FALSTAFF
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Staatsoper
2.9.2004


Dirigent:
Fabio Luisi

Sir John Falstaff - Ambrogio Maestri
Ford, Alices Gemahl - Carlos Alvarez
Fenton - Saimir Pirgu
Bardolfo
- Herwig Pecoraro
Doktor Cajus
- Michael Roider
Pistola - Alfred Sramek
Mrs. Alice Ford - Krassimira Stoyanowa
Nannetta, Ihre Tochter- Tatiana Lisnic
Mrs. Quickly - Jane Henschel
Mrs. Meg Page - Elina Garanca


Saisonstart
(Dominik Troger
)

Die Eröffnungsvorstellung der neuen Staatsopernsaison ist auch schon wieder vorbei. Sie war ein guter Appetitanreger, auch wenn das Werk mehr den Liebhaber entzückt als dass es mit prunkvollen Eröffnungsfanfaren den Opernidealen großer Besuchermassen entspräche. Die Aufführung war bis auf zwei Rollen (Falstaff, Fenton) mit der Premierenbesetzung ident, auch Fabio Luisi stand am Pult.

Ein erster Rundgang im Haus förderte keine epochemachenden Änderungen zu Tage. Die diesjährige Verhüllung des Eisernen Vorhangs zeigt eine S/W-Fotografie: eine Theatertruppe spielt ein klassisches Stück, irgendwo in England nach dem ersten Weltkrieg. Das Bild strahlt eine gewisse Unzeitgemäßheit aus, die ganz gut zum Rahmen passt, in dem es hängt.

Den Falstaff von Ambrogio Maestri sollte man nicht im selben Atemzug mit Bryn Terfel nennen, dessen subtiler Gesangsstil und imposante Rollenzeichnung in anderen Kategorien spielt. Der Falstaff von Maestri ist weniger vielschichtig im Ausdruck, nichts desto trotz von selbstsicherer Gewichtigkeit. Er überspannt weder den Charakter noch seine Stimme und fordert von der ersten Minute Sympathie ein. Er hält ganz gut die Balance, zwischen Verdis „philosophischem Lächeln“ und dem Versuch, die Figur ins „wirkliche Leben“ zu transzendieren. Das Publikum hat Maestri schnell akzeptiert und auch mit viel Applaus bedacht.

Nicht nur ein neuer Falstaff weckte die Neugierde, auch Saimir Pirgu als Fenton. Der Erwartungsdruck ist hoch, das Talent groß. Möge er in Zukunft die Versprechungen einlösen, die medialer Überschwang ihm schon jetzt in die Kehle legt. Er hat ein angenehmes Timbre, und zusammen mit seiner bühnenwirksamen Jugendfrische versah er den Fenton mit dem Charme einer ersten, innigen Verliebtheit. Da konnten sich Darstellung und Gesang gut zu einer Einheit verbinden.

Die Vorzüge der restlichen Besetzung hatte man schon bei der Premiere genießen dürfen. Vor allem die vier Damen sind einem inzwischen ans Herz gewachsen, ein richtiges Kleeblatt, jedes ein wenig anders in der Nuance, und zusammen eine ideale, immer wohlabgestimmte Mischung unterschiedlichen Temperaments: die quirlig-romantische Nanetta der Tatiana Lisnic, die kühlere, anstandsbedachte Meg der Elina Garanca, die Alice der Krassimira Stoyanowa, die Ehemann und Falstaff gekonnt an der Nase herumführt und den Spass an dieser Sache mit der nötigen Lebensweisheit verknüpft, und die „abgrundtiefe“ Quickly der Jane Henschel, deren komisches Mienenspiel allein schon die ganze Aufführung wert ist. Im direkten Vergleich merkt man dann, dass es bei den Herren nicht ganz so homogen zugeht, aber das stört auch nicht weiter. Carlos Alvarez gab wieder eine Studie seines köstlichen Ford – manchmal fast an der Grenze zur Karikatur.

Sie alle sorgten dafür, dass die erste Aufführung der neuen Saison witzig-routiniert über die Bühne ging – und davon sei Fabio Luisi am Pult nicht ausgenommen. Der Orchesterklang kann noch ein paar Weichspüler vertragen, war etwas grell, härter im Ansatz; Musiker und Instrumente müssen sich auch erst wieder eingewöhnen. Dass man grundsätzlich ein wenig feiner zu Werke gehen könnte, sei nicht verschwiegen: Was Terfel an Nuancen aus dem Falstaff herausgekitzelt hat, so weit war Luisi beim Orchester schon in der Premiere nicht gegangen.

Die Inszenierung hat ihre Bewährungsprobe auch mit einem neuen „Falstaff“ bestanden. Das Kanalrohr in Falstaffs Etablissement ist anscheinend doch eher ein Fass, das lehrte mich diesmal eine andere Bühnenperspektive. Skeptisch stimmte mich im letzten Bild wieder die Ku-Klux-Clan-Kostümierung. Denn lustig ist das ebenso wenig wie es von Regisseur Marelli in irgendeiner Weise mit zeitkritischem Touch versehen worden ist. Aber vielleicht trägt man das in Windsor?

Das Publikum war hörbar zufrieden; doch es wird in den nächsten Monaten sicher noch höhere Applauslevel erklimmen.