DON CARLO
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Wiener Staatsoper
29. Mai 2016

Dirigent: Marco Armiliato

Filippo II - René Pape
Don Carlo - Ramón Vargas
Rodrigo - Ludovic Tézier
Großinquisitor - Alexandru Moisiuc
Ein Mönch, Kaiser Karl V - Jongmin Park
Elisabetta - Anja Harteros
Eboli - Béatrice Uria-Monzon
Tebaldo - Ileana Tonca
Contessa d'Aremberg - Fabiola Varga-Postatny
Conte di Lerma / Herold - Carlos Osuna
Stimme vom Himmel - Andrea Caroll


Don Carlo - 22. Aufführung in dieser Inszenierung
(Dominik Troger)

In der Wiener Staatsoper geht ein kleines „Verdi-Festival” über die Bühne. „La traviata” mit Placido Domingo als Vater Germont ist bereits Geschichte, von „Simon Boccanegra” und „Don Carlo” folgen noch je eine Vorstellung Anfang Juni.

Die Wiener Staatsoper ist derzeit „Hotspot” hochkarätiger Verdi-Interpretinnen und -Interpreten – und die dritte Vorstellung der aktuellen „Don Carlo”-Serie legte beredtes Zeugnis davon ab. Eine Konstellation, die zu Vergleichen anregt: zum Beispiel Ferruccio Furlanetto versus René Pape als Filippo II. Die emotionale Tiefe, die Furlanetto über einen langen Karrierezeitraum dem Filippo entlockte, findet man bei Pape nicht in diesem Ausmaß. Papes Bass klingt heller, geradliniger, hat als Filippo mehr den Schliff eines Militärbürokraten, der immer ein wenig Sorge zu haben scheint, dass ihm die eigenen und die Emotionen seiner Untertanen (inklusive Gemahlin) außer Kontrolle geraten. Insofern wird das „Ella giammai m'amò!” zwar eindrucksvoll präsentiert, aber mehr im Sinne eines Machtmenschen, dessen despotischen Züge sich bei Pape schärfer und feiner abzeichnen als die schwermütigeren Schattierungen menschlichen Leidens wie sie Furlanetto unter der hofzeremoniellen Oberfläche herauszuarbeiten vermag. Papes Filippo ist der gefährlichere Charakter, analytisch geprägt, dem die Herzen des Publikums aber doch eher mit Zwiespalt begegnen.

Dass das mit der Bühnenehe nicht funktionieren kann, wurde schon an der Körpersprache Anja Harteros deutlich, deren emanzipatorische Frische Elisabetta beim „Giustizia!“ jeder demütigen Geste enthob. Diese Elisabetta wollte dem König auf Augenhöhe begegnen, ein wenig mädchentrotzig und doch mit dem leichten melancholischen Schatten in ihrer Stimme, der bald darauf das „Tu che le vanità“ in die Farbe des Abschieds tauchen wird. Sie strich weniger die Königin heraus als die freilich vergeblichen Versuche, einfach ihre Liebe leben zu dürfen – und dem (dazu gedachten) Hintergrund der strengen Etikette des spanischen Hofes war ihre gezeigte Grandezza dann doch ein Spur zu wenig förmlich.

Harteros umwehte eine Natürlichkeit, die wie ein linder Windstoß durch die düsteren Bunker des Bühnen-Escorial wehte, mit dem die Staatsoper das Publikum optisch nicht gerade verwöhnt. Bemerkenswert war zudem wie Harteros Sopran in allen Lagen kräftig und doch ausgewogen Verdis Melodien folgte, wie sie das „Tu che le vanità“ reifen ließ, wie sie die Erschütterung aufbaute, wie das Publikum schließlich atemlos gespannt ihrem Vortrag lauschte. Nur manchmal klang ihr Sopran eine Spur härter und an der Kante leicht greller gefärbt (etwa beim „Einstieg" in das obgenannte „Tu che le vanità“). Bemerkenswert aber nicht nur ihre Piani, sondern auch ihre Tiefe, und über allem schwebte eine poetische Phantasie jugendlicher Liebeslyrik, die selbst in den dramatischen Augenblicken der Stimme eine geheimnisvolle Graziosität bewahrte.

Dritter im Bunde bemerkenswerter Verdi-Interpration war Ludovic Tézier. Das Freundschaftsduett war noch etwas herausfordernd für ihn und seinen Kompagnon, aber bereits in der Szene mit den Hofdamen kam er immer besser in Fahrt; mit dem kernigen Charme seines Baritons, gefühlvoll den Damen gegenüber, bestimmt gegenüber Filippo, bis zum eigentlichen Höhepunkt seiner Darbietung: der Gefängnisszene. Teziers Bariton besitzt genügend Volumen und Atem für Verdi, aber auch eine weiche lyrische Abrundung, die der Stimme eine das Sentiment ansprechende Fülle verleiht.

Wie schon angedeutet, die stürmische Energie des Freundschaftsduetts hat Teziers Bariton nicht ganz so behagt – und für den Don Carlo von Ramón Vargas war diese Vorstellung ohnehin wieder ein Grenzgang voll Leidenschaft und mit manch „gestresstem“ Spitzenton – wobei es an diesem Abend aber für ihn recht gut lief. Das Timbre seiner Stimme passt ohnehin zum liebeleidenden Titelhelden, leicht von baritonaler Melancholie durchflutet. So bewegte sich dieser Bühnencharakter wie der Sänger oft an der Grenze – und das Publikum musste so und so um seinen sympathischen Helden bangen.

Eher nicht so hochkarätig platzierte sich an diesem Abend Béatrice Urioa-Monzon als Eboli: der Schleier des bekannten Liedes wurde nicht sehr elegant „gewickelt“ und auch später störte (mich) ein starkes Vibrato und eine insgesamt zu unausgewogene Stimmkultur. Weiters wäre es wünschenswert gewesen, als Großinquisitor einem „hintergründigeren“ Bass zu begegnen als Alexandru Moisiuc. Da gab Jongmin Park als Karl V. schon ein paar Anregungen, in welche Richtung das hätte gehen können. Hübsch erscholl die Stimme vom Himmel (Andrea Caroll). Wirkungsvoll waren die Chöre und die Gesandten ergingen sich in schönem Flehen.

Marco Armiliato setzte nicht auf gedrillte Hochspannung, sondern entwickelte den Abend aus dem musikalischen Fluss und ließ den Sängern genug Raum zur emotionalen Ausgestaltung. Armiliato kommt beim Wiener Publikum sehr gut an – es schätzt wahrscheinlich den natürlichen Tonfall seiner unprätentiösen Musikalität, die auch im Klangbild eine stimmungsvolle Wärme gelten lässt.

Der starke Schlussapplaus dauerte rund 13 Minuten lang.