DON CARLO
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Wiener Staatsoper
16. März 2025

Dirigent: Philippe Jordan

Filippo II - Roberto Tagliavini
Don Carlo - Joshua Guerrero
Rodrigo - Étienne Dupuis
Großinquisitor - Vitalij Kowaljow
Ein Mönch - Dan Paul Dumitrescu
Elisabetta - Nicole Car
Eboli - Elīna Garanča
Tebaldo - Ilia Staple
Conte di Lerma / Herold - Hiroshi Amako
Stimme vom Himmel - Ileana Tonca

„Langeweile im Kostüminstitut“
(Dominik Troger)

Die zweite Aufführungsserie des im Oktober neu auf die Staatsopernbühne gestellten „Don Carlo“ führt das Publikum wieder in die Räume des „Instituts für Kostümkunde“. Die Besetzung ist zum Teil ident mit der Premiere, Elīna Garanča  und Nicole Car geben als  frisch eingeschulte „Textilhistorikerinnen“ die Eboli und die  Elisabetta.

Auch bei der Zweitbegegnung mit dieser Neuproduktion verblüfft, wie gut es Kirill Serebrennikov gelungen ist, in seiner Inszenierung die emotionalen Energien dieser Oper zu neutralisieren und den Figuren ihr Charisma zu nehmen. Dem ganzen Ensemble hängt diese Inszenierung wie ein riesiger, natürliches Spiel und Ausdruck hemmender Klotz am sprichwörtlichen Bein. Davon konnten sich auch Elīna Garanča und Nicole Car nicht wirklich „freispielen“.

Textilwissenschaftlerin Elīna Garanča stand natürlich gleich einmal vor der Herausforderung, im Sinne einer „höfischen Unterhaltung“  Ebolis  „Maurisches Lied“ vortragen zu müssen. Dessen feinsinnige Schleiererotik  kam in diesem Bühnenambiente natürlich überhaupt nicht zur Geltung – und die Sängerin schien auch gesanglich erst einmal ihren Arbeitsmantel ablegen zu müssen, den sie in diesem Institut natürlich zu tragen hat. (Man bedenke nur, was ein einziges eingeschlepptes Kleidermottenräupchen an den dort aufbewahrten textilen Kulturgütern für einen Schaden anrichten könnte!!)

Nach der Pause warf
Garanča beim „O don fatale“ alles in die Waagschale ihres funkelnden Mezzos und sorgte für einen der raren Höhepunkte der Aufführung. Grundsätzlich blieb aber abseits der angewandten Textilienkunde die Frage offen, ob einer etwas satter grundierten Stimme mit etwas mehr Tiefgang die Partie nicht gelegener käme.

Auch die Elisabetta der Nicole Car wurde mit starkem Beifall bedacht, ihr  „Tu che le vanità“ sorgte für den zweiten Höhepunkt des Abends. Aber ist Cars Sopran diese große Arie nicht doch noch eine Spur „zu groß“? Da ein bisschen zu viel Kraft in den Ton gelegt, dort die sanften Lyrismen mit ein bisschen zu viel „Härte“ ausformuliert? Außerdem ist die Spannung zwischen der Äußerlichkeit spanischen Hofzeremoniells und den inwendig lodernden Leidenschaften doch essentiell für die Wirkung, die eine Elisabetta erzielen müsste: dieses rührende Absterben ihrer Seele, eingesperrt im glänzenden Korsett des Hofstaates. Aber wie soll das in dieser Inszenierung zur Geltung kommen?

Joshua Guerrero ist schon in der Premiere ein angestrengt klingender Don Carlo  gewesen, er mühte sich in den lyrischen Passagen und versuchte andernorts mit viel Forte einige Wirkung zu erzielen. Außerdem bleibt seine Funktion in diesem Institut nach wie vor rätselhaft. Vielleicht ist er als Praktikant angestellt? Posa kämpft als „Grüner“ gegen den „Textilimperalismus“ und bewacht als Security das Institut. Étienne Dupuis passte gut in diese Funktion, mit nüchternem Bariton sang er sich leicht geraut und „pragmatisch“ durch den Abend: eine Stimme für Aktivisten, nicht für Feinschmecker.

Roberto Tagliavini ließ als Filippo seine schöne Bassstimme strömen, aber es fehlte die herrscherliche Autorität, das hörbar gemachte Ringen in des Monarchen Seele. Sein Aufritt mit der Aktentasche degradiert den König ohnehin zum Buchhalter. Vom blassen, großinquistorischen Chefwissenschaftler des Vitalij Kowaljow wurde er auch nicht herausgefordert.  Dan Paul Dumitrescu hat bereits vor zwanzig Jahren in der Premiere der französischen Fassung den Mönch gegeben.  Er  sang mit einer gemütlichen Würde, stimmlich konnte er die verstrichenen „Institutsjahre“ nicht ganz vergessen machen. Der Tebaldo von Ilia Staple fungierte als beflissene „Teamassistenz“, und Ileana Tonca steuerte die
Stimme aus dem Off bei. Der Chor machte seinen Job, was bleibt ihm auch anders übrig.

Das Orchester unter Philippe Jordan verwöhnte teils mit angenehmem Schönklang, ohne dabei die Vorstellung mit viel Leben zu erfüllen. Am Schluss gab es viel Applaus, vor allem für Eboli und Elisabetta, und es wurde etwas länger geklatscht als die üblichen „fünf Minuten“. Besucht wurde die zweite Vorstellung der laufenden Serie.