Amüsanter Repertoireabend
(Dominik Troger)
Nach
der neuen Kosky-„Cosi“ war dieser Repertoire-„Falstaff“ eine Wohltat:
keine überdrehten Turnübungen auf der Bühne, sondern eine stimmige
Inszenierung von Marco Arturo Marelli – und die Aufführung war auch
musikalisch besser aufgestellt, als diese vermurkste „Cosi fan
tutte“-Premiere vor knapp zwei Wochen.
Luca Salsi
stellte sich in dieser Aufführungsserie erstmals dem Wiener Publikum
als Falstaff vor. Er wirkte in der dritten (von vier) Aufführungen
spielfreudig, wenn auch „geerdet“, inszenierte sich nicht als
„Übertreibungskünstler“, sondern war mehr auf ein „seriöses“ Rollenbild
bedacht. Er gewährte Sir John das Recht, seinem Hedonismus zu frönen,
ohne sich deshalb als gesellschaftlicher Außenseiter profilieren zu
müssen. Seine Mißgeschicke bleiben für diesen Falstaff eine scherzhafte
Episode, die man noch Jahre später bei einem Krug Wein unter vielem
Lachen weitererzählen kann. Salsi sang textbezogen, mit gutem Parlando,
seine Stimme war kräftig genug und verfügte über eine gute Höhe.
Zugegeben: Andere Rollenvertreter haben aus der Partie mehr Pointen
herausgeholt, den Charakter auch gesanglich deutlicher
ausdifferenziert.
Der Abend glänzte ohnehin mehr durch Teamwork als durch sensationelle Einzelleistungen. Boris Pinkhasovich
gab wieder einen „veristisch-eifersüchtigen“ Ford mit
gutem Effekt, aber wenig emotionale
Schattierungen. Hiroshi Amako
hat seinen als Bühnenfigur noch etwas unausgegoren wirkenden Fenton
nicht mit dem erhofften lyrischen Tenorschmelz ausgestattet. Dr. Cajus
in der Ausgestaltung von Norbert Ernst
verschaffte sich im Vergleich eine viel
stärkere stimmliche und darstellerische Präsenz. Falstaffs Diener taten,
was von ihnen erwartet wurde.
Von den „Falstaff“-Damen hat erneut Monika Bohinec
am eindrucksvollsten reüssiert, weil sie als Mrs. Quickly ihre
Begegnung mit Falstaff mit selbstbewusster Komik und passend tiefen
Tönen auszustaffieren vermochte. Das flößte sogar Falstaff Respekt ein – und
es dauerte, bis er es wagte, sich dem ausladenden Dekolleté der
resoluten „Kupplerin“ anzunähern. Die anderen am Scherz beteiligten
Windsor-Damen mussten sich nicht weit aus dem „Fenster lehnen“: Robert Mantegna blieb
als Frau Ford mehr „Hausfrau“, als dass die Begegnung mit
Falstaff auch nur eine Sekunde lang ihre Sittsamkeit hätte
gefährden können. Ihr Sopran folgte sicher den von Verdi ausgelegten
Notenpfaden, bei etwas heruntergedimmter Erotik. Isabel Signoret war eine etwas unauffällige Meg Page. Für die Nanetta hätte ich mir eine „saftigere“ lyrische Sopranstimme gewünscht, als sie Slávka Zámečníková mit adretter Kühle ins Staatsopernhalbrund gestellt hat.
Thomas Guggeis
am Pult und das Staatsopernorchester folgten flott Verdis Musik. Über
manch hübsch herausgehobenem Detail ging der Blick fürs Gesamte nicht
verloren und das ergab summa summarum eine amüsante
Repertoirevorstellung, mit der dieser gewitterdräuende Juniabend frohen
Gemüts ausklang.
In die Generalpause im Finale
wurde wieder hineingeklatscht, aber Salsi legte den Finger an den Mund
und deutete, dass es noch weitergeht – und plötzlich hatte man den
Eindruck, dass ohnehin alle (Verdi eingeschlossen) mit diesem
„vorlauten“ Applaus gerechnet haben, um verschmitzt die voreiligen
Beifallsklatscher in Falstaffs „tutti gabbati“ einzubeziehen. Der folgende Schlussapplaus war nach fünf Minuten vorbei.
Die
Inszenierung habe ich anlässlich ihrer Premiere im Jahr 2003 und von
Folgevorstellungen bereits ausführlich besprochen. Im Umfeld dessen,
was man dem Staatsopernpublikum an Neuproduktionen in den letzten
Jahren zugemutet hat, könnte man diesen „Falstafff“ fast schon als „klassische Modellinszenierung“ bezeichnen.