FALSTAFF
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Staatsoper
17. Juni 2022


Dirigent:
Giampaolo Bisanti


Sir John Falstaff - Gerald Finley
Ford, Alices Gemahl - Boris Pinkhasovich
Fenton - Frédéric Antoun
Doktor Cajus - Thomas Ebenstein
Bardolfo - Daniel Kluge
Pistola - Ilja Kazakov
Alice Ford - Eleonora Buratto
Nannetta - Vera-Lotte Boecker
Mrs. Quickly - Monika Bohinec
Meg Page - Isabel Signoret
Robin - Noah Schuster


Im Falstaff-Kostüm
(Dominik Troger
)

Sir John Falstaff treibt an der Wiener Staatsoper wieder seine Scherze. Ob er an der Hochzeitstafel des Orfeo willkommen gewesen wäre? Das ist natürlich nur eine rhetorische Frage, weil derzeit der Spielplan die beiden zusammenspannt. So richtige „Falstafflust“ kam in der zweiten Aufführung der laufenden Serie aber nicht auf.

Die Wiener Staatsoper spielt Verdis letzte Oper seit der Wiederaufnahme im September wieder in der fast zwanzig Jahre alten Inszenierung von Marco Arturo Marelli. 2016 gab es zwar eine Neuproduktion in einer historisierenden Ausstattung von David McVicar, die vor der neuen Direktion aber offensichtlich keine Gnade gefunden hat. Marelli stellt die Handlung auf eine Bühne, die sich aufklappen lässt: Windsors Bürger behausen eine leere Spielfläche, auf der je nach Bedarf Requisiten angeordnet werden – Falstaff haust darunter in einem nicht sehr tiefen, aber bühnenbreiten Zimmer, womöglich das dekorierte Kellerabteil eines Lagers. Die Szene ist bunt, die spielerische Aktion steht im Vordergrund, ohne dass dabei interpretatorisch besonders tief geschürft würde. Es geht um lustvolles (Übertreibungs-)Theater, das wie ein aufgeklapptes Bilderbuch die Geschichte von Sir John und seinen Freunden erzählt.

Der kanadische Bariton Gerald Finley hat mit dem Falstaff seinen raren Engagements an der Wiener Staatsoper (Conte Almaviva, Amfortas, Förster) nun eine weitere Rolle hinzugesellt. Aber Finley ist kein Sänger hedonistischer Zuspitzung. Sein Bariton passt ihm wie ein Maßanzug, der selbst in der Ausschweifung die Bügelfalte bewahrt: smart und fit. Die Lebenslust lacht einem nicht daraus entgegen, sondern mehr ein überlegter Mensch, den eine melancholische Verstimmung plagt. Vielleicht durchschaut Finleys Falstaff die Mechanismen der Welt mit zu viel Intellekt und zu wenig Selbstironie. In der beschriebenen Inszenierung von Marco Arturo Marelli hat es der Sänger besonders schwer: Er ist für dieses Bühnensetting zu distinguiert. Er packt den Schmäh nicht mit spontaner Lebenslust beim Schopf. Der riesige Kostüm-Bauch bleibt in diesem Fall eben vor allem eines: Kostüm.

Um Falstaff scharte sich eine mehr zweckmäßig, als liebevoll ausgesuchte Sängerschar, die vor allem bewies, wie schwer die Oper zu besetzen ist (noch dazu im Repertoire). Der sehr „merkantil“ aufgefasste, stimmlich sichere Ford von Boris Pinkhasovich hat sich einen fast veristischen Eifersuchtsanfall zugelegt: ein baritonaler Bajazzo, dem es schwer fiel, die Übertreibung mit einem Augenzwinkern abzumildern. Zu scharf tönte der Dr. Cajus von Thomas Ebenstein, Frédréric Antoun plagte sich als Fenton mit engem Tenor. Falstaffs Gehilfen Bardolfo (Daniel Kluge) und Pistola (Ilja kazakov) ergänzten solide den Reigen der Männerstimmen.

Die humorvolle Mrs. Quickly der Monika Bohinec kratze Falstaff nicht nur gesanglich hinterlistig das „Goderl“. Der Alice lieh Eleonora Buratto einen runden, lyrischen Sopran, manchmal ein wenig beansprucht klingend. Die Nanetta der Vera-Lotte Boecker kühlte mir mit ihrem helltimbrierten Sopran die italienische Lebensfreude schon zu nördlich ab und ihr fehlte die duftige Leichtigkeit der ersten Liebe. Isabel Signoret sorgte als Meg Page für die librettogemäße Verdoppelung von Falstaffs Liebeswünschen.

Das Orchester unter Giampalo Bisanti spielte nicht so, als hätte man viel geprobt. Im Klang ungeschliffen und unaustariert, das Blech viel zu laut, wird man froh gewesen sein, den Abend über die Runden gebracht zu haben. Jemand klatschte unbarmherzig in die Generalpause des Finales und andere machten es nach. Der Dirigent deutete mit der Hand, man möge mit dem Klatschen aufhören, aber es dauerte ein paar Sekunden, bis es alle Anwesenden kapiert hatten. Der Schlussapplaus war nach rund sechs Minuten vorbei.