DON CARLOS
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Wiener Staatsoper
10.6.2005

Dirigent:Philippe Jordan

Philipp II, König von Spanien - Paata Burchuladze
Don Carlos, Infant von Spanien -
Johan Botha
Rodrigo, Marquis von Posa - Georg Tichy
Der Großinquisitor - Stefan Kocán
Ein Mönch (Kaiser Karl V) - Ain Anger
Elisabeth de Valois - Miriam Gauci
Eboli, Prinzessin - Marianne Cornetti
Tebaldo - Stella Grigorian
Herold/Graf - Markus Nieminen
Stimme vom Himmel - Inna Los


Opern-Wettstreit?
(Dominik Troger)

An Wiener Staatsoper wird im Juni Verdis „Don Carlo(s)“ in zwei unterschiedlichen Fassungen gegeben: auf dem Programm steht eine fünfaktige französische Uraufführungsversion, die sich mit der gängigen vieraktigen italienischen Fassung matcht. So kann das Publikum ganz für sich allein seinen Favoriten küren.

Voreilige Schlüsse sollte man bei diesem Vergleich allerdings nicht ziehen – die „Startbedingungen“ sind zu verschieden. Während die französische Fassung in einer neuen Produktion vorliegt, mit einem eingespielten Sängerteam, muss sich die italienische Fassung im Repertoire bewähren, sozusagen aus dem Stand. Allzu ausgetüftelte musikalische Genüsse wurden einem deshalb am ersten von vier italienisch gesungenen „Don Carlo“-Abenden auch nicht serviert.

Der italienische „Don Carlo“ wird in einer Inszenierung von Pier Lugi Pizzi gespielt, die auf „klassische Oper“ setzt. Das Bühnenbild ist spartanisch, aber zumindest einigermaßen „spanisch“. Die Kostüme verweisen auf die originale historische Epoche. Sonderlich inspiriert wirkt sie nicht, mehr wie eine bebilderte konzertante Aufführung. Bei den vielen wechselnden Besetzungen im Laufe der Jahre ist die Personenregie nur mehr rudimentär vorhanden, sie muss wesentlich durch das schauspielerische Geschick der Ausführenden ergänzt werden. Von einer besonderen Ausformung der Charaktere kann nicht die Rede sein. Dass diese Inszenierung bei der Autodafé kein langatmiges Event-Spektakel entfacht, ist allerdings ein riesengroßer Pluspunkt. Die musikalisch so greifbare Demut der flandrischen Abgesandten ist weit von einem politischen Aktionismus moderner Prägung entfernt, und das eigentlich schaurige an dieser Geschichte, die sakral legitimierte Ketzerverbrennung, vor der sogar der König sein Haupt beugt, geht in der Inszenierung der französischen Version völlig unter.

Wie schon angedeutet, der musikalische Eindruck war nicht überwältigend. Philippe Jordan muss sich seinen Wiener „Don Carlos“ wohl erst zurechtbiegen – aber er hat ja noch drei Abende Zeit dazu. Stimmung kam nur phasenweise auf, es gab Unsicherheiten im Orchester, dem Klangbild fehlte der letzte Schliff. Das schwerfällig-verkrampfte Ausklingen des Freundschaftsmotivs charakterisierte schon am Beginn, was ich über weite Strecken als störend empfinden sollte.

Auf der Bühne gabs jede Menge Debütanten, zum Beispiel Johan Botha als Don Carlo. Bothas phänonemale Stimme kommt im italienischen Fach nicht immer so gut zur Geltung wie im deutschen. Sein „Carlos“ ist – könnte es anders sein? – von mehr geradliniger und kraftstrotzender Statur. „Hier bin ich, hier sing ich“, scheint er zu denken, und bei seinen stimmlichen Reserven, die auch am Ende eines langen Opernabends noch lange nicht ausgeschöpft sind, ist das wirklich ein passendes Credo. In den letzten Jahren wurde der Carlos meist als brüchige Existenz gedeutet, eine Rollenzeichnung, die man Botha schwer abkaufen könnte. Insofern hat er sich bis zum Schluss als schön phrasierender, schnörkelloser Liebhaber behauptet, ohne psychopathologischen Knick.

Etwas ähnlich, was die Stimmgewalt betrifft, ist Paata Burchuladze einzuordnen. Er gab an diesem Abend sein Philippe-Debüt. Burchuladze besitzt ein Stimmvolumen, das seine Töne auch in großen Häusern in die hintersten Logenwinkel trägt. Seine Stimme hat etwas Ungeschlachtes, Grobstoffliches, dass sich für Herrscher und Bösewichter gleichermaßen eignet. Bei ihm sprechen mehr – so auch beim Philipp – die Schattenseiten der Bühnenfiguren an, das Sentiment der Zuschauer wird bei solchen Eigenschaften weniger heftig herausgefordert. Bezeichnend, dass er sich mit dem impulsiven und durchschlagskräftigen Großinquisitor von Stefan Kocán ein stimmliches Duell lieferte, bei dem sich die Grenzen zwischen den beiden Bühnenfiguren verwischten. Ein Machtspiel, in dem die Waffen ziemlich offen geführt wurden. Diese Szene zählte sicher zu den besten des Abends.

Miriam Gauci bot wie immer eine nobel leidende Elisabeth, bei der die Emotionen nur dann und wann hervorbrechen, zum Entsetzen des spanischen Hofprotokolls. Ihre Stimme lag, will mir scheinen, diesmal unruhiger als sonst. Marianne Cornettis Eboli ging mit Nachdruck an die Sache, hier wäre weniger vielleicht manchmal mehr gewesen. In Sachen Darstellung hätte eine gute Personenregie bei ihr einiges an „Wertschöpfung" erzielt. Georg Tichy ist als Posa an der Staatsoper keine Erstbesetzung, auch wenn er die Partie durchsteht und darstellerische Akzente setzt.

Das Publikum spendete erfreuten Applaus, es gab Bravorufe für fast alle Beteiligten, ein geworfener Blumenstrauß für Gauci.