EUGEN ONEGIN

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Staatsoper
10. März 2014


Dirigent: Patrick Lange

 

Larina - Zoryana Kushpler
Tatjana - Dinara Alieva
Olga - Nadia Krasteva
Eugen Onegin - Mariusz Kwiecien
Lenski - Rolando Villazón
Fürst Gremin - Ain Anger
Filipjewna - Aura Twarowska
Monsieur Triquet - Norbert Ernst
Ein Hauptmann - Mihail Dogotari
Saretzki - Mihail Dogotari
Ein Vorsänger - Dritan Luca


Lenski stand im Mittelpunkt

(Dominik Troger)

An der Wiener Staatsoper darf sich Tatjana wieder auf Eiswürfel betten, Eugen Onegin darf vor der Eisbar Lensky im Duell erschießen, und der Schnee darf wieder gefühlte Stunden vom Bühnenboden rieseln – ganz leise und gefühlskalt.

Seit der Premiere dieser „Eugen Onegin“-Produktion in der Regie von Falk Richter sind schon wieder fünf Jahre und 32 Aufführungen vergangen (die hier besprochene, zweite von drei Aufführungen der aktuellen Serie inbegriffen). Im Vorjahr konnte sich das Wiener Opernpublikum an einem echt-russischen „Eugen Onegin“ mit Anna Netrebko, Dmitri Hvorostovsky und Dmitry Korchak unter Andris Nelsons erfreuen (eine Aufführung die Maßstäbe gesetzt hat!) – heuer wurde die Besetzung durch Rolando Villazon „aufgemischt“, und Mariusz Kwiecien, als weltweit nachgefragter Eugen Onegin, konnte diese Partie endlich auch dem Wiener Publikum präsentieren.

Rolando Villazón spielte an diesem Abend einmal mehr seine starke Bühnenpräsenz und seine darstellerischen Fähigkeiten aus. Er legte den Lenski selbstsicher an, liebeswert, im Tändeln mit Olga manchmal fast übermütig. Nach der alkoholdunstigen Auseinandersetzung mit Onegin zeigte er das Ringen der Figur um Versöhnung auf, legte beim Duell schließlich fest entschlossen die Pistole einfach weg, um zielgerichtet auf Onegin zu zugehen – und lief wie ein naiver, tolpatschiger Kerl ganz einfach in den Schuss. Gesanglich gelang Villazón ein guter Abend im Rahmen seiner inzwischen leider deutlich begrenzten stimmlichen Möglichkeiten (und gemessen an dem stilistisch etwas befremdlichen Don Ottavio, den er im Jänner dem Wiener Publikum „serviert“ hat). Jedenfalls hielt die Stimme durch, und Villazón verstand es überzeugend (und teilweise mit viel Kraftaufwand) seinen Tenor in den Dienst von Lenskis Emotionen zu stellen. Das positive Resultat konnte im direkten Vergleich mit den anderen Mitwirkenden abgelesen werden: Denn seltsamer Weise erreichte Mariusz Kwiecien mit seinem kräftigen Bariton nicht diese hautnahe Wirkung wie Villazon, der sich so voller existentieller Hingabe in den Lenski hineinzulegen schien, als hinge davon sein Seelenheil ab.

Der polnische Bariton zeigte sich im Vergleich einfacher gestrickt – vielleicht sogar zu einfach gestrickt. Seine Stimme vermittelte mehr Kühle und Energie, gewiss eine prächtige Stimme, aber für den Onegin vielleicht schon zu „metallisch", zu wenig mit leidenschaftlicheren Farben unterfüttert, die auf eine tiefergründige, Tatjana blendende Sinnlichkeit verweisen könnten. Kwiecien gab der Figur keinen neurotischen Zug, fand in ihr keinen blasierten Lebemann. Erst im im Zuge des Finales zeigten sich schärfere Konturen des Charakters, kämpfte er eifrig um Tatjana, wobei er stark mit körperlicher Umarmung und Nähe zu punkten suchte, ihr Kleid noch festhaltend, ehe sie sich losriss – von ihm und von einem längst der Vergangenheit anheim gefallenen Liebestraum.

Als Tatjana stellte sich in dieser Aufführungsserie Dinara Alieva dem Wiener Publikum vor – und sie stand wie Onegin ebenso im Schatten der Bühnenpräsenz von Rolando Villazón, der zudem mit Nadia Krasteva eine nicht minder spielfreudige Olga an seiner Seite hatte, die ihre Bühnenerotik mit sattem Mezzo passend zu unterstreichen wusste. Alievas leicht angedunkelter Sopran bot insgesamt zwar eine gute Leistung, blühte jedoch den ganzen Abend lang nie so richtig auf. Tatjanas Herzblut meinte ich erst im Schlussbild zu entdecken, als die von Tschaikowsky forcierte Emotionalität sowohl Alieva als auch Kwiecien zu einem nachhaltigeren Eindruck verhalf. Ain Anger – wie Krasteva schon in der Premiere mit dabei – sang einen würdevollen, schönstimmigen Gremin. Die übrige Besetzung erfüllte ihre Aufgaben.

Das Orchester unter Patrick Lange zählte eher nicht zu den treibenden Kräften das Abends, kam erst im Laufe des zweiten Aktes etwas auf Touren und schien sich mehr der täglichen Routine, als brillanter Spielfreude verpflichtet zu fühlen. Der Schlussapplaus brachte es auf knappe acht Minuten, Villazon warf wie gewohnt „Küsschen“ und „Herzchen“ ins Publikum, das sich teils recht begeistert für den Abend bedankte.

Eine Vorstellung folgt noch am kommenden Freitag, dann hat die Staatsoper „Eugen Onegin“ für die aktuelle Saison abgehakt.