DON CARLO
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Wiener Staatsoper
14.12.2006

Dirigent: Marco Armiliato

Philipp II, König von Spanien - Matti Salminen
Don Carlos, Infant von Spanien - José Cura

Rodrigo, Marquis von Posa - Simon Keenlyside
Der Großinquisitor - Kurt Rydl
Ein Mönch (Kaiser Karl V) - Goran Simic
Elisabeth de Valois - Olga Guryakova
Eboli, Prinzessin - Luciana D'Intino
Tebaldo - Laura Tatulescu
Herold/Graf - Vladimir Moroz
Stimme vom Himmel - Ileana Tonca


Starke Persönlichkeiten, kräftige Stimmen
(Dominik Troger)

Die große Aufregung um José Curas Don Carlo-Debüt war in dieser dritten Vorstellung der laufenden Serie nicht mehr nachzuvollziehen: Cura bot eine seriöse Rollendarstellung. Gesanglich dominierten Stimmen, die sich nicht allzusehr aufs stilistische Feinzeichnen verlegten.

José Cura besitzt eine eigenwillige Gesangstechnik, stark von der emotionalen Verausgabung des Verismo geprägt. Er ist kein Stilist im klassischen Sinne und nimmt sich einiges an Freiheiten. Außerdem besteht bei ihm leicht die Gefahr, dass Charaktere überzeichnet werden. Als Don Carlo hielt er sich diesmal gut am Zügel, die Stimme konsolidierte sich nach einem wenig verheißungsvollen Beginn. Cura sang in den Ensembles kraftvoll, am besten disponiert in der oberen Mittellage.

Zur Schlüsselszene geriet die Begegnung mit Elisabeth im zweiten Bild. Wenn er sie aus der Reserve lockt, in dem er zu Boden gleitet und sich vor ihr in demütiger Herausforderung hinstreckt, zerreißt mit einem Mal das Korsett der spanischen Hofetikette. Elisabeths Beklommenheit, ihr sich zu ihm Niederlassen, kurze Momente scheuer Berührungen, zeugten vom intensiven Eingehen Olga Guryakovas auf ihren Partner. Diese kurze Szene ließ die Tragik der Liebesgeschichte Revue passieren – ganz ohne Schluchzen oder überbordende Gestik. Gegenüber Philipp kehrte Cura einen Infanten hervor, der verbissen an seine Mission glaubt und sie mit Nachdruck verfolgt. Er zeichnete keinen schwächelnden Charakter, sondern einen ziemlich geradlinig seine Ziele verfolgenden Menschen. Das ergab ein überraschend schlüssiges Portrait dieser nicht einfach zu gestaltenden Bühnenfigur.

Statur- und bassmächtig ist Matti Salminen schon von den Voraussetzungen eine Bühnenerscheinung mit Autorität und jener brachialen Aura, die Herrscherfiguren entströmt. Der Wagner-Recke lässt sich bei ihm nicht verleugnen: Als Zuseher braucht es ein paar Sekunden, bis man hinter Hagen oder Hunding den Philipp erkennt, der Elisabeth mit lauernden Blicken verfolgt. Die Partie klingt bei ihm etwas forscher, mit brutalem Nachdruck warnt er Posa vor der Inquisition. Doch Salminen weiß das gut abzustimmen. Trotzdem bleibt ein dominierender Rest von imperialem Kalkül, der diese Herrscherfigur zusammenhält, begleitet von einer zunehmenden Verbitterung. Die Auseinandersetzung mit dem Großinquisitor zählte zu den Höhepunkten des Abends. Dabei verlieh Kurt Rydls kräftige, aber schon etwas abgearbeitete Stimme, dieser Figur jenen greisenhaften Starrsinn und jene klerikale Würde, die Philipp in die Knie zwingt.

Olga Guryakova gestaltete die Elisabeth mit viel Selbstbewusstsein und zeigte keinen gebrochenen Charakter. Sie ließ sich auf Curas feuriges Liebeswerben ein und spendete der Hofdame einen herrschaftlich-trostvollen Abschied. Ihr Timbre wirkte auf mich ein wenig kühl, ohne mediterrane Wärme und verklärende Piani. Diese Elisabeth gibt sich nicht auf. Luciana D'Intino besitzt einen satten, imposanten Mezzo, der mit raumfüllender Energie loslegen kann.

Simon Keenlysides intellektuell-schlanker Posa hatte in diesem lospowernden Stimmumfeld keinen leichten Stand. Am stärksten beeindruckte mich die Sterbeszene, wo er sich richtig entfalten und seine zu Feinabstufungen fähige Gesangskultur wohltuend zur Geltung bringen konnte. Der Mönch (Goran Simic) erwischte keinen guten Start und die Ansprache des Herolds (Vladimir Moroz) entwickelte sich einige Takte lang zum Va-banque-Spiel. Dafür sorgte Ileana Tonca, diesesmal etwas hallig verstärkt, für eine solide Stimme vom Himmel. Im zweiten Bild wurde das tändelnde Ambiente der spanischen Hofgesellschaft plötzlich laut vom Souffleur unterbrochen, der Posa eine Phrase vorsang. Ein kurzes Blackout auf der Bühne?

Marco Armiliato und das Orchester boten (abgesehen vom etwas „verblasenen“ Beginn) eine ansprechende Begleitung mit dramatischer und stimmiger Akzentsetzung.

Das Publikum war mit dem Gebotenen hörbar zufrieden, der Applaus, dem ausgedünnten Stehplatzbesuch entsprechend, nicht so stark mit Bravorufen durchsetzt.