IOLANTA

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Staatsoper
4.4.2025


Musikalische Leitung: Tugan Sokhiev


Iolanta - Sonya Yoncheva
René - Ivo Stanchev
Graf Vaudémont - Dmytro Popov
Robert - Boris Pinkhasovich
Ibn-Hakia - Attila Mokus
Almerik - Daniel Jenz
Bertrand - Simonas Strazdas
Marta - Monika Bohinec
Brigitta - Maria Zherebiateva
Laura - Daria Sushkova


Eine Nachbetrachtung

(Dominik Troger)

Die Premierenserie der „Iolanta“ ist inzwischen „abgespielt“. In den Kritiken war meist von einem Erfolg die Rede, sogar von einem „schönen Abend“. Die szenische Scheinidylle mit Iolantas Rosenbüschen hat ihren Zauber nicht verfehlt, auch wenn der „schöne Schein“ nicht nur im Finale aufgebrochen wird.

Der Beginn könnte kaum kitschiger sein: In den ersten Szenen wird das Publikum noch mit „Märchensüße“ verwöhnt – optisch und musikalisch. Selbstverständlich ist es verführerischer, wenn Iolanta sich mit einem Bad erfrischt und nicht – wie im Libretto vorgesehen – prosaisch Früchte pflückt. Doch die Idylle wird in der Staatsopernproduktion durch einen Schwächeanfall Iolantas unterbrochen, der den Türhüter Bertram veranlasst, der Prinzessin eine Injektion zu verabreichen – vielleicht ein Beruhigungsmittel, das Iolanta flugs in Morpheus umschlingende Arme scheucht?

Regisseur Evgeny Titov hat diese „Irritation“ harmonisch in die Handlung eingebaut, es wird niemand dadurch „verschreckt“. Die Attacke auf Iolantas körperliche Integrität passiert fast nebenbei, wie eine alltägliche Routinehandlung, zu deren medizinischer Indikation man lieber keine Fragen stellt. Das Schlaflied, das Iolanta vorgesungen wird, verliert dadurch allerdings seine Funktion, wird zum Dekor.

Diese Szene ist jedoch nur ein Vorgeschmack auf den großen Eingriff im Finale. In einer sehr langen, eingelegten (!) Generalpause erblickt Iolanta, die erfüllt von ihrer Liebe das „göttliche Licht“ sehen sollte, im Bühnenhintergrund eine devastierte Landschaft. Welche Funktion hat dann noch das „A-capella-Flüstern“ des Gotteslobes, das jetzt regiebedingt erst nach Sekunden einsetzt, und das jetzt mehr nach furchterfülltem Erschrecken klingt, als nach einem demutsvollen Innehalten, ehe der Schlussjubel aufbraust?

Interessanter Weise wird diese Stelle auf unterschiedlichen „Iolanta“-Aufnahmen unterschiedlich interpretiert: es gibt Dirigenten, die die Pianissimo-Passage gleich anschließen, es gibt welche, die ein kurzes Innehalten andeuten, es gibt welche, die eine deutliche Pause einlegen – bei Teodor Currentzis (Regie: Peter Sellars) sind es immerhin an die sechs Sekunden, und an der Staatsoper gönnt man sich nach meinem Eindruck noch ein bisschen mehr. Offensichtlich gibt es in diesem Punkt eine „rezeptionsgeschichtliche“ Bandbreite, die Evgeny Titov in seiner Deutung dazu verwendet, um die Aussage des Finales ins Gegenteil zu drehen. Was bei Tschaikowsky jubelt, wird hier zur bitteren Erkenntnis menschlichen Leidens verkehrt.

Doch die Deutung des Finales lässt sich auch „politisch“ lesen: Eventuell sind der tote Stier und die muskelprotzende Mathilde als Hinweis auf die gewünschte Selbstertüchtigung Europas gemünzt, das sich ziemlich plötzlich neuen Herausforderungen gegenüber sieht. Der Traum vom „Ende der Geschichte“ in einer moralisch gefestigten Weltgemeinschaft ist ausgeträumt, die göttliche Wahrheit hat nicht nur Iolanta ihre menschliche Schattenseiten offenbart.

Im Vergleich zur Premiere muss ich vor diesem Hintergrund meine Anmerkungen zur „szenischen Ironie“ etwas relativieren. Es gibt sie schon, wie zum Beispiel beim Auftritt der „Ritter“ (Robert, der sich als Schmuckdieb erweist!), aber sie scheint nicht ursächlicher Antrieb der dramaturgischen Arbeit gewesen zu sein. Eher geht es in die Richtung eines „Aufklärertums“, dass sich unter ein paar Quadratmetern „Märchenseide“ hervorwühlt. Mit Tschaikowsky und seiner Oper „Iolanta“ hat das allerdings nichts mehr zu tun.

Musikalisch blieben Wünsche offen – und das ist auch eine Frage der Besetzung. Die hier rezensierte vierte Vorstellung hat diesen Eindruck im Nachklang der Premiere noch verdeutlicht. Erst Roberts (Boris Pinkhasovich) Loblied auf seine Mathilde erweckte an diesem Abend das Feuer von Tschaikowskys Leidenschaften – um dann schnell wieder auf kleinerer Flamme zu lodern. Bis zu Roberts „Arie“ hat vor allem Simonas Strazdas als Bertram mit seinem (sehr) viel versprechenden Bass für punktuelle Aufmerksamkeit gesorgt. Er hat sich an diesem Abend den „Oscar“ für den besten Nebendarsteller ersungen. Der König von Ivo Stanchev hätte sich an der stimmlichen „Profundität“ seines Türhüters ein (großes) Vorbild nehmen sollen – und für den Arzt (Attila Mokus) könnte man sich einen etwas weicheren Bariton gut vorstellen, gleich einem mit Heilkraft ausgestatteten „Gesangstherapeuten“.

Sonya Yoncheva hatte dieses Mal ein bisschen viel Vibrato in der Stimme, und so richtig von der „Leine“ scheint sie ihren Sopran ohnehin nicht zu lassen: alles bleibt kontrolliert, auch in der Liebe herrschen eine gesangliche Achtsamkeit und Reife, die den Prinzessinnen-Enthusiasmus in Grenzen halten. Außerdem fehlte Dmytro Popov als stimmlich zu leichtgewichtigem Vaudémont das heroisch-tenorale „Unterfutter“, um Iolanta aus der „Reserve“ zu locken. Tugan Sokhiev am Pult hat die Emotionen auch nicht wirklich geschürt, im Tempo eher getragen, auch mehr kontrollierend als mitreißend, das Orchester mit leicht dunkelglänzender Klanggrundierung: sehr gediegen alles, vom Feinsten musiziert, aber doch mehr konzertmäßig als bühnendramatisch gedacht!?

Das Publikum schien sehr zufrieden, der Applaus war stark. Die Produktion ist in Summe sehr gut aufgenommen worden.