FALSTAFF
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Sir John Falstaff - Ambrogio
Maestri Stumme Rollen: |
Die Wiener Staatsoper hat Giuseppe Verdis „Falstaff“ in einer Neuproduktion präsentiert. Die Premiere wurde von Teilen des Publikums eifrig beklatscht, der Schlussapplaus knackte sogar die 15-Minuten-Marke. Aber warum die Wiener Staatsoper nach gerade mal 13 Jahren dem Publikum schon wieder einen neuen „Falstaff“ serviert hat, diese Frage konnte der Premierenabend nach meinem Dafürhalten nicht zwingend beantworten. „Falstaff“ zählt ja nicht gerade zu den großen „Rennern“. Die alte Produktion von Marco Arturo Marelli war angeblich – so wurde kolportiert – technisch zu aufwendig. Gespielt wurde sie seit der Premiere im Herbst 2003 immerhin 42-mal, so das Online-Archiv der Wiener Staatsoper. Auffallend daran ist, dass im Wesentlichen nur zwei Sänger die Hauptpartie gesungen haben: Bryn Terfel 12-mal und Ambrogio Maestri 26-mal! Die Inszenierung von Marelli war konventionell-humorvoll, die Neuinszenierung von David MacVicar ist konventionell-langweilig – und Maestri hat in Wien schon zwingendere Falstaff-Vorstellungen gegeben. Aber ich greife vor. Denn bei aller Skepsis gegenüber der Premierenplanung der Wiener Staatsoper, sobald man die Neuproduktion auch als Verbeugung vor dem Dirigenten Zubin Metha versteht, wird sich schwer dagegen etwas Prinzipielles einwenden lassen. Hat nicht die vermeintliche Altersweisheit Dirigenten immer wieder zu Verdis humorvollem Schlusspunkt in Sachen Oper gedrängt? Wie schon angedeutet, McVicar folgte Verdi und Falstaff in die Historie: Kostüme und Bühnenbild gaben sich im weiteren Sinne „elisabethanisch“. Im berüchtigten Wirtshaus gebietet Falstaff über ein riesiges Bett und auf dem zugemüllten Tisch stehen noch die knochenbedeckten Teller der letzten Gelage. Ein breiter „Steg“ überspannt die Bühne und mindert die Seitensicht von den oberen Rängen. Aber durch diese „zweite Ebene“ lassen sich Ensembles natürlich praktikabel teilen – zum Beispiel in Männlein und Weiblein. McVicar hat Falstaff eine offenbar für erotische Dienstleistungen zuständige junge Frau sowie einen Pagen hinzugesellt, die neben Bardolfo und Pistola das „Personal“ ergänzen. Das Haus von Mr. Ford ist geräumig, es gibt eine Laute und einen Paravent und ein großes Fenster öffnet sich links für den berühmten Wäschekorb. Das Schlussbild mit Baum, der von einer großen Uhr geziert wird, hat „altdeutsche“ Dimensionen, aber die Lampions der falstaff-neckenden Bürger sind hübsch und zaubern sogar ein bisschen Poesie in die Mondnacht. Im Finale fährt Falstaff im Wäschekorb wie von einem Ballon gezogen nach oben – ein netter Schlussgag. Leider fand in dieser Kulisse nicht viel mehr statt, als klassisches „Stehtheater“ – und es hatte ein wenig den Anschein, als wollte McVicar einen mehr ernsten als buffonesk-scherzhaften Falstaff inszenieren, womit er ihm aber die unbeschwerte Doppelbödigkeit seiner lustfleischlichen Existenz ausgetrieben hat. Selbstironie war Mangelware, aber ist sie nicht das Salz in der Suppe dieser „Konversationskomödie“? Doch nicht nur bei McVicar, sondern auch bei Zubin Metha im Orchestergraben herrschte der Ernst der „Oper“ vor. Das Lächeln, mit dem Verdi seinen Falstaff aquarelliert hat, verschwand unter breiten, romantisierenden Pinselstrichen, die sich auf Falstaffs Gemüt legten. Dazu kam noch die offene Bühne, die den Nuancen der Konversation akustisch nicht wirklich förderlich war. Und so wie Metha im Orchester hat McVicar in der Personenregie den Feinheiten einer Falstaff’schen Psychologie nicht wirklich auf die Sprünge geholfen. Eine Szene nehme ich davon aus: als Falstaff ein Geldstück als Botendank in Mrs. Quickly üppigem Dekolleté verschwinden ließ wie in einer Sparbüchse. Das war echt falstaffisch – aber an diesem Abend Mangelware. Ambrogio Maestri schien selbst irgendwie gefangen zwischen der Historie des Bühnenbildes und einem Ernst, der die Figur mit einem Beharrungsvermögen ausstattete, das die grazilen Gesten Falstaffs verleugnete, die aber gerade das reizvolle an ihm sind und das Publikum mit der Koketterie eines Walrosses belustigen. Neben Maestri war Ludovic Tézier eine der tragenden Säulen des Abends – bei ihm ließ die mangelnde Subtilität in der Personenführung Mr. Fords Eifersucht quasi unkommentiert im Raum stehen. Dass sich Ford damit eigentlich lächerlich macht, wurde kaum herausgearbeitet, aber Tézier sang jedenfalls prächtig. Um noch bei den Herren zu bleiben: Thomas Ebenstein war gesanglich ein sehr markanter Dr. Cajus, Herwig Pecoraro ein gesanglich schon etwas „überständiger“ Bardolfo und Ricardo Fassi (mit Hausdebüt) ein eher unauffälliger Pistola. Als Fenton gab Paolo Fanale ebenfalls Hausdebüt. Optisch eine ideale Besetzung, mangelte es seiner Stimme an diesem bubenhaften, spitzbübischen Charme, dem die gestemmte Höhe und der insgesamt etwas farblose Ausdruck nicht sehr zuträglich waren. Bei den Damen nützte Marie-Nicole Lemieux als Mrs. Quickly mit „rustikalen“ Formen und einem wirkungsvollen „Referenza“ ihr Chance, um die Gunst des Publikums zu gewinnen – und wurde demgemäß beim Schlussvorhang mit deutlich mehr Beifall bedacht, als Lilly Jorstad (Meg Page) und Carmen Giannattasio (Alice Ford). Vor allem Giannattasios schon etwas metallisch timbrierter Sopran war nicht so der Quotenbringer – aber Jorstadts Mezzo hat sich auch nicht gerade mit faserschmeichlerischer Eleganz um die Partie bemüht. Die sehr zarten, wenn auch durchaus jungmädchenhaft-lieblichen Spitzentöne von Hila Fahima wären in einem kleineren Haus von besserer Wirkung gewesen. Mein Fazit: Im Vergleich mit der Premiere von 2003 gebührt jener der Vorzug. |