DON CARLOS
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Wiener Staatsoper
18.11.2000


Dirigent:
Janos Kulka

Philipp II, König von Spanien - Roberto Scandiuzzi
Don Carlos, Infant von Spanien - Keith Ikaia-Purdy
Rodrigo, Marquis von Posa - Carlos Alvarez
Der Großinquisitor - Kurt Rydl
Ein Mönch (Kaiser Karl V) - Goran Simic
Elisabeth de Valois - Miriam Gauci
Eboli, Prinzessin - Waltraud Meier


Solides Repertoire
(Dominik Troger)

Zwar hatte man ein wenig das Gefühl, dass die von Verdi konzipierten Rollen um die Protagonisten schlotterten wie zu weite Kostüme, aber wenn man es weniger genau nahm, dann ergab sich eine durchaus spannende Aufführung auf hohem künstlerischem Niveau. Das Problem mit dem Don Carlos ist ja, dass hier praktisch sechs gleichwertig gute SängerInnen gefordert sind, die darüber hinaus auch über gediegene Fähigkeiten zur Darstellung der zerrissenen Verdischen Charaktere verfügen müssen. Das beginnt beim liebesgequälten Infanten und endet bei der geläuterten ebolischen Eifersucht. Diese emotionale Hochschaubahn wird dabei gleichzeitig von einem orchestralen Luxus umschmeichelt, der sich auch in einer entsprechenden Ausstattung einen optischen Widerpart wünschen würde.

Diese Spannung zwischen Repräsentation und innerer Einsamkeit glaubhaft darzustellen und aufrechtzuhalten wird immer nur Ausnahmeerscheinungen vorbehalten bleiben. Und diese Ausnahmeerscheinung könnte man nun einer Waltraud Meier zugestehen, wenn sie sich nicht sozusagen "in der falschen Oper befunden hätte." Es mag ihrer Stimme gut tun, wenn sie sich hin und wieder an Verdi "versucht", aber ihre Koloraturen werden trotzdem nicht besser werden. Dort wo hingegen Dramatik gefordert war spielte und sang sie freilich wieder alle an die Wand. Die Bemerkung im Pausenfoyer "Die Meier verlegt sich immer mehr aufs Schauspielen" war also nicht ganz unzutreffend. Aber sie wird ja bald im Lohengrin wieder die Möglichkeit haben, als Ortrud ihre ganze geballte Wucht an dämonischer Darstellungsgabe und sängerischer Kraft ins Publikum und vor den armen Telramund zu schleudern.

Ihr darstellerisch wenig nachstehend, aber stimmlich weit solider, war der Philipp von Roberto Scandiuzzi. Er war nahe daran, durch die umfassende Rollengestaltung sich von diversen Vorbildern freizuspielen. Etwas mehr Noblesse noch und etwas mehr düstere Verzweiflung und seine prächtige und diffizile gesangliche Charakterisierungskunst erfüllte das von Verdi vorgebene Rollenmuster nahezu ideal.

Man wird auch schwer momentan eine Sängerin finden, die der Miriam Gauci diese Elisabeth nachsingt. Wie wunderbar, wenn ihre Stimme aber auch noch über diesen melancholischen Schmelz verfügte, der einer Elisabeth ebenso wie einer Desdemona erst die letzte, verführerische Reife gibt. Die Gauci ließ sich zumindest an diesem Abend zu wenig weit von einer sicheren Gesangslinie weglocken, nämlich auf den gefährlicheren aber weit aufregenderen Boden emotionaler Leidenschaften.

Der Posa von Carlos Alvarez ist noch unausgegoren, sowohl von der stimmlichen Präsenz als auch von der Darstellung. Fast scheint es, als hätte er mit dem Studium der Rolle in der umgekehrten Reihenfolge begonnen, nämlich mit Posas Tod. Denn der war fulminant.

Bleibt noch der Don Carlos von Keith Ikaia-Purdy. Er ist ein wackerer Sänger, dem man im Repertoire getrost den Don Carlos überantworten kann - und bei dem man sicher ist, dass das Ergebnis auch kritischeren Ohren standhalten wird. (Im Gegensatz zu anderen Tenören, die man nur auf digital zurechtgfeilten Tonkonserven hören kann.)

Kurt Rydl gab den Großinquisitor imposant dämonisch und erwies sich abermals als wichtige Stütze des Hauses.

Das Orchester litt noch unter der Ausdünnung durch das Japan-Gastpiel und zeigte vor der Pause bei den Bläsern - im speziellen bei den sich viel zu sehr in den Vordergrund spielenden Flöten - einige Mängel. Nach der Pause war das Klangbildkompakter, was auch für Janos Kulka spricht, der nach einem eher trägen Beginn, dann für eine spannende Aufführung sorgte.

Schlussendlich hätte es noch eines prunkvolleren Bühnenbildes bedurft, um diesem Don Carlos auch optisch den nötigen Glanz zu verleihen, aber das ist leider wieder ein anderes Kapitel.