PIQUE DAME

Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Tschaikowsky-Portal

Staatsoper
30.6.2025


Dirigent: Timur Zangiev

Hermann - Yusif Eyvazov
Tomski/Pluto -
Alexey Markov
Jeletzki -
Boris Pinkhasovich
Tschekalinski -
Andrea Giovannini
Surin -
Ivo Stanchev
Tschaplitzki -
Hiroshi Amako
Narumow -
Dan Paul Dumitrescu
Festordner - Hans Peter Kammerer
Gräfin - Elena Zaremba
Lisa -
Anna Netrebko
Polina/Daphnis -
Elena Maximova
Gourvernante -
Stephanie Maitland
Mascha/Cloe -
Maria Nazarova


„Pique Dame mit Herz-Dame

(Dominik Troger)

Nach drei Jahren hat die Staatsoper im Juni wieder Peter Ilitsch Tschaikowskys „Pique Dame“ aus dem Depot geholt und mit Anna Netrebko als Lisa eine „Herz-Dame“ des Publikums aufgeboten – und nach insgesamt vier Vorstellungen mit „Pique Dame” und „Herz-Dame“ ging es in die Sommerpause.

Die Staatsopern-Produktion der „Pique Dame“ stammt noch aus der Direktion Ioan Holender – und Vera Nemirovas Inszenierung ist die verstrichene Zeit anzumerken: das renovierungsbedürftige Palais samt sozialistischem Kinderheim, das im Postkommunismus vom Kapitalismus vereinnahmt zum Spielkasino umgebaut wird. Dieser Rahmen passt zwar nicht zur Geschichte, die Tschaikowsky erzählt, aber wenigstes bleiben die Figuren in ihrem Bühnenschicksal einigermaßen intakt.

Der Hermann des Yusif Eyvazov wurde von seinem spröd timbrierten, geradlinigen Tenor geprägt, den er schon in der Gewitterszene des ersten Akts zu mitreißender Attacke führte. Hermanns Wahn entfaltete sich im Laufe des Abends konsequent, aber ohne den Charakter mit tiefschürfender Psychologie zu verdichten. Insofern wirkte die Ausdrucksskala doch etwas simplifizierend, was aber der Wirkung keinen Abbruch tat, etwa wenn Hermann liebedrängend Lisa in eine emotionale Ausnahmesituation manövriert oder wenn sich im Finale Wahn und Hoffnungslosigkeit zu einem starken Abgesang auf das Leben vereinen. Eyvazovs Hermann reüssierte als tragischer Held,  ohne dabei „plakativ“ zu wirken oder introspektiv die Dekadenz einer absterbenden Epoche zu enthüllen. In Summe gelang dem Sänger ein wirkungsvolles Rollenporträt in einer schwierigen Partie, die auch gut zu seiner von einem individuellen Timbre geprägten Stimme passt.

Die „Herz-Dame“ des Abends schwelgte in den satten, gereiften Farben ihres Soprans. Es spricht für Anna Netrebko, dass sie für die an der Realität zerbrechenden Mädchenträume Lisas trotz langer Karrierejahre noch genug gesangliche Sensibilität aufbrachte, um einerseits lyrisch den Nachstellungen Hermanns glaubhaft zu erliegen, und um andererseits ausreichend für das Verzweiflungspathos bei Lisas Suizid gerüstet zu sein. Ob der Zeitpunkt für dieses Rollendebüt um ein paar Jahre zu spät gewählt war, darüber könnte diskutiert werden. Doch die Gefühlsausbrüche des dritten Aktes erfordern auch Stimmkraft – und Netrebko konnte auch hier überzeugen und ihren breiten Sopran mit Spintoenergie beflügeln, ohne dabei ihrer Stimme zu viel zuzumuten.

Zwei Sänger von der Aufführungsserie im Jänner 2022 sind auch dieses Mal angetreten und haben wieder einen starken Eindruck hinterlassen: Alexey Markov als Tomski/Pluto und Boris Pinkhasovich als Jeletzki. Markov erzählte die Geschichte von der Gräfin und den drei Karten mit kräftigem, kernigem, sehr gut geführten Bariton. Der Sänger wusste die Spannung ausdrucksvoll zu steigern und sorgte derart für die Initialzündung dieser „Ideé fixe“, die Hermann bald so fatal verfolgen wird. Boris Pinkhasovich sang den Jeletzki mit viel Gefühl in der berühmten Arie. Seine Stimme ist leicht rau timbriert, aber er führte sie mit nobler Zurückhaltung durch diese von Tschaikowsky so delikat gestaltete Liebeserklärung an eine schon verlorene Seele. 

Elena Maximova hat bereits vor zehn Jahren die Polina an der Staatsoper gesungen, der jugendliche Schwung ihres nach wie vor eleganten Mezzos hat einen Anflug von Reife bekommen. Die Gräfin von Elena Zaremba verbreitete mehr „Stil“ als gespenstische „Grabeskälte“,  blieb in der Schlüsselszene im Ausdruck zu geheimnislos und unerotisch. Die vielen kleineren Partien waren gut bis solide besetzt – nur der Festordner tönte, als hätte er schon den ganzen Tag lang lautstark Befehle erteilen müssen.

Bei der letzten Wiederaufnahme im Jänner 2022 stand noch Valery Gergiev am Pult, dieses Mal leitete der junge russische Dirigent Timur Zangiev die Vorstellungen (in der zweiten Aufführung musste Michael Güttler kurzfristig einspringen, weil sich Zangiev einen „Hexenschuss“ zugezogen hatte).  Zangiev dirgierte mit großen Gesten, mit viel analytischem Spürsinn für die Orchestrierung und den markanten Einwürfen der Holzbläser. Der  Klang war eher trocken. Dramatische Passagen wie das Gewitter kamen ihm entgegen, in ruhigeren Passagen hielt die Spannung nicht durchgehend. Dann fehlte es an Sentimentalität, um den analytischen Zugriff emotional etwas auszubalancieren – wobei die stilistische „Camouflage“ des Schäferspiels ohnehin schwer zu beleben ist.

Nach der Vorstellung dankte das Publikum mit rund zehn Minuten langem Schlussapplaus – und die Staatsopersaison 2024/25 war Geschichte.