SALOME
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Wiener Staatsoper
11.2.2009

Dirigent: Stefan Soltesz

Herodes - Thomas Moser
Herodias - Janina Baechle
Salome - Angela Denoke
Jochanaan - Alan Titus
Narraboth - Gergely Németi
Page - Zoryana Kushpler
1. Jude - Alexander Kaimbacher
2. Jude - Peter Jelosits
3. Jude - Michael Roider
4. Jude - Benedikt Kobel
5. Jude - Walter Fink
1. Nazarener - Marcus Pelz
2. Nazarener - Hans Peter Kammerer
1. Soldat - Alfred Sramek
2. Soldat - Dan Paul Dumitrescu
Ein Kappadozier- Johannes Gisser
Ein Sklave - André Potgieter


Vom Reiz der Enthüllung

(Dominik Troger)

Für „Enthüllungen“ sorgt Angela Denoke derzeit an der Staatsoper – nein, es geht nicht um das Design der vom Direktor in einem Interview mit der Wiener Zeitung angekündigten neuen Eintrittskarten, sondern um die „Prinzessin Salome“.

Allerdings, wenn das Design der Karten so aufregend ausfällt, wie die „Salome“ von Angela Denoke, dann gibt es schon allein wegen der Billetts nur mehr ausverkaufte Vorstellungen. Denoke zeichnet eine pubertäre, aufbegehrende Salome, die zwischen erotischen Phantasien und einem inzestuös angehauchten Verhältnis zu Herodes balanciert – um dann in den Abgrund einer seltsamen Perversion zu stürzen, die für sie sogar „Liebe“ sein könnte.

Denokes Salome hat keine romantischen Allüren, sie ist sehr selbstbewusst, sie arbeitet mit den Vorzügen ihres jugendlichen Körpers, wickelt Narraboth um den kleinen Finger, Herodes ist ihr ohnehin längst verfallen. Ihrer Mutter gegenüber leitet sie ein trotziges Aufbegehren, das sie sogar in den „Tanz der Sieben Schleier“ einbaut. Ihr Verhältnis zu Jochanaan scheint zuerst von Neugierde bestimmt, von der Lust, verbotene Früchte zu pflücken. Jochanaans Distanziertheit verleitet die verwöhnte Prinzessin zur Provokation – lange weiß man nicht, ob sie seinen Körper aus erotischer Begehrlichkeit anhimmelt oder ob sie den Mann Gottes nur aus der Reserve locken möchte.

Doch dann beginnt sich etwas in ihr zu verselbständigen, sobald Jochaanan störrisch vor den lüsternen Begehrlichkeiten einer „Frau“ zurück in sein Gefängnis flüchtet. Es ist eine erotische Phantasie, es ist jenes „Ich will den Kopf des Jochanaan", das sich im Orchester so stückweise zusammenbraut. Denoke begleitet das Aufsteigen dieser fixen Idee mit körperlicher Laszivität, liegt ausgestreckt am Bühnenrand, ein Knie angehoben. Sie scheint zu ruhen, tagträumend dem Spiel der Wolken zuzusehen, die sich ihr plötzlich zu erotischen Figuren ordnen. Erst Herodes weckt sie aus ihren Phantasien, Herodes der Salomes Nähe sucht – und bald erkennt sie ihre Chance.

Herodes ist der Teenager-Sexualität Salomes verfallen, Salome weiß das zu nützen. Zugleich steht sie Herodes distanziert gegenüber, wahrscheinlich verachtet sie ihn wegen seiner verweichlichten Triebhaftigkeit. Im Tanz, den Denoke selbst ausführt und ohne Ballettattitüde als realitätsnahes „Ritual“ inszeniert, kommt das Verhältnis zwischen Herodes, Herodias, Jochanaan und ihr selbst sehr gut zum Ausdruck: sie verhöhnt im Tanz ihre Mutter, sie geilt Herodes auf, um ihn willensschwach zu machen, und sie spinnt dabei ihre erotischen Phantasien fort, die Jochanaan betreffen. Am Schluss entblößt sie den Oberkörper, in einer Mischung aus Berechnung und sexuell-stimulierter Trance, ehe sie, wieder ihrer selbst ganz bewusst werdend – schamvoll schützend die Arme hebt. Die Dienerinnen eilen herbei, hüllen sie in einen weiten schwarzen Umhang.

Von diesem Augenblick an ist sie Herodes gegenüber unerbittlich, sie quält ihn förmlich mit ihrem Wunsch, das Haupt des Propheten geschenkt zu bekommen, in einer Silberschüssel – den Namen „Jochanaan“ gegen den Schluss hin immer besonders betonend, wie eine Schlange, die Herodes ihr Gift ins Gesicht spritzt. Herodes bleibt keine andere Wahl, als nachzugeben, sein Selbstbewusstsein wird völlig zerrüttet.

Was folgt ist eine seltsame Liebeserklärung an den Kopf eines Enthaupteten, man spürt zuerst, wie Salome überrascht ist, wie sich Begierde und Ekel bekämpfen, wie sie zuletzt, von der eigenen Sinnlichkeit überrascht, in eine fast abgeklärt zu nennende Exstase verfällt. „Ah, ich habe deinen Mund geküsst…“

Denoke spielt dabei alle ihre Vorzüge aus, ihr schlanker agiler Körper verbindet sich ideal mit ihrer flexiblen und überraschend raumtragenden Stimme, die auch in der Höhe noch genug Kraft und Glanz behält, um sinnlich zu sein. Sie bewegt sich stark im Einklang mit der Musik, sie deutet in Bewegungen an, was im Orchester passiert, sie singt textbezogen: hier geht wirklich der Inhalt vor und wird im Ausdruck entsprechend ausgekleidet. So hat sie die Rolle bis ins Detail durchgestaltet und bietet aufregendes modernes Operntheater, ohne gesangliche Kompromisse. In den klimterinnernden Jugendstilkulissen und -kostümen der Staatsoperninszenierung kommt das alles ausgezeichnet zur Geltung, weil hier die unbestimmten psychologischen Ahnungen und Grenzüberschreitungen des Sujets, die Denoke in heutigem Sinn deutlich artikuliert, zugleich historisch mit der Entstehungszeit des Werkes äquivalent verortet werden.

Leider hatte diese Salome auf der Bühne nur bedingt adäquate „Mitspieler“. Am ehesten konnte ihr Alan Titus als Jochanaan das Wasser reichen. Ein Prophet, dem Wüstenstürme nichts anzuhaben scheinen und der mit kräftiger Predigerstimme seine Schäfchen um sich schart.

Thomas Moser zeichnete den Herodes als willensschwachen, verweichlichten Mann. Herodes Psyche ist aber vielschichtiger, Salome ist er zwar verfallen, aber gegen Herodias sucht er immer wieder das Aufbegehren. Der Charakter des Herodes hat außerdem starke expressive Züge, schillert immer wieder in grellen Farben, auch wenn er von Ängsten, Lüsten und Minderwertigkeitsgefühlen zusammengekrümmt erscheint. Moser war aber des öfteren auch stimmlich nicht mehr hörbar ganze Satzteile gingen da im Orchesterrauschen verloren. Womöglich ist seine Stimme zu „schön“ und „lyrisch" für den Herodes. Das hat zwar Reize, aber für meinen Geschmack in Summe mehr Nachteile.

Genauso hätte Janina Bächle noch etwas mehr an Schärfe und Prägnanz in die Herodias legen können. Gewiss, die Grenze zur Karikatur darf dabei nicht überschritten werden, aber diese bissige Nüchternheit „Der Mond ist wie der Mond etc.“, diese Verachtung, mit der sie Herodes begegnet, das sind schon markante Merkmale.

Gergely Németi sang einen klangschönen Narraboth, Zoryana Kushpler einen hübschen Pagen. Auch sonst lag im Detail einiges über dem Durchschnitt (etwa die beiden Soldaten von Alfred Sramek und Dan Paul Dumitrescu), während die „jüdische Aufregung“ über den Religionsfrevel des Herodes – „Ich will dir den Vorhang des Allerheiligsten geben" – schon stark grotesken Einschlag hatte.

Stefan Soltesz ließ eher trocken und insgesamt ein wenig zu laut spielen, schürfte mehr nach den brutalen Untertönen als dass er sich an einem gediegenen Strauss'schen Breitwandsound orientiert hätte. Er ließ in Summe sehr stringent und zupackend begleiten, orientiert am Wesentlichen des dramatische Fortgangs. An den musikalischen Edelsteinen interessierte ihn mehr die Schärfe, als das Spiel ihrer Farben, metaphorisch ausgedrückt. Aber dank des Staatsopernorchesters blieb auch noch einiges von ihrem Glanz gewahrt.

Das Publikum feierte Angela Denoke – aber viel zu kurz für diese herausragende Leistung. Schon ihr dritter Einzelvorhang musste mühsam erklatscht werden, und dann war unerbittlich Schluss. Am Samstag findet die dritte und letzte Vorstellung dieser Serie statt: unbedingt anschauen.