LA FORZA DEL DESTINO

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Staatsoper
1.3.2008
Premiere

Dirigent: Zubin Metha

Inszenierung: David Pountney
Ausstattung: Richard Hudson
Choreographie: Beate Vollack

Marchese di Calatrava &
Padre Guardiano - Alastair Miles
Leonora - Nina Stemme
Don Carlo - Salvatore Licitra
Fra Melitone - Tiziano Bracci
Preziosilla - Nadia Krasteva
Mastro Trabuco - Michael Roider
Ein Alkalde - Dan Paul Dumitrescu
Chirurgus - Clemens Unterreiner
Curra - Elisabeta Marin


Sturmtief

(Dominik Troger)

Das Sturmtief „EMMA“ war noch zu Mittag über Wien gebraust – und abends gegen halb Zwölf gab es ein kleines Sturmtief in der Staatsoper. Mit heftigen Buhrufen gegen die Regie, aber auch gegen einige Sänger, wurde einem insgesamt unerfreulichen Abend ein eben solches Ende bereitet.

Das Rätsels Lösung für diese unstaatsoperngemäßen „Wetterkapriolen“? Die SängerInnen schienen überfordert und David Pountneys – auch handwerklich nur bedingt überzeugender – Mischmasch aus Parodie und aufgesetzt wirkender Gesellschaftskritik ging deutlich daneben. Dass der Abend so wenig Anklang fand, war nicht die „Macht des Schicksals“, sondern eine hausgemachte Malaise.

Nina Stemme hat sich an diesem Abend jedenfalls nicht als der definitive „neue“ Verdisopran empfohlen, auch wenn ihre starke Bühnenpräsenz den Abend zumindest phasenweise „gerettet“ hat. Das jüngst bei ihrer Senta festgestellte kurzwellige Vibrato war hier eine ständige und zunehmend störende Begleiterscheinung, es gab mehr oder weniger deutlich verpatzte Höhen, mit zu viel Kraft angesetzte Piani – im „Pace, pace, mio Dio“ wäre das dann auch beinahe schief gegangen.

Salvatore Licitra wirkte den ganzen Abend stimmlich angespannt und ließ sich die Partie ein hartes Stück Arbeit kosten. Der Lohn für seine Bemühungen: er hat durchgehalten, wenn auch schmelzlos und mit ziemlich einförmigem Ausdruck. Platz für ein sensibles Ausgestalten dieses Charakters fand er keinen mehr. „Bedankt“ wurde er beim Schlussvorhang mit Buh- und Bravorufen – das Publikum hat bei einer Staatsopernpremiere doch höhere Erwartungen.

Carlos Álvarez zeigte sich dem Don Carlo nur bedingt gewachsen, so schön seine Stimme ist, letztlich fehlte es ihr an Volumen und einem „heroischen Zug“, den es braucht, um sich in diesem Fach wirkungskräftig durchzusetzen. Alastair Miles war in meinen Ohren als Marchese und Padre Guardiano eine Fehlbesetzung. Man hätte seit seinem Philipp wissen müssen, dass sein karges, irgendwie emotionslos klingendes Timbre schwerlich den tröstenden, mit wohliger Tiefe unterfütterten Beichtvater abgibt. Miles musste beim Schlussvorhang unter starken Buhrufen aber auch abbüßen, was Pountney ihm eingebrockt hat: er hat Guardiano zu einem glatten, geschäftstüchtigen „Sektenboss“ umgedeutet.

Nadia Krasteva sang eine unausgewogene Preziosilla, der das „Rataplan“ einige Probleme bereitete – auch hier ist die Stimme wohl noch nicht so weit. Das Staatsoperndebüt von Tiziani Bracci verlief nicht wünschenswert, dabei denke ich, dass auch bei ihm die mangelnde Überzeugungskraft stark mit Pountneys Regiekonzept zu tun hatte.

Zubin Methas Interpretation hat mich persönlich enttäuscht, der Abend war über weite Strecken langatmig und spannungslos; das philharmonische Klangbild, das er früher in ganz spezifischen Farben zu tauchen vermochte, wirkte diesmal austauschbar, etwas grell, zwar schön in den Streichern, aber in Summe doch karg und koventionell. Wirklich vorzüglich war der Chor, das darf nicht unerwähnt bleiben – der positivste Eindruck des ganzen Abends.

David Pountney hat seine erste „Macht des Schicksal“, die er auf die Bühne stellen musste, vor allem aus den beiden großen Massenszenen entwickelt. Die handelnden Charaktere blieben deutlich unterbelichtet, wirkten in der Personenführung stark auf sich allein gestellt. Dafür wurden Ballettszenen choreographiert – Cowboy-Girls in roten Dressen – die in ihrem Gehopse den Charme tiefster Provinz ausströmten. Pountney sprengte zudem den eigentlichen Handlungsrahmen völlig auf, Weltkriegsvideos wurden projiziert, und alles zu einem großen Tohuwabohu verschmolzen. Am Schluss des „Rataplan“-Chores gab es eine Bombenexplosion – was auch zu einem Zwischenruf führte (zum einzigen – das Publikum wirkte den ganzen Abend lang wie gelähmt und der Schlussapplaus brach nach den Einzelvorhängen bald in sich zusammen).

Das Bühnenbild, meist ein großes, weißes, langgestrecktes Bauelement, dass offenbar die Visiereinrichtung eines Revolvers im großen Maßstab darstellte, sorgte für einen abstrakten, offenen Rahmen, der nach Bedarf mit Kuben oder Gerüsten erweitert wurde. Weiße Stahlrohrbetten sind derzeit anscheinend groß in Mode (wir hatten auch schon Koffer und schwarze Regenschirme). Die meterhohen „Puppen“ aus dem „Wilhelm Tell“ (diesmal nur in anderem Kostüm) feierten ein Stelldichein – Theaterpraktiker wissen eben, wie sie sich die Arbeit erleichtern können. Von den Farben konkurrenzierten Weiß und Schwarz mit dem Rot der Massenszenen.

Wirklich ärgerlich war, dass Pountey die entscheidenden Szenen zwischen Leonora, Don Carlo, Alvaro und Marchese bzw. Padre Guardiano viel zu wenig durchgeformt hat. Das waren Stehtableaus, manchmal nur noch lächerlich wie die Schlusszene des ersten Bildes (der Tod des Marchese) oder die quasi Hinrichtung Leonoras durch ihren Bruder am Schluss. Das alles war zudem von leidenschaftsloser Kühle geprägt: Padre Guardiano steht nahezu unbeteiligt daneben, während Leonora stirbt und der Tenor ringt ein wenig Hände ...Völlig überflüssig war die Videovorführung zur Ouvertüre, dieser Revolver, der sich in 3-D-Animation riesengroß vor den Zuschaueraugen dreht, die Kugel, die sich löst und wie in einem schlechten Zeichentrickfilm ihr Opfer sucht ...

Fazit? Eine unadäquate Umsetzung eines – zugegebenermaßen – szenisch und sängerisch schwierig zu realisierenden Werkes: denn die Zufälligkeiten der „Macht des Schicksals“ sind nun mal eine ziemlich beliebig wirkende Dramaturgie.

... 20 Minuten vor Beginn der Vorstellung ...
(Foto: operinwien.at
)