DON CARLOS
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Wiener Staatsoper Dirigent:Vjekoslav
Sutej |
Philipp II, König von Spanien
- Samuel Ramey |
In der Oper sind das Glück und das Unglück oft nur einen Atemzug von einander entfernt – und das bezieht sich nicht nur auf die mehr oder weniger effektvollen Handlungsentwürfe der Librettisten, sondern auch auf Disposition oder Indisposition von SängerInnen und – natürlich – auch auf die Begeisterungsfähigkeit des Publikums. Manchmal wird da ja auch eine Art von Leidensfähigkeit daraus, die absolut nichts mit dem Ärger über inadäquat besetzte Rollen zu tun hat. Und selten wird diese Leidensfähigkeit in einem Maße strapaziert, dass sie sich wie ein Schatten über eine an und für sich sehr gelungene Aufführung legt und einen ganz melancholisch werden lässt. Aber irgendwie befand
sich die Stimme von Luis Lima vom ersten Augenblick
an auf einem gefährlichen Crash-Kurs, in dem er seinen profilos
gewordenen Tenor mit viel attackierender Verausgabung durch die anstrengenden
emotionalen Kurvenwindungen des Verdi‘schen Don Carlos steuern
wollte. Schon vor der Pause drehten da die Räder nicht nur einmal
durch, startete er mit einem heißeren, hohlen Ansatz, der einen
unwillkürlich zusammenzucken ließ – und nicht nur einmal
hätte einen die böse Vorahnung streifen können, dass
in den nächsten Sekunden hier alles auseinanderfliegen wird. Nach
der Pause, im Schlussbild, war es dann so weit. Lima quälte sich
die letzten Minuten, die wie Stunden schienen, völlig indisponiert
in das rettende Ziel. Ohne diese schmerzhafte Erfahrung hätte man diesen Abend sicher zu den gelungenen zählen dürfen. Auch das Orchester hatte beschlossen, ein wenig Verdi’schen Glanz zu versprühen, und sich nicht nur auf das musikalisch Notwendigste zu beschränken. Wie schön klingt doch alles, wenn die Streicher ein wenig weicher spielen, wenn die Bläser in nobler Zurückhaltung, die der Partitur inhärente Noblesse mit freundlichen Farben umtönen. Von Akt zu Akt konnte man hier zufriedener sein – und mit der weiteren Besetzung war man dies sowieso. Denn die war ausgewogen und voller – im wahrsten Sinne des Wortes – klingender Namen: Carlos Alvarez ist ein volltönender, schwelgerischer Posa, der seinen Freiheitsdrang mehr aus einem romantischem Gefühl begründet, denn aus nüchternen, politischen Überlegungen, und der prachtvoll zu Sterben versteht. Die kräftige Stimme und deren lockere Geschmeidigkeit suggeriert für einen Posa vielleicht ein wenig zuviel an Unbekümmertheit, aber das nimmt man gerne in Kauf. Samuel Ramey bringt all seine Opern- und Lebenserfahrung in den Philipp ein. Die Stimme ist schon ein wenig spröder geworden, mit einem leichten Anflug trockener, herbstlicher Fahlheit, die aber mehr wie ein Schimmer darüber liegt und dem Ganzen eine zusätzliche dramatische und zugleich leidende Wahrhaftigkeit verleiht. In der Szene mit Elisabeth in seinem Arbeitszimmer offenbarte er den ganzen doppelbödigen Charakter, den von der Etikette niedergezwungenen Zorn, der dann nur in einem Augenblick aufwallt und sich entlädt – ehe er wieder gebändigt und eingesperrt ihn selber, Philipp, weiterquälen wird. Violeta Urmana hat eine auszeichnete Eboli gesungen, und auch das tückische „maurische Lied“ gleich zu Beginn ganz gut bewältigt. Der Rest war dann imposant, kraftvoll, mit Leidenschaft und Verve, sehr, sehr beeindruckend! Miriam Gauci sang wie immer ihre Elisabeth mit einer gewissen noblen, konzentrierten Zurückhaltung. Es fällt auf, dass bei ihr die Höhen sehr rein kommen, dass sich das Tremolo in sehr engen Grenzen hält, dass sie mit einer Sorgsamkeit und einem Gestaltungswillen ans Werk geht, den so viele andere Soprane dieses Faches vermissen lassen. Ihre Standfestigkeit angesichts eines Bühnenpartners, dessen Stimme sich neben ihr förmlich auflöste, war bewundernswert. Bleibt noch der leichtgewichtige Großinquisitor von Wolfgang Bankl zu erwähnen, das ist (noch?) nicht seine Partie. Bei den Solovorhängen gab es je einen Blumenwurf für Alvarez und auch für Lima – Wiener Opernfans sind eben wirklich treu. |