PIQUE DAME

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Staatsoper
30.9.2010


Dirigent: Tugan Sokhiev

Hermann - Neil Shicoff
Tomski/Pluto - Albert Dohmen
Jeletzki -
Boaz Daniel
Tschekalinski - Peter Jelosits
Surin - Sorin Coliban
Tschaplitzki - Benedikt Kobel
Narumow - Marcus Pelz
Festordner - Hans Peter Kammerer
Gräfin - Anja Silja
Lisa - Angela Denoke
Polina/Daphnis - Zoryana Kushpler
Gourvernante - Aura Twarowska
Mascha/Cloe - Elisabeta Marin


Pique Dame - 20. Aufführung in dieser Inszenierung

(Dominik Troger)

Tschaikowskys mysteriöse Spielkarten-Lady ist derzeit wieder an der Staatsoper unterwegs. Die dritte Vorstellung der laufenden Serie entwickelte sich zu einem guten Repertoireabend mit griffigem Musiktheater.

Die Staatsopern-„Pique Dame“ ist eine Arbeit der Regisseurin Vera Nemirova. Ihr Name ist nach der letztjährigen „Macbeth“-Premiere bei großen Teilen des Wiener Publikums nicht gerade bestens beleumundet, aber die „Pique Dame“-Produktion ist bekanntlich schon davor entstanden. Wenn man sich mit den ausgeleierten Putzfrauen- und Transvestiten-Gags, die angeblich Sozialkritik implizieren, abgefunden hat, dann bleibt eine phasenweise durchaus spannende Opernarbeit zurück, von der auch bühnenagile Darsteller profitieren können.

Und an solchen fehlte es an diesem Abend nicht. Neil Shicoff, Angela Denoke und Anja Silja sind Garanten für prickelndes Musiktheater. Die gespenstische, stark ins psychologische spielende Dramatik von Tschaikowsky „Karten-Oper“ lag bei allen drei in guten Händen.

Der rein gesangliche Aspekt trat allerdings ein wenig in den Hintergrund: Für die Gräfin gilt hier ohnehin ein Sonderstatus; Neil Shicoff befindet sich schon im goldenen Herbst seiner Sängerkarriere und arbeitet vor allem nach der Höhe zu mit sehr viel Kraft; für Angela Denoke ist die Lisa nicht unbedingt maßgeschneidert, wie man an einigen mehr ungefähr angesteuerten und nicht sehr einschmeichelnd klingenden Spitzentönen bemerken konnte.

Im italienischen Fach wurde man mit Neil Shicoff in den letzten Jahren zunehmend weniger glücklich, doch als Hermann treibt ihn wieder der unverkennbare Zug ins Psychotische, der von seinen aktuellen stimmlichen Ressourcen gut gestützt wird. Dieser Hermann ist schon am Beginn voller innerer Spannungen und Wünsche, und nach und nach kriecht ihm der nackte Wahnsinn unter die Haut. Shicoffs jugendlich-geschmeidige Bühnenerscheinung, die einen sein wahres Alter schnell vergessen lässt, verstärkte die Glaubwürdigkeit seiner Rolleninterpretation. Seine Stimme klang an diesem Abend recht frisch und ausgeruht.

Anja Silja sorgte wieder für erotische Momente, der von Nemirova inszenierte Todeskoitus der Gräfin mit einem leidenschaftlichen Hermann wurde von ihr expressiv ausgekostet – eine delikate Szene, die sehr leicht ins Lächerliche abgleiten kann. Im Volumen hat ihre Stimme in den letzten Jahren merklich nachgelassen. Das ist der Gang der Zeit.

Angela Denoke ist eine expressive Bühnendarstellerin, doch die Rolle der Lisa bietet ihr in dieser Hinsicht vielleicht zu wenige Möglichkeiten. Dass ihre Stimme kaum als „slawischer Sopran“ durchgeht, ist eine andere Sache – letztlich kommt es aber auf den Gesamteindruck an und dieser hat überzeugt.

Boaz Daniel war an diesem Abend mit der Arie des Jeletzki im zweiten Akt stark überfordert. Albert Dohmen als Tomski ist nach wie vor wenig mitreißend und seine beiden „Gesangseinlagen“ wirkten ziemlich „verschenkt“. Zoryana Kushpler punktete vor allem mit ihrer Tiefe und Mittellage, die Stimme ist inzwischen leicht angedunkelt und schön gereift, in der noch nicht so gut erschlossenen Höhe verliert sie deutlich an Reiz.

Tugan Sokhiev hat mit dieser „Pique Dame“-Serie an der Staatsoper debütiert. Er kommt hörbar aus der „russischen Schule“. Das hat den Vorzug, dass er nicht übermäßig psychologisiert, sondern die musikalische „Textsorte“ auch ihrem stilistischen Gehalt nach umzusetzen weiß. Tschaikowskys „Klassizismen“ zeigten sich in ihrer leichten „Maskierung“ sehr gut herausgearbeitet, es fehlte nicht an passendem Pathos, wenn die Newa wogt oder an repräsentativem Gehabe, wenn die Zarin im Publikum erscheint. Die Spannung hielt nicht durchgehend, war aber in den entscheidenden Szenen immer präsent.

Der Schlussapplaus dauerte sechs Minuten, fiel also nicht gerade üppig aus.