SALOME
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Wiener Staatsoper
8.1.2003

Dirigent: Peter Schneider

Herodes - Michael Roider
Herodias - Margarete Hintermeier
Salome - Eliane Coelho
Jochanaan - Bryn Terfel
Narraboth - Arnold Bezuyen
Page - Svetlana Serdar
1. Jude - Walter Pauritsch
2. Jude - Peter Jelosits
3. Jude - Benedikt Kobel
4. Jude - Helmut Wildhaber
5. Jude - In-Sung Sim
1. Nazarener - Janusz Monarcha
2. Nazarener - Hans Peter Kammerer
1. Soldat - Marcus Pelz
2. Soldat - Peter Köves
Ein Kappadozier- Liviu Burz

Ein Sklave - Roland Winkler

Salome im Winter
(Dominik Troger)

Vor Beginn der Vorstellung hatte es rund minus 8 Grad Außentemperatur, nachher minus 10 Grad. Allzu hitzig kann es bei dieser „Salome“ also nicht zugegangen sein. Die Besetzung war im wesentlichen mit der Aufführung unter Seiji Ozawa vor genau einem Monat ident. Allerdings nur „im wesentlichen“: denn diesmal sang Bryan Terfel den Jochanaan.

Zuerst hört man ihn ja nur aus seinem im Bühnenboden versenkten, mit einem wuchtigen Gitter abgedeckten Verließ. Dann darf er daraus emporsteigen, in prophetischer Urwüchsigkeit. Die großen Hände tasten plötzlich über den Rand dieser Gefängnisgruft, ehe er selbst zum Vorschein kommt, nach vorne gebeugt, in schaurig wuchtiger Pose, geblendet von den Lichtern aus dem Palast des Herodes, den Körper erst nach und nach in den freien Raum aufrichtend, um rasch Salome in bußpredigerischem Ansinnen zu umgarnen. Ganz folgt seine Stimme ja nicht dieser wuchtigen, heroischen Erscheinung und die absolut stärksten Momente hat Terfel dort, wo er mit warmaufblühendem, weichstrahlendem Timbre der Salome ins Gewissen redet und dem Wirken des Erlösers nachsinnt. Kein Wunder, dass diese spätestens da für ihn entflammen muss. Gewiss, so viel hat der Jochanaan nicht zu singen und die Phrasen, die er mit schmeichlerischem, aber doch auch zugleich asketischem Eros einfärbt, sind fast an zwei Händen abzuzählen. Aber das funkelt einem dann wirklich in der Zuhörerseele wie Diamant und Edelstein. Seine Mahnungen, die er lautstark der Herodias an den Kopf werfen muss, haben da vielleicht nicht die geforderte Schärfe, da bleibt er ein Heros zwar, aber mit weichem Kern – was andererseits die seltsame Ambivalenz seines Charakters, ganz gut herausstreicht. Die Erotik des Jochanaan ist gewissermaßen ihm selbst eine unbewusste, die aber dafür von Salome umso stärker wahrgenommen wird. Und sie, die dieses Potential erkennt, ist von seinem Asketentum, das sie nicht versteht, wie vor den Kopf gestoßen. Und ich denke mir, wenn ein Sänger des Jochanaan einen zu solchen Gedankengängen veranlasst, dann muss er seine Sache wirklich sehr gut gemacht haben.

Der zweite wesentliche Unterschied betraf natürlich den Dirigenten. Es war gewiss kein leichtes Unterfangen für Peter Schneider, gleich nach Seiji Ozawa das „Salome“-Pult zu erklimmen. Denn natürlich musste man einen Unterschied hören, sonst wäre an diesem Hause nicht das weltbeste Opernorchester am Werk. Und deshalb hörte man wohl auch, wie in den ersten Minuten noch allerhand Unkonzentriertheit im Orchestergraben saß. Auf der anderen Seite setzt einen der Vergleich in Stand, Ozawas Interpretation besser würdigen zu können: seine Stärke lag in einem durchgstylten und aufpolierten Klangbild, mit fein ausgeklügelter Balance zwischen den einzelnen Instrumentengruppen. Bei ihm wurde das Intarsienmuster der Partitur voll transparent herausgefaltet in eine nahezu räumliche Gegenwart; sehr, sehr luxuriös und filigran; wohlbearbeitetes, kanten- und patinaloses Geschmeide, funkelnd in der Kühle eines vorzüglich gefertigten Jugendstilimitats – während diesmal all diese feinen Konturen zu Gunsten einer oberflächlichen Dramatik verwischt und eingeebnet wurden. Interessanterweise, und das war nun eigentlich die wirkliche Überraschung: die „emotionale Durchdringung“ des Werkes blieb sich an beiden Abenden in etwa dieselbe, kaum aufwühlend, wenn auch einigermaßen stringent in der Dramaturgie.

Eliane Coelho ist zum Glück eine viel bessere Sängerin als Schleiertänzerin, und sie die vermag die Partie bis zum Schluss auf ansprechendem Niveau auszusingen. Wo die große Linie mit Erfolg gefunden wurde, mangelte es am „Feintuning“ und Raffinement. (Womit auf der Hand liegt, dass sie diesmal besser zur Geltung kam, als unter Ozawa, der mit dem Orchester nachvollzog, was sie auf der Bühne nicht zu leisten vermochte.) Coelhos „Salome“ ist aber auch keine „hedonistische“ judäaische Prinzessin, sondern wohnt im Nachbarhaus oder zumindest zwei Straßen weiter. Und ich weiß nicht, ob das die Phantasien der Zuschauer aus der Reserve locken kann.

Auch gegenüber dem Herodes von Michael Roider wird man keine gröberen Einwände erheben – und trotzdem spürt man deutlich, dass hier die richtige Akzentsetzung noch nicht gefunden ist, um gegenüber einer Salome, einer bärbeißigen Herodias, (von dem stets präsenten, wenn auch nicht sichtbaren Jochanaan ganz zu schweigen) die Waage zu halten.

Fazit: Eine passagenweise gute Aufführung, die aber die Möglichkeiten des Werkes bei weitem nicht ausgereizt hat. Wie erwartet, durften sich Bryn Terfel und Eliane Coelho an starkem Applaus erfreuen.