DON CARLO
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Wiener Staatsoper
16.10.2013

(4-aktige italienische Fassung )

Dirigent:Franz Welser-Möst

Filippo II - Ferruccio Furlanetto
Don Carlo - Ramón Vargas
Rodrigo - Ludovic Tézier
Großinquisitor - Eric Halfvarson
Ein Mönch, Kaiser Karl V - Dan Paul Dumitrescu
Elisabetta - Tamar Iveri
Eboli - Violeta Urmana
Tebaldo - Ileana Tonca
Contessa d'Aremberg - Elisabeth Stein
Conte di Lerma / Herold -
Jinxu Xiahou
Stimme vom Himmel - Valentina Nafornita


Der Verdi-Geburtstagsreigen dreht sich weiter
(Dominik Troger)

„La Traviata“, „Otello“, „Simon Boccanegra“, „Nabucco“, „Aida“, „Don Carlo“ – und im November noch „Un ballo in maschera“: Die Wiener Staatsoper begeht Giuseppes Verdis 200. Geburtstag mit einer repräsentativen Werkauswahl. Die zweite „Don Carlo“-Vorstellung der laufenden Serie bot auch viel musikalischen Genuss.

Vor allem die Herren gaben dem Abend ein fürstliches Gepräge: Ferruccio Furlanetto als Filippo, Ludovic Tézier als Posa und Ramón Vargas als Don Carlo. Ferruccio Furlanetto hat seinen ersten Wiener Filippo II. schon 1997 gesungen. In den Jahren seither hat er die Darstellung der Figur zunehmend verfeinert und gestaltet inzwischen diesen schwierigen Charakter, der zwischen der äußeren Strenge einer zeremoniellen Existenz und seinen menschlichen Regungen wie in einem Schraubstock eingezwängt erscheint, mit größter Präzision. Die Kunst liegt wohl darin, in Filippo einen „Menschen“ zu finden, ihm eine glühende männliche Leidenschaft zuzugestehen, die in der Liebe zu Elisabeth und in der Freundschaft zu einem Vertrauten der Enge des spanischen Hofes zu entrinnen sucht – obwohl dieser zugleich sein ganzes Leben ausmacht. Furlanetto überzeugt als Verfechter des Hofprotokolls ebenso wie als eifersüchtiger Gemahl oder enttäuschter Vater und zieht dabei diese Gefühle nie auf eine „niedere“ Ebene hinab. Auch stimmlich war Furlanetto in sehr guter Verfassung, und wenn er – etwa in der kurzen Ansprache vor der Ketzerverbrennung – seine Kräfte ein wenig schonte.

Ludovic Tézier sang einen vorzüglichen Posa, kraftvoll in der Leidenschaft, aber auch mit lyrischen Tönen, wenn gefordert. Tezier hat in Wien den Posa bereits vor zwei Jahren in der französischen Produktion des „Don Carlos“ gesungen – damals zurückhaltender. Sein Bariton ist für Verdi kräftig genug, er besitzt eine Stimme mit kernigem Timbre, die er auch weicher runden kann, wie er etwa in der gefühlvoll realisierten Gefängnisszene bewiesen hat. Tézier hat zudem gut gespielt, den Posa schon im zweiten Bild sehr gut gegenüber Filippo „positioniert“, so dass man eine spannendes „Match“ zwischen diesen beiden Bühnenfiguren erleben durfte.

Der dritte im Bunde, Ramón Vargas, war ebenfalls gut bei Stimme. Sein Tenor ist meiner Einschätzung nach zwar immer noch zu lyrisch für die Partie, aber er klang an diesem Abend ausgeruht und meisterte die Rolle ohne übermäßig zu forcieren deutlich besser als in der Premierenserie von 2012. Gut gelangen ihm diesmal die Spitzentöne, die sich kräftig und heller gefärbt von seiner dunkleren, leicht baritonaler Mittellage abhoben. Darstellerisch blieb sein Infant etwas blass – etwa die Szene mit Eboli, kaum dass sich ein Erschrecken in der Reaktion von Vargas darüber abzeichnete, dass nicht Elisabeth vor ihm steht. Eric Halvarson war stimmlich als Großinquisitor schon etwas rauhbeinig unterwegs, aber die Auseinandersetzung mit Filippo war packend und ging unter die Haut.

Nach der Absage von Anja Harteros kam Tamar Iveri in dieser Serie zu ihren ersten Wiener Auftritten als Elisabeth. Sie harmonierte gut mit ihren Bühnenpartnern und ihr gelang eine überzeugendes Rollenporträt. Iveris Sopran schmiegte sich mit gebotener Zurückhaltung und unterschwelliger Leidenschaft in Verdis Gesangslinie, aber ihre Stimme dürfte eine Spur zu lyrisch für die Elisabeth sein, und deshalb färbte manch hoher Ton dann doch etwas Greller als erwünscht.

Weniger abgewinnen konnte ich der Eboli von Violeta Urmana, die jetzt wieder ins Mezzofach „übersiedelt“ ist. Nicht nur mit dem Schleierlied hatte sie einige Mühe, vor allem die Spitzentöne gerieten teilweise aus der „Fasson“, mit viel Kraft gesungen und unschön einfärbend – das erweckte zwar den Anschein hoher Emotionalität, ging aber stark auf Kosten des Gesamteindruckes.

Dan Paul Dumitrescu kann den Mönch/Karl V. zu einer seiner besten Rollen zählen. Sie ist zwar nur kurz, aber er singt sie immer mit Würde und angenehm timbriertem Bass – sei es in der französischen, sei es in der italienischen Fassung. Positiv aufgefallen sind außerdem Jinxu Xiahou als Herold sowie Ileana Tonca als Tebaldo und die Stimme vom Himmel Valentina Nafornita.

Das Orchester unter Franz Welser-Möst spielte entspannter als in der Premierenserie und das Lautstärkenproblem war weniger virulent als befürchtet. So richtig elegant und federnd mit aristokratischer Strahlkraft versehen und aufwühlender Leidenschaft in den Streichern klang dieser neue „Don Carlo“ auch in der elften Aufführung nicht.

Die Inszenierung war schon am Premierenabend vor zweieinhalb Jahren kein großer Wurf. Der Bunkerbau schafft ein trübsinniges, leer geräumtes Bühnenambiente, das immerhin von der Seite dann und wann interessant beleuchtet wird. Die Szene mit der Ketzerverbrennung ist ganz schlecht gelöst. Der unbestrittene Vorteil diese Arrangements: schauspielerisch gewandte Sänger wie Furlanetto könne ihre Rollen ohne störende Regieeinfälle auf die Bühne stellen.

Der Abend hätte sich in Summe stärkeren und längeren Applaus verdient, als schlussendlich gespendet wurde.