DIE FRAU OHNE SCHATTEN
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Bereits am 26. Februar 1911 notierte Hugo von Hofmansthal (1874-1929) in seinem Tagebuch eine erste Skizze zum Stoff "Die Frau ohne Schatten":

"Smeraldine - Arlekin: Sie will schön bleiben. Er täppisch und gut. Sie gibt ihr Kind her, einer als Fischhändlerin verkleideten bösen Fee. (Der Schatten als Zugabe.) Die Kaiserin, einer Fee Tochter, hat ihr Kind verloren. Des Kindes Seele für sie in Vögeln, Blumen. Man verschafft ihr das fremde Kind. Schließlich gibt sie es der rechten Mutter zurück.- Wer sich überwindet ... Eine Szene, wo sich die beiden Frauen einander gegenüberstehen, durch ein Wasser getrennt. Das Fackelschiff der Kaiserin-Fee.-Salomons Urteil. Jakob Knaus: Hofmannsthals Weg zur Oper "Die Frau ohne Schatten". In: Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker. Neue Folge. Hrsg. v, Hermann Kunisch,( ... ). Bd.162.N.F.38. Walter de Gruyter. Berli n-New York 1971. S. 73.

Rund einen Monat später schlägt Hofmannsthal Richard Strauss diesen Stoff als Grundlage für ein Opernlibretto vor:

"Wenn man wieder einmal etwas Großes zusammen machen wollte,(...). Mir schwebt da etwas ganz Bestimmtes vor, etwas, das mich sehr fasziniert, und das ich ganz sicher ausführen werde, ob für Musik, oder nur als Ausstattungsstück mit begleitender Musik, das werden wir uns ja entscheiden können, es ist ein Zaubermärchen, worin zwei Männer und zwei Frauen einander gegenüberstehen, ( ... ),das Ganze schwebt mir mit Gewalt vor Augen und stört mich sogar im Arbeiten ( ... ). Das Ganze, verhielte sich, beiläufig gesagt, zur "Zauberflöte" so, wie der "Rosenkavalier" zum "Figaro", d.h. es bestände hier wie dort keine Nachahmung, aber eine gewisse Analogie." Richard Strauss, Hugo von Hofmannsthal: Briefwechsel. Hrsg. v. Franz und Alice Strauss. Bearb. v. Willi Schuh. Atlantis Verlag. Zücrich. 1954. Brief vom 20. März 1911

Mit Fortgang der Arbeitsgespräche Hofmannsthal - Strauss verwandeln sich Smeraldine und Arlekin, nachdem auch der Plan fallen gelassen wird, sie durch zwei Wiener Volksfiguren (Schneider und seine schöne unzufriedene Frau) zu ersetzen, in den Färber Barak und seine Frau. Damit ist auch die Idee, jene Figuren der "unteren Sphäre" Dialekt sprechen zu lassen begraben. Trotzdem hat dieser Gedanke den Stil der Dialoge entscheidend geprägt und später zur teilweisen Unterscheidung von "oberem" und "unterem" Orchester beigetragen.

Hofmansthal kommt mit der Dichtung aber nur sehr schleppend voran. Erst im September 1913 scheint er sich dem Stoff soweit genähert zu haben, dass er wirklich an eine Ausführung denken kann. So schreibt er am 8. September 1912 an Strauss:

"(...): daß mir seit einer Woche die "Frau ohne Schatten" mit Gewalt vor die Seele getreten ist und daß ich nun, erst nun diesen Stoff wirklich besitze, (...), so daß ich mir wohl sagen kann: dies ist gerettet, (...)." Richard Strauss, Hugo von Hofmannsthal: Briefwechsel. A.a.o.

Auf einer Italienreise im April 1913 wird das Projekt zwischen den beiden noch einmal gründlch durchbesprochen. Und endlich, am Neujahrstag 1914, erhält Strauss das Manuskript vom ersten Aufzug übersandt mit einem Begleitschreiben Hofmannsthals über die Bedeutung der Figuren. So schreibt er zum Beispiel betreffend der Kaiserin, dass sie am Dasein von Tier, Mensch und Geist Anteil hat, sich aber diese menschliche Ebene erst im Laufe des Werkes "gewinne". Strauss beginnt mit ersten Kompositionsskizzen, doch durch den Ausbruch des I. Weltkrieges wird die Fertigstellung weiter verzögert.

Erst im April 1915 vollendet Hofmannsthal das Libretto und Strauss kann sich jetzt ganz auf die Komposition konzentrieren. Bis Mai 1916 ist die Instrumentation des II. Aufzugs abgeschlossen. Danach unterbricht Strauss die Arbeit, um die Neufassung der "Ariadne auf Naxos" zu komponieren. Im Juni 1917 ist dann die Arbeit an der "Frau ohne Schatten" beendet. Die Uraufführung findet aber erst nach dem Krieg am 10. Oktober 1919 in Wien unter der Leitung von Franz Schalk statt.

Zum Schaffungsprozess insgesamt lässt sich sagen, dass Hofmannsthal das Schwergewicht vor allem auf die Textverständlichkeit legt und gegen Streichungen ist, die das Erkennen des Sinnzusammenhanges beeinträchtigen könnten. Für Strauss steht der musikalisch notwendige Zusammenhang im Vordergrund. Und der lässt Streichungen und Textveränderungen durchaus zu. Weil das Ringen um die endgültige Fassung meist brieflich ausgetragen wurde, sind wir über den Entstehungsfortgang sehr gut informiert.

Ein gutes Beispiel für den ausgetragenen Konflikt ist die Stelle im I.Akt, die den Vertragsabschluss zwischen Amme und Färberin behandelt. Strauss verlangte, dass sofort nach dem Einverständnis der Färberin, die Amme mit dem Infinitiv "Abzutun Mutterschaft" einsetzen solle. Hofmannsthal hatte der Amme noch ein paar einleitende, erklärende Verse in den Mund gelegt. Und er ist mit dem Strauss'schen Vorschlag nicht einverstanden und dichtet sogar eine zweite Fassung dieser Stelle. Doch wie man heute hören kann, hat sich Richard Strauss durchgesetzt. (btr)