
Banco - Roberto Tagliavini
Lady Macbeth - Anna Netrebko 24.6.: Anna Pirozzi
Macduff - Freddie De Tommaso
Malcolm - Carlos Osuna
Ein Arzt - Ilja Kazakov
Kammerfrau - Aurora Marthens
Fleance - Alessandra Bareggi
Diener - Panajotis Pratsos
Ein Mörder - Joahnnes Gisser
Stimmen der Erscheinungen - Slaven Abazovic, Nicolas Rudner, Mryam Tahon


Anmerkungen zur Aufführung am 24. Juni mit neuer Lady:

Anna Pirozzi sang in den zwei letzten „Macbeth”-Vorstellungen der Premierenserie die Lady – und hat der Partie deutlich mehr Kontur verliehen als Anna Netrebko. Pirozzi hat die Partie (und ähnliche) schon zu oft gesungen, um stimmlich noch wirklich „frisch“ zu klingen, aber ihre Lady atmet diese böse Energie, die sich in zugespitzen Acuti materialisiert. Sie weiß auch ihrem Wahnsinn eine düstere Fassung zu geben. Der Einstieg in die Nachtwandlerszene mit fahlen, mondlichtigem Sopran war von starker Wirkung. So hat denn in Summe die „Zweitbesetzung“ nach meinem Eindruck ein glaubwürdigeres Rollenporträt auf die Staatsopernbühne gestellt.

Die Inszenierung gewinnt nicht bei der Zweitbegegnung. Das Herumgestöhne von Macbeth ist enervierend, das dumme Gelächter von Duncans Mannen klingt zu sehr nach Partylaune. Das Werfen von Faschingsschlangen hat Barry Koski auch wieder einmal ausgegraben. Und so fort. Koski mag der Gedanke, aus „Macbeth“ ein Kammerspiel zu machen, fasziniert haben, aber das Resultat ist dann doch sehr „minimalistisch“ und passt nicht zum Stück. Die Idee, alles gleichsam aus dem Kopf des Macbeths zu gebären, überladet außerdem die Figur. Das Finale ist ohnehin eine szenische Katastrophe: So kann man die beiden Schlussversionen nicht zusammen spannen. Noch dazu lässt man Macbeth seine Sterbeszene vor einem Vorhang singen. Das ist schlecht gelöst. Im übrigen halte ich die beiden Varianten für inkompatibel, weil sie in ihrer Perspektive auf die vorangegangenen Szenen rückwirken. Für Koskis Konzept wäre die Erstfassung logischer, aber womöglich wollte man dem Publikum den bekannteren Schluss nicht vorenthalten.

14. Juni 2021: Ein neuer, alter Macbeth für die Staatsoper
(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper hat kurz vor Saisonschluss mit einer Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „Macbeth“ ihre Saison abgerundet. Es handelt sich um die dritte Produktion der Oper im Haus am Ring innerhalb von zwölf Jahren. Nach einer schottischen Duschkabine und einem Diktatorenbunker beherrscht jetzt vor allem Finsternis die Staatsopernbühne.

Der neue „Macbeth“ wurde aus Zürich nach Wien geholt (Premiere im Jahr 2016), um eine Produktion aus dem Jahr 2015 abzulösen. Glücklich ist, wer ein staatlich subventioniertes Theater leitet. Aber es wird sicher gute Gründe gegeben haben: eine Premiere für Anna Netrebko zum Beispiel – oder um einen Regisseur wieder an die Staatsoper zu locken, dessen erstes Regieengagement am Haus („Lohengrin“ 2005) ziemlich glücklos verlaufen ist.

Guiseppe Verdis Oper nach Shakepeare ist eine düstere Geschichte – und Barry Kosky macht kein Hehl daraus. Er hat auf düsterer Bühne, die düsteren „Szenen einer Ehe“ inszeniert, die auf der Suche nach Macht und Glück zugrunde geht. Macbeth und die Lady „erzählen“ die Geschichte – oder wird sie von ihnen gealbträumt? Unterstützt von zwei Sesseln, manchmal von Krähen besucht und deren Federn, belagert von einer nackten, zweigeschlechtlich ausstaffierten Statisterie, wird einer kargen Szene gepflogen, deren düstere Optik vielleicht noch in die ersten Parkettreihen ausstrahlt, dem unbewehrten Auge von der Galerie aber bald Ermüdungserscheinungen beschert.

Die Bühne bleibt schließlich weitgehend finster. Rechts und links hängen zartschimmernde Lämpchen vom Schnürboden, die nach dem Bühnenhintergrunde schräg auf einen virtuellen Schnittpunkt zustreben. Dazu gesellt sich ein ovaler Lichtkegel, der je nach Szene Macbeth und die Lady in Augenschein nimmt. Die Kostüme sind fast durchwegs schwarz. Der Chor singt aus dem Off – nur im Flüchtlingsbild kommt er schwarzgewandet auf die Bühne. Banco und Macduff absolvieren ihre Arie schwarzgewandet und quasi „semi-konzertant“.

Ist das spannend? Bedingt. Macbeth leidet jedenfalls nicht an darstellerischer Unterforderung. Er muss ja schließlich auch spielen, was er albträumt. Er muss stöhnen und ächzen... die Hexen, die Höhle, die Erscheinung der Könige – und zu den Stimmen der Erscheinungen bewegte er stumm den Mund. Macbeth spielt eine „Monodram“. Liegt er, der Schlachtengewinner, nicht schon am Beginn am Boden, von bösen Visionen geplagt? Aber Macbeth darf in dieser Inszenierung sogar seine „Sterbearie“ singen, die man aus der Urfassung „implementiert“ hat, um dann mit dem bekannten Chor der Sieger zu schließen. Dramaturgisch ist das fragwürdig, das Finale wird dadurch zerrissen. Man sollte sich für eine der Fassungen entscheiden.

An der Gestaltung der Titelfigur durch Luca Salsi konnte man die Konsequenzen dieses Regiekonzepts deutlich ablesen. Über weite Strecken wurde der Sänger zu einer Outrage gedrängt, die sich auch im Gesanglichen niederschlug und ihn Richtung „Deklamation“ drängte. Erst im vierten Akt lief der Sänger – wie von einer Bürde befreit – zu beeindruckender Form auf: schön im Klang, mit heroischer Geste und Kraft. Aber vielleicht wurde der Eindruck auch dadurch verstärkt, dass von der Lady der Anna Netrebko zu wenig „Bedrohungspotenzial“ ausging – sowohl bezogen auf den unbedingten Machtwillen als auch auf ihren gespenstischen Wahnsinn?

Müsste man nicht in der Kavatine des ersten Aktes die Schneide des Dolches fühlen, von dem die Lady singt? Zudem gelang nicht alles mit der erhofften Leichtigkeit, die Verzierungen zum Beispiel oder der schwebende Abschluss der wohltönend vorgetragenen Nachtwandlerszene (in weißem (!) Kleid und auf einem Sessel sitzend), in der sich kaum gespenstischer Wahnsinn abzeichnete. Netrebkos „wahnsinnige“ Soprangeschöpfe waren schon in der Vergangenheit viel zu „gesund“ – und auch diese Lady mit der fülligen, gut fundamentierten Mittellage strömte eine Saturiertheit aus, die mir als Zuhörer kein Geheimnis versprach.

Mit ihren Arien reüssierten Roberto Tagliavini (Banco) und Freddie De Tommaso (Macduff). Der Chor steuerte bewährt seinen Beitrag bei. Das Orchester unter Philippe Jordan schlug sich mehr auf die Seite von Netrebkos volltönendem Sopran: im Klang romantisch gesättigt, wurden Verdis musikalische Charakterisierungen ein wenig flachgebügelt. Die Begleitung der Nachtwandlerszene beispielsweise fand zu keinen fahlen oder gespenstischen Schattierungen. Mehr „Klangrede“, mehr Zuspitzung hätte der ganze Abend gut vertragen. Die Aufführung benötigte zumindest bis zur Pause, um in „Fluss“ zu kommen. Für die zweite Vorstellung einer Premierenserie hätte man sich eigentlich mehr erwarten dürfen.

Das Publikum fand in Summe Gefallen an der Aufführung, wie auch mancher Szenenapplaus und ein rund zehn Minuten langer Schlussbeifall bewiesen.