LUISA MILLER
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Theater an der Wien

27.7.2001
Klangbogen Wien 2001
(Premiere 17.7.)

Dirigent: Bertrand de Billy

Radio Symphonieorchester (RSO) Wien
Wiener Kammerchor

(Choreinstudierung Johannes Prinz)
Inszenierung: Christine Mielitz
Bühnen- und Kostümbild: Karin Fritz
Lichtdesign: Davy Cunningham

Luisa Miller - Regina Schörg
Rodolfo - Walter Fraccaro
Miller - Bruno Caproni
Conte Walter - Alastair Miles
Wurm - Kwangchul Youn
Federica - Graciela Araya
Laura - Arona Bogdan
Contadino - Raúl Gabriel Iriarte


Vergiftet!!!
(Dominik Troger)

Diesen manieristisch ausgestalteten Vergiftungstod soll Regina Schörg (Luisa Miller) einmal jemand nachmachen. In jede Notenpause mußte sie sich hineinkrümmen, ehe ihr das eingeweidezerbeißende Gift den Garaus machte.

Dabei konnte sie doch gar nichts dafür. Denn es war das Regiekonzept von Christine Mielitz, das fehlende Schiller'sches Wort-Pathos ("Kabale und Liebe"!) mittels übertriebener Gestik im Stummfilm-Stil in diese Luisa Miller-Aufführung des Wiener Klangbogens zu transferieren. Weil aber offensichtlich damit gar keine Ironisierung oder groteske Verzeichnung des Stückes angestrebt war, bleibt diese Wahl ein Rätsel. Ganz im Gegenteil wuchtete Bühnenbildnerin Karin Fritz eine abstrahierte Tiroler Felsengegend auf die Drehbühne (bei Verdi spielt das alles in Tirol...), die nach der Pause im zweiten und dritten Akt schön beleuchtet mal abstrakte Gefühlskälte, mal rotüberlaufene, blutignahe Todesnähe verhieß. Nein, das war alles durchaus ernst gemeint, was da passierte. So erhob sich denn schon im ersten Bild Luisa Miller in ihrem hellmoosgrün gefärbelten Zimmer wie eine zum Opfer bereite Priesterin aus ihrer Lagerstatt - von einem weißen Leintuch umhüllt - und als eben solche Priesterin sollte sie dann ihren schweren, minutenlangen Kampf gegen das Gift führen: eine anachronistische Mischung aus barocker Haltung und spät-spätromantischer Liebesverklärung.

Doch am Beginn dürfen Luisas Liebeshoffnungen noch so zart-kräftig ergrünen, dass sogar dem Chor dieses Grün nicht nur ins Gewand, sondern auch es umrahmend ins Gesicht steigt und ein wenig in die Haare. Denn die Felsen, die schon von Anbeginn die Vorderbühne bedrohlich umlagern, brechen sich dann ohnehin ihre Bahn, durchsprengen seitlich und von oben (!) diese grünen Wände und vernichten alles, was Luisa so an möglicher Zukunft in ihrem Herzen trägt. Immerhin gibt es außer Felsen im ersten Akt noch ein Bett, dass im Zentrum der Bühne platziert, irgendwie den Angelpunkt dessen abgeben soll, was da so alles in dieser Oper passiert. Aber auch dieses Requisit bürgerlicher Existenz verschwindet, wie schon angedeutet, überlagert von der felsigen Gefühlskälte alpiner Hochgebirgsregionen. Diese werden dann, den schon erwähnten Farbenspielen preisgegeben, zum Abbild des inneren Seelenzustandes der Hauptprotagonistin. Und wirklich, kein Ausweg bleibt Luise! Zwischen den ausgespreizten Beinen Wurms muss sie den inkriminierenden Brief schreiben, ehe jener ihr wieder mit überfrachteter Gestik klar macht, wer jetzt das Sagen hat. Oh, holder Tod, der die Liebenden vereint und den bösen Wurm noch durch Rudolfos Hand dem Leben entreißt - und das war das böse Ende dieses stilistischen Tohuwabohus.

Leidtragende waren die Sänger, die gemäß ihres Stimmcharakters von einer naturalistischen Konzeption wohl am meisten profitiert hätten - und entsprechende Personenregie vorausgesetzt, wurde hier die Chance zu einem packenden "Sturm und Drang"-Drama vertan. Eine Regina Schörg ist keine italienische Primadonna, sondern eine Künstlerin deutschprachiger Zunge mit einer sehr klaren und ausdrucksstarken Stimme, deren Luisa Miller menschlich berührt, als persönliches Schicksal und nicht als primadonnenhafte "Liebes-Heroine". Wenn sie sich nun als solche, halbentblösst, dem Publikum darzubieten hat, dann wiegt das umso schwerer, weil es auch ihre stimmlichen Möglichkeiten und Intentionen untergräbt. So waren denn auch die besten Szenen jene, wo Luisa Miller - beispielsweise im Duett mit Wurm - ganz in ihrer hoffnungslosen Schicksalsverstrickung aufgehen konnte, ohne sich diesen unnötigen symbolischen Überhöhungen ausliefern zu müssen.

Ein Walter Fraccaro als Rodolfo kann nicht mit einer breiten, sonoren Mittellage oder einem herzschmelzenden lyrischen Timbre glänzen, aber er schafft die Partie anstandslos und es wäre sicher vorzüglich geworden, hätte man in ihm nicht Liebespathos gesucht, sondern einen verliebten, etwas überspannten jungen Mann. Auch Bruno Caproni als Miller, Alastair Miles als Conte Walter, Kwangchul Youn als Wurm, Graciela Araya als Federica sind keine "Priester und Priesterinnen des Belcanto". Wenn ihnen die Regie versagt, sich als Persönlichkeiten zu formen und einzubringen, dann bleibt nichts zurück als eine angekränkelte Rollen-Typologie, die den sängerischen und darstellerischen Möglichkeiten in keinem Fall gerecht wird. Aber diese Diskrepanz eine hohle Regie-Metapher ausfüllen zu müssen, lag wie ein Schatten über dem ganzen Abend. Leider hat auch Bertrand de Billy im Orchestergraben mit einem gar nicht so inspiriert klingenden Radio Symphonieorchester Wien eine klare Akzentuierung vermissen lassen.

Nun ist ja Luisa Miller an sich kein Reißer und zählt zu den selten gespielten Verdi-Opern. Sie hat vom jungen Verdi zu wenig, und der großmeisterliche kommt erst langsam in Sichtweite. Bekannt ist vor allem die Tenorarie aus dem zweiten Akt. Die Herausforderung, aus Luisa Miller einen aufregenden Opernabend zu generieren, ist also einigermaßen groß. Diesmal wurde es nur flaues Sommertheater.