SALOME
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Wiener Staatsoper Dirigent: Simone Young |
Herodes - Herwig
Pecoraro |
In der Staatsoper wird derzeit wieder die ominöse Silberschüssel herumgereicht. Die dritte Aufführung der aktuellen „Salome“-Serie hinterließ einen sehr guten Eindruck. In der Titelpartie war wieder Catherine Naglestad zu erleben. Ihre Salome führte eher nicht die feine, verführerische Klinge, und ihre Stimme fand erst im Laufe des Schlussgesangs zu jener fruchtigen Reife, mit der sich Salomes Lippen zum weichen Kussmund für Jochanaans erblasstes Haupt runden. Mehr Laszivität und Geschmeidigkeit hätten ihre insgesamt beachtenswerte Darbietung noch aufgewertet. Ihr Sopran klang etwas spröde und forciert, kein unter Liebesgluten angeweichtes Kupfer, sondern schon fester und abgekühlter. Das Raffinement fehlte auch ihrem etwas zurückhaltend wirkenden Tanz. Sie arbeitete viel mit den Schleiern, wobei sie die ersten Herodes zukommen ließ, und einige im Verlies des Jochanaan versenkte. Was die Erotik anbelangte, so hinterließ Salomes Mutter an diesem Abend einen verführerischen Eindruck. Elisabeth Kulman wachte eifersüchtig über Herodes, luchste ihm boshaft die Schleier wieder ab, die ihm Salome überlassen hatte, bis auf einen, den der König an sich presste wie ein Plüschtier. Sie und Herwig Pecoraro waren ein köstliches Gespann, das mit Genuss den Text auslebte und über deren Verhältnis zueinander sich die Sprünge einer abgelebten Beziehung legten, in der Herodias zumindest noch ihre Machtgelüste zu befriedigen suchte. Kulmans runder, kräftiger, lebenshungriger Mezzo und Pecoraros Mime-erprobter Charaktertenor, in den sich leicht morbid-hysterische Züge mischten, gingen eine spannungsgeladene Symbiose ein. Aber wie würden Herodes und Herodias auf die seltsamen Anwandlungen Salomes reagieren? Bei Herodes kulminiert Salomes Schlussgesang bekanntlich in dem Befehl, die Prinzessin zu töten. Und es schien, als habe sich in die Abscheu des Pecoraro-Herodes auch die Eifersucht eines in seiner Eigenliebe gekränkten Herrschers gemischt. In Kulmans Herodias hingegen schien Salome sinnenlüsterne Empfindungen wach zu rufen. Dezent aber deutlich führte sie die linke Hand zu den Lippen wie um den von Salome besungenen Kuss nachzuempfinden, um dann die Hand leicht am Dekolleté vorüber gleitend wieder hinabsinken zu lassen. Mit lauerndem Blick hatte sie schon zuvor den Versprechungen des Herodes gelauscht – und als Herodes in einer letzten Gemütsaufwallung den Tod Salomes befahl, stürzte sie auf den Tetrarchen zu, ohne eine Chance, den gleich in sich zusammengesunkenen Herrscher noch einmal aufzurütteln. Tomasz Koniencny sang einen kämpferischen Jochanaan, ein unbeirrbarer Soldat Gottes, mit leicht grell gefärbter Stimme, der Salome mit seinem Fluch förmlich in den Boden bohrte. Dieser Jochanaan wusste gewiss vor Menschenmassen geifernd zu predigen, und seine herrische Unnahbarkeit schloss jegliche weitergehende Kontaktaufnahme mit Salome aus – die sich wie flehend vor ihn hinkauerte. Norbert Ernst sang einen sehr guten Narraboth. Weniger eindrucksvoll agierten die fünf Juden, während Dan Paul Dumitrescu und Clemens Unterreiner als Nazarener punkteten. Das spielfreudige Orchester unter Simone Young bot eine starke Leistung und brachte die unterschwellige Bedrohlichkeit der Strauss’schen Musik sehr gut heraus, hielt sie vom Anfang bis zum Schluss am Brodeln. Aus dem Graben tönte ein etwas breiterer, mehr Wagner’scher Orchesterklang, warm temperiert und rotgolden überhaucht, der das impressionistische Kolorit nicht überbetonte und viel Gespür für den packenden Verlauf der Handlung bewies. Das jugendstilige Ambiente dieser Produktion war auch in der 215. Aufführung ein großer Mehrwert und machte wieder deutlich, was für ein szenischer Ramsch dem Staatsopern-Publikum unlängst bei der „Rigoletto“-Premiere vorgesetzt worden ist. Der Schlussapplaus fiel mit rund sechs Minuten für das Gebotene zu kurz aus. |