OEDIPUS REX
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Konzerthaus
18. März 2013
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: HK Gruber

BBC Philharmonic
Chorus Viennensis


Ödipus - Ian Bostridge
Jokaste - Angelika Kirchschlager
Bote
- Neal Davies
Hirte - Timothy Robinson
Kreon - Darren Jeffery
Teiresias - Matthew Best
Sprecher - HK Gruber

Programm

HK Gruber: Northwind Pictures (2011)
Kurt Schwertsik: Nachtmusiken op. 104 (2009)
(Pause)
Igor Strawinski
Oedipus Rex / Oratorische Oper



Zwei Konzertstücke und eine Oper

(Dominik Troger)

Das Konzerthaus lud zu Igor Strawinskis „Oedipus Rex“ in einer konzertanten Aufführung. Vor der Pause gab es zwei Orchesterstücke österreichischer Komponisten.

Den Beginn machte eine Komposition des Dirigenten Heinz Karl Gruber persönlich. „Northwind Pictures” (2011 uraufgeführt) ist eine Art von „Suite” auf HK Grubers Oper „Der Herr Nordwind”. Mangels Kenntnis dieser Oper kann hier nicht über die Nähe oder Ferne dieser Verwandtschaft referiert werden, aber für sich allein betrachtet präsentierte sich diese vom Nordwind durcheinander gewirbelten Bilder als Potpourri unterschiedlicher Stile und Stimmungen, bei dem ein Riesenorchester gleichsam augenzwinkernd das Publikum amüsiert: Etwa der fußstampfende Konzertmeister, der dabei sein kostbares Instrument traktiert, als würde er sich über das stürmische Wetter ärgern.

Der Nordwind selbst hat einen mächtigen Auftritt mit Windmaschine und so, bei dem eine Klangwoge über das Auditorium hinwegfegt, als stünde man mitten in der donnernden Böe. Dann klingen wieder Weisen auf, wie Töne aus einem Jazzlokal, die der Wind vertragen hat, oder es erschallt ein schmalstimminger Chor wie von jammernden Katzen, die sich gleich Stimmen von Solisten zu einem ironisierten Wehklagen versammeln – sicher über diesen lästigen Nordwind.

So ergibt sich ein rund halbstündiger Bilderreigen, der mit dem Aufwand eines riesigen Orchesterapparates pompös eine Art von schmähgeführter Wiener Befindlichkeit artikuliert, die mit keinem Wetter zufrieden ist (wobei der Wind in Wien ohnehin meistens von Westen weht). Auch das Cellosolo sei erwähnt, eine kurze „Arie der Besinnlichkeit”, ein zwischen populärmusikalischen Anklängen und avantgardistischerem Aufbegehren eingezwängter Romantizismus: die Geburt des Weltschmerzes aus dem Geiste der Meteorologie.

Etwas kürzer geriet das zweite Stück vor der Pause: Kurt Schwertsiks „Nachtmusiken“ op. 104 (2010 in Manchester uraufgeführt, als „Praeludium” zum Mahler-Festivals der BBC). Schwertsik verfärbt seine Komponistenseele in dem rund 25 Minuten langen Werk wie ein Chamäleon nach den Vorbildern von Leos Janácek und Dmitri Schostakowitsch, leitet im Schlussteil von einer mit mozartischer Leichtigkeit entwickelten Fuge zu Gustav Mahler über, auf dessen stürmischen Jugendträume in der ersten Symphonie er im Finale kurz verweist.

Auf den charakteristisch getroffenen Janacek, der den Beginn macht, folgt eine ruhige, walzersehnsüchtige „Streicherinsel“, die sich dann doch ein wenig länger ausdehnt. Es schließt der Schostakowitsch gewidmete Teil an mit starkem Effekt: die Quintessenz seines symphonischen Schaffens gedrängt paraphrasierend. Der letzte Abschnitt mit der schon erwähnten Fuge und der Mahler-Referenz ist ein pointierter, von der Klassik hergeleiteter Schlusspunkt. Der Komponist war anwesend und Gruber und Schwertsik wurden eifrig beklatscht.

(Es folgte eine Pause, in der vor allen über die vortägige „Fidelio“-Premiere im Theater an der Wien diskutiert wurde sowie über die „musikphilosophische” Fragestellung wie „schnell” ein Allegro vivace gespielt werden muss, damit kein Adagio daraus wird.)

Nach der Pause trat wieder HK Gruber ans Pult, der das BBC Philharmonic Orchester und den Chorus Viennensis in Sachen Strawinski „lospfeffern“ ließ. Das sorgte nicht nur für sattes Blech, sondern auch für eine gewisse Gewalttätigkeit, die man dem Sujet nicht absprechen kann. Allerdings weiß man bei Strawinski nie, woran man wirklich ist. Schwingt bei Kreons „Respondit deus“ nicht ein Hauch von Ironie mit, den eine etwas feinere Ausgestaltung auch entsprechend artikuliert hätte?

Ian Bostridge gab den Oedipus. Bei seinem schlanken, „hochgewachsenen“ Tenor wurde das archetypische Drama mit britischem Understatement verfeinert und schon beinahe zu einem „Anti-Helden“ gemildert. Ein Oedipus mit leicht zynischem Anstrich, der dann von seinem Schicksal so überrascht ist, dass er sich dagegen kaum mehr aufzulehnen vermag? Aber wieviel Expressivität verträgt die Rolle wirklich? Meiner Meinung nach hätte es ruhig etwas mehr sein dürfen.

Mit geballtem Jubel wurde Jocaste von Chor und Orchester begrüßt: und Angelika Kirchschlager sang bewegt, um Strawinskis „Neo-Archaik“ mit fraulichem Seelenleben zu erfüllen. Ihr goldenes Kleid gab dieser konzertanten Aufführung sogar eine Spur von königlichem Prunk. Den Bassbariton von Darren Jeffery, Kreon, würde man gerne einmal in einer tragenderen Rolle hören. Insgesamt hätte Gruber die Lautstärke des Orchesters etwas zurückfahren müssen, um den Solisten (und den Zuhörern) das Leben leichter zu machen. HK Gruber gab selbst den Sprecher – aber man hatte dabei immer ein bisschen die Subversivität im Ohr, die schon seinen „Nordwind“ durchzogen hat. Ganz perfekt war diese Lösung nicht.

Das Publikum spendete dankbaren Applaus.