DON CARLO
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Wiener Staatsoper
21. September 2014

(4-aktige italienische Fassung )

Dirigent: Alain Altinoglu

Filippo II - Giacomo Prestia / Sorin Coliban (nach der Pause)
Don Carlo - Roberto Alagna
Rodrigo - George Petean
Großinquisitor - Ain Anger
Ein Mönch, Kaiser Karl V - Jongmin Park
Elisabetta - Adrianne Pieczonka
Eboli - Monika Bohinec
Tebaldo - Ileana Tonca
Contessa d'Aremberg - Elisabeth Stein
Conte di Lerma / Herold -
Jinxu Xiahou
Stimme vom Himmel - Valentina Nafornita


Don Carlo-Aufführung mit Hindernissen
(Dominik Troger)

Die erste Aufführung einer Verdi-Oper in der neuen Staatsopernsaison galt dem „Don Carlo“ – eine Aufführung in der ganz ungeplant plötzlich zwei „Rheingold“-Riesen als Großinquisitor und Filippo II ihre Machtspielchen abhandelten.

Weil Giacomo Prestia zur Pause eine stimmliche Indisposition befiel, sang von der rechten Bühnenseite Sorin Coliban die Partie des Filippo. Und so traf Ain Anger, als jungendlicher, stimmschöner Großinquisitor, auf seinen Wagner’schen Riesenbruder – ein Zufall, der für Verdis „Don Carlo“ natürlich keine Bedeutung hat, aber ein bisschen die besonderen Umstände dieses Abends illustriert, der schon vorab durch die kurzfristige Absage von Elena Maximova (Eboli) und deren Ersatz durch Monika Bohinec die Besetzungsplanung durcheinander gewürfelt hat.

Giacomo Prestia wurde bei seinem Rollendebüt am Haus als leicht indisponiert angesagt. Das Gespräch mit Posa im zweiten Akt machte trotzdem Lust auf mehr, weil Prestia in Gesang und Spiel der Figur viel Profil verlieh. Bedrohlich schritt er zum Beispiel auf Rodrigo zu, als dieser seinen Gedanken „freien Lauf ließ“, gespannt bis zum Äußersten – um durch Posas Ehrlichkeit und Naivität entwaffnet an etwas sehr Persönliches gerührt zu werden. Die Ansprache an die versammelte „Ketzerverbrennungsgemeinde“ wurde von Prestia aber bereits mit stimmlicher Zurückhaltung gehalten – und nach der Pause kehrte er nur mehr als Schauspieler auf die Bühne zurück. Sorin Coliban kam derart zu seinem Wiener Filippo Rollendebüt und half gesanglich aus, rechts am Bühnenrand stehend, und musste naturgemäß gleich mit Filippos großer Arie in den Abend starten. Er meisterte diese Herausforderung trotz der widrigen Umstände, wobei mehr die großen Züge gewannen, weniger die feinen Schattierungen.

Der Abend gehörte allerdings Roberto Alagna (ebenfalls Wiener Rollendebüt), der sich energiegeladen und mit sehr guter stimmlicher Verfassung auf die emotionalen Höhenflüge und Talfahrten des Don Carlo einließ. Erfordert diese Partie nicht ganz besonders einen Sänger, der bereit ist, an seine Grenzen zu gehen? Dieser Don Carlo rüttelte mit Hingabe an den engen Gitterstäben der spanischen Hofhierarchie und ihren Verhaltensnormen. Das Feuer, das Alagna entfachte, konnte das Gitter schon anschmelzen – und die strahlkräftigen (nicht immer ganz unforciert) klingenden Spitzentöne zeigten den Funkenregen an, der dabei davonstob. Die lyrische Selbstverlorenheit des Don Carlo kam weniger zur Geltung. Alagna sang die Partie mit deutlich veristischem Einschlag und etablierte den Titelhelden als treibende Kraft dieser Aufführung.

Die Elisabetta der Adrianne Piezconka (Rollendebüt an der Staatsoper) hat ihre lyrische Seele gegenüber der Welt schon mit leichtem „Metall“ gewappnet, und das hat ihre edle Gemütslandschaft ein wenig entzaubert, obwohl die Sängerin durchaus feine Nuancen einbrachte. Die Partie schien ihr ein bisschen Mühe zu bereiten, die Stimme klang teilweise vibratoreich, und sie musste einiges technisches Geschick aufbringen, um ihren Gesang auf „Linie“ zu halten. Pieczonka gab eine selbstbewusste Königin, auch ihrem Auftreten nach.

George Petean konnte erst im Kerkerbild so richtig überzeugen, aber bis dahin hatte er auch schwer gegen dieses Kostüm anzukämpfen, in dem Posa so bäurisch aussieht, dass er als Gärtner Antonio im „Figaro“ auftreten könnte. Peteans sehr gut geführter Bariton besitzt einen weichen Zug, dem dann und wann vielleicht etwas der Nachdruck fehlt. Ein bisschen eine „softere“ Abrundung hätte hingegen Jogmin Park (Rollendebüt am Haus) nicht geschadet, der den Mönch und Karl V. mit kräftigem Bass hören ließ. Bleibt noch die einspringende Eboli der Monika Bohinec: Die Vorzüge der Sängerin liegen mehr in den tieferen Regionen, insofern fiel der gesangliche Gesamteindruck im Vergleich zur starken darstellerischen Leistung etwas ab. Jinxu Xiahou als Herold sowie Ileana Tonca als Tebaldo und Valentina Nafornita rundeten die Aufführung ansprechend ab.

Das Orchester unter Alain Altinoglu hat die kühle Klangpolitur des Generalmusikdirektors (der die Premiere und die bisherigen Reprisen der Neuproduktion dirigiert hat) zu Gunsten eines„fülligeren Spiels“ abgelegt – und das hat für meinen Geschmack den Ausdruck leidenschaftlicherer Emotionen ermöglicht. Dass teilweise trotzdem zu laut gespielt wurde, wird sich in den Folgeaufführungen womöglich noch einpendeln, wenn man diese erste Aufführung der Serie als Maßstab nimmt, die sich im Laufe der vier Akte zunehmend rundete.

Der mit Bravorufen angereicherte Schlussapplaus dauerte etwa sieben Minuten lang.