„Sieghafte Salome“
(Dominik Troger)
Die Staatsoper hat
ihre „Salome“-Neuproduktion aus dem letzten Jahr mit einer neuer
Titelheldin in den Spielplan aufgenommen. Camilla Nylund ist eine
bewährte Rolleninterpretin, hat diese Partie erstmals bereits 2005 (!)
an der Staatsoper gesungen. Nachstehende Eindrücke beruhen auf der
dritten Aufführung der aktuellen Aufführungsserie.
Camilla Nylunds
Salome zählt inzwischen die Wagnersche Sieglinde zu ihrer Schwester,
mit ihrem Silberglanzsopran ist der erotische Wahn amoralischer
Ruchlosigkeit entglättet, leuchten Nordlicht und apollinischer Glanz in
die Gefühlsabgründe biblischer Nebenschauplätze, die sich Ende des 19.
Jahrhunderts zu frivolen Arenen der Décadence entwickelt haben.
Die
Inszenierung von Cyril Teste passte natürlich überhaupt nicht dazu. Die
fragile gebrochene Persönlichkeit eines traumatisierten
Missbrauchsopfers, die sein Regiekonzept in Salome entdecken möchte,
hat Nylund nicht dargestellt und ihr Gesang überbrückte alle
inszenatorisch eingebaute Bruchlinien. Selbst dieser von der
Choreographie zur demütigenden „Traumaerinnerung“ deformierte Tanz der
sieben Schleier konnte der inneren Erhabenheit von Nylunds
Rollengestaltung – und damit der Opernfigur selbst – nichts anhaben. Man konnte an dieser
Diskrepanz sehr gut ablesen, wie stark das mit lästigen Live-Videos
aufgemotzte Regiekonzept eigentlich gegen die Musik arbeitet.
Nylunds
Sopran klingt dramatischer als anno 2005, ist für die langen
Karrierejahre aber nach wie vor sehr gut ausbalanciert, ohne Schärfe,
in der Tiefe etwas schwächer ausgeprägt. Sie gestaltete die Partie
überzeugend einschließlich der finalen Apotheose des
sündig-provokativen Kusses, sie schwelgte in der Strausschen Melodie
bis zur rauschhaften Ekstase. Ihre Salome entwickelte dabei weniger
Sinnlichkeit als sieghafte Strahlkraft, eine stürmische sieglindenhafte
Überwältigung des Propheten Gottes und aller gesellschaftlicher
Konventionen.
Auch die übrige Besetzung war bekannt: Iain Paterson
erwischte einen besseren Abend als zuletzt gehört, die Stimme klang
etwas kräftiger. Aber trotzdem scheint sein Jochanaan knapp am Limit
seiner stimmlichen Ressourcen gebaut. Die Inszenierung bietet ihm zudem
keine Möglichkeit, sich als charismatischer Prediger zu profilieren. Er
fährt aus der Versenkung in die Höhe und wieder in sie hinab,
einfallsloser kann man den Auftritt Jochanaans kaum in Szene setzen.
Herodes zeigte sich in der Ausführung von Gerhard Siegel
als schwächelnder Charakter, manches gelang pointiert, anderes zu
beiläufig. Aber dafür sorgt auch die Inszenierung, die Herodes zu
eindimensional als übergriffigen Stiefvater festlegen möchte. Für die
Gier des Mineraliensammlers ist eben so wenig Platz wie für manch
herrische Geste. Regisseure neigen leider dazu, Herodes zu
unterschätzen. Michaela Schuster
machte aus der Herodias eine leicht verruchten Charakter, fast schon
eine Varietéfigur – ihre Beziehung zu Salome blieb eher vage (auch ein
Fehler der Inszenierung). Daniel Jenz ist schon seit der Premiere ein sicherer Narraboth mit Stimmmetall, dazu gesellten sich passend der Page von Patricia Nolz sowie all die Juden, Kappadozzier, Soldaten in unterschiedlicher Quailtät.
Das „Duftkino“ des Meisterparfümeurs Francis Kurkdjian war auf der
rechten Galerieseite an diesem Abend deutlich zu erschnuppern. Der
extra für diese Produktion kreierte Duft soll das Publikum zum
Schleiertanz „entzücken“. Aber mit Parfums ist es wie mit
Inszenierungen, was dem einen gefällt, löst beim anderen schwere
„Allergieanfälle“ aus.
Das Orchester unter Philippe Jordan
ließ sich von Camilly Nylund mitreißen, spielte mit satterem
Streicherklang und mitgematmeten Bögen, die Steigerungen recht gut bis
zum Finale mitnehmend. Das Publikum spendete dann auch rund zehn
Minuten langen Schlussapplaus, trotz hohen Touristenanteils.