DON CARLO
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Wiener Staatsoper
25. Februar 2015

Dirigent: Marco Armiliato

Filippo II - Ferruccio Furlanetto
Don Carlo - Stefano Secco
Rodrigo - Dmitri Hvorostovsky
Großinquisitor - Eric Halfvarson
Ein Mönch, Kaiser Karl V -
Ryan Speedo Green
Elisabetta - Maria Pia Piscitelli
Eboli - Béatrice Uria-Monzon
Tebaldo - Margaret Plummer
Contessa d'Aremberg - Fabiola Varga-Postatny
Conte di Lerma / Herold -
Jinxu Xiahou
Stimme vom Himmel - Simina Ivan


Don Carlo - 18. Aufführung in dieser Inszenierung
(Dominik Troger)

Die aktuelle „Don Carlo“-Serie an der Wiener Staatsoper ist von einigen Umbesetzungen geprägt. Anja Harteros sagte aus Termingründen die Elisabetta ab und wurde mit Maria Pia Piscitelli ersetzt, für den erkrankten Ramon Vargas sprang Stefano Secco ein.

Die aktuelle „Don Carlo“-Produktion stammt aus dem Jahr 2012. Die Inszenierung von Daniele Abbado lässt das Geschehen in einer Art Bunker spielen, der sich in den Hintergrund öffnen kann, und der vor allem mit Lichteffekten „bewohnbar“ gemacht wird. In diesem reizlosen Ambiente werden die Figuren eher statisch arrangiert, nur ein grotesker Ketzerauftrieb durchbricht das semikonzertante, requisitenarme Bühnenambiente. Aber Hauptsache, Filippo der Zweite findet einen Thron auf der Bühne vor, um dort seine Arie zu singen.

An diesem Abend sang Ferruccio Furlanetto seinen 26. Filippo an der Wiener Staatsoper (laut Online-Archiv des Hauses, das derzeit übrigens die drei letzten „Don Carlo“-Vorstellungen mit Furlanetto vom Oktober 2013 irrtümlicher Weise unter dem Jahr 2012 listet). Die Wirkung von Furlanettos Filippo basiert einerseits auf dem noblen, etwas rauen Timbre seiner nicht übermäßig tiefgründigen Stimme, die dem König Würde, Autorität und eine gewitzte am intriganten Hofleben geschulte Bedrohlichkeit zumisst – andererseits auf einer psychologisch ausgefeilten und nachvollziehbaren Darstellung des Charakters. Dieser Filippo verbirgt seine Ängste und Leidenschaften hinter einer Maske der Rechtschaffenheit, hinter einer Maske, die im Laufe von Furlanettos langer Filippo-Karriere vielleicht sogar einen leichten Zynismus angenommen hat.

In der Szene mit Elisabetta, nach dem „bassigen“ Duell mit dem Großinquisitor, schien mir dieser Zynismus an diesem Abend greifbar, der Zynismus eines Menschen, der sein innerstes Begehren zu verleugnen sucht, weil er erkannt hat, dass er in diesem Leben und in dieser Funktion von der „wahren Liebe“ nur träumen kann – wobei diesem Herrscher das Korsett des Hofzeremoniells Schraubstock und Stütze zugleich ist. Im Vergleich mit René Pape, der in der Premierenserie dieser Produktion als vor allem autoritärer Filippo den Charakter etwas eindimensional zur Geltung brachte, ist die Darstellung von Furlanetto reicher an Zwischentönen. Und weil beide Sänger auf einem hohen gesanglichen Niveau agieren (Furlanetto war an diesem Abend sehr gut bei Stimme) sind es gerade solche Feinheiten im Ausdruck, die den Unterschied ausmachen.

Die angesprochene Auseinandersetzung mit dem Großinquisitor ergab ein packendes Kräftemessen. Eric Halfvarson war in der Rolle des geheimnisvollen Glaubenswächters die lange Karriere zwar schon anzuhören, aber sein mächtiges Organ gab der Figur ein bedrohliches, wirkungsmächtiges Erscheinungsbild. Stefano Secco sang einen sehr beherzten, aber seine stimmlichen Grenzen ausreizenden Don Carlo. Ruhigere Passagen gelangen ihm mit schön gesungenem, gehaltvollem Ausdruck, die emotionalen Ausbrüche nötigten ihn stark zum Forcieren. Auch wenn die „Ausbruchsversuche“ des Infanten dadurch nachvollziehbar und „hautnah“ erlebbar werden, solange der Tenor die Belastung durchhält: der stimmliche Verschleissfaktor ist nicht unerheblich.

Dmitri Hvorostovsky hat das biedere Posa-Kostüm dieser Produktion etwas „adaptiert“, mit weit aufgeknöpftem weißem Hemd und langem Silberhaar segelte er wie ein Freibeuter durch den spanischen Hof – mehr ein Francis Drake, denn ein dem Hofzeremoniell unterworfener Untertan der spanischen Krone. Filippo wusste er in der Begegnung im zweiten Bild (gespielt wird an der Staatsoper die vieraktige Fassung) auf Augenhöhe zu begegnen – und Aug und Aug standen die beiden einander gegenüber, nachdem das verhängnisvolle Wort vom „Kirchhof“ gefallen war. Gesanglich verwöhnte der Sänger das Publikum mit strömendem Bariton, der in der Attacke schon etwas herausgefordert wurde. Etwas störend setzte bei Hvorostovsky wieder dieses typische laute Atemholen ein, vielleicht durch das etwas träge Tempo angefacht, das Marco Armiliato im Graben anschlug.

Die Damen hatten an diesem Abend einen schwereren Stand: Maria Pia Piscitellis Sopran ließ ein etwas dunkles, eher glanzloses Timbre hören, dass wenig dazu Beitrug, den durch das starre Regime am Hof bedrohten Liebreiz Elisabettas aufzubessern. Vor allem die große Arie im Schlussbild entwickelte an diesem Abend wenig Reiz – zu wenig Raffinement in der Behandlung der Piani, zu undelikat angesetzte Spitzentöne. So wirkte die große Liebe des Don Carlo den ganzen Abend leicht verhärmt, was zwar der Realität wahrscheinlich besser entspricht, aber nicht unbedingt die Phantasie eines Opernenthusiasten beflügelt. Auch Béatrice Uria-Monzons Eboli konnte mir mit ihrer im Timbre etwas matt gefärbten Stimme die glühende Leidenschaft der Eboli nur bedingt vermitteln. Ryan Speedo Green sorgte als solider Mönch für die „Rahmenhandlung“. Jinxu Xiahou sang wieder einen Aufmerksamkeit fordernden Herold und Stipendiatin Margaret Plummer gab als Tebaldo ein erstes Versprechen ab.

Marco Armiliato trieb das Orchester nicht gerade an, und es wurde – und das war das gröbere „Problem“ – phasenweise zu laut gespielt. Die lyrischeren Momente gewannen viel Poesie, aber Armiliato ließ einiges an Effekt liegen, etwa bei den schwungvollen Schlüssen des ersten und dritten Bildes. Ein gewisses Trägheitsmoment und ein etwas schwerer, „romantischer“ Klang zeichneten eher die düstere Stimmung am Hofe Filippos nach – und weil gerade im Kunsthistorischen Museum eine Velazquez-Ausstellung zu sehen war – zeigte derart mehr die dunklen Gewänder der spanischen Granden und weniger den funkelnden Schmuck der Damen. Das Publikum reagierte mit starkem Applaus. Der Stehplatz war bis zur Pause voll, dann taten sich die erwarteten Lücken auf.

PS: Was nicht so günstig ist, wenn ein Billeteur nach der Pause im Zuschauerraum bleibt, um seine „Schäflein“ am Galeriestehplatz zu hüten, und dann während einer der schönsten Musiknummern der Opernliteratur wieder hinausmarschiert. Er sollte Filippos Arie abwarten und den darauf folgenden Applaus nützen, um erst dann – durch den Beifall in seiner nahezu unvermeidlichen Geräuschentwicklung übertönt – hinauszugehen.