SALOME
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Staatsoper
21.4.2023


Musikalische Leitung: Philippe Jordan


Salome - Malin Byström
Jochanaan - Iain Paterson
Herodes - Jörg Schneider
Herodias - Michaela Schuster
Narraboth - Hiroshi Amako
Page der Herodias - Isabel Signoret
1. Jude - Lukas Schmidt
2. Jude - Andrea Giovannini
3. Jude - Carlos Osuna
4. Jude - Robert Bartneck
5. Jude - Evgeny Solodovnikov
1. Nazarener - Clemens Unterreiner
2. Nazarener - Attila Mokus
1. Soldat - Ilja Kazakov
2. Soldat - Stephano Park
Ein Kappadozier - Alejandro Pizarro-Enriquez
Ein Sklave -
Thomas Köber
Henker - Alexandre Cardosoda da Silva

Darstellender Videograph - Benedikt Missmann
Die kleine Salome - Margaryta Lazniuk
Die kleine Salome (Tanz / Video) - Anna Chesnova


Der Anti-Salome zweiter Teil
(Dominik Troger)

Zweieinhalb Monate nach der Premiere hat die Staatsoper die „Salome“ wieder auf den Spielplan gesetzt. In der 6. Aufführung der Neuinszenierung verkörperte erneut Malin Byström die Titelpartie an, Iain Paterson sang erstmals in dieser Produktion den Jochanaan.

Was soll man von dieser neuen „Salome“ nur halten? Dass sie dem „Zeitgeist“ huldigt und Herodes als übergriffigen Stiefvater entlarvt, ist an sich keine Novität. Regisseur Cyril Teste hat den religiösen Background wegretuschiert, die Handlung in eine nicht näher bestimmte Gegenwart versetzt, und Salomes provozierende Erotik zum pathologischen Betriebsunfall einer durch den übergriffigen Stiefvater traumatisierten Psyche erklärt. Die Live-Videos, die im Bühnenhintergrund projiziert werden, erreichen mit ihrer Emotionalität vielleicht das Publikum im Parkett. Ansonsten dominiert ein kühler „Modernismus", so glatt wie das weiße, leicht silbrig schimmende Seidenkleid Salomes, der als emotional verwirrtem Opfer keine selbstbestimmte Erotik mehr zugestanden wird.

Iain Paterson hätte ursprünglich die Premierenserie bestreiten sollen, musste dann aber kurzfristig absagen und Wolfgang Koch das Feld überlassen. Paterson lieh Johanaan einen nüchtern timbrierten Bariton, der die Erotik dieser Figur ebensowenig transportierte wie ihren prophetischen „Wahn“. Gegenüber Salome fehlte es ihm an vokaler Verführungskraft, und bei seinem Lospoltern gegen Herodias und bei seinen apokalyptischen Visionen kochte seine Stimme auf Sparflamme. Erschwerend kommt hinzu, dass Jochaanan in dieser Neuinszenierung nicht viel mehr ist, als ein Mittel zum Zweck. Er wird zum Opfer Salomes, die sich durch seine Hinrichtung an Herodes rächt. Erotisches Begehren versus religiösem Pathos ist erst gar nicht gefragt. Daraus ergibt sich eine dramaturgisch ziemlich dünne Suppe, an der in Zukunft alle Jochanaan Interpreten an der Staatsoper werden würgen müssen.

Die Salome der Malin Bytsröm hat sich natürlich ganz dem Regiekonzept verschrieben – und deshalb war auch nicht zu erkennen, was sie in der langen „Unterredung“ mit Jochanaan überhaupt möchte. Sucht sie beim ihm vielleicht sogar väterlichen Schutz? Aber in Anbetracht der mangelnden vokalen Qualitäten sind solche interpretatorischen „Feinheiten“ ohnehin schon Luxus. Byström hat international als Salome Karriere gemacht, vielleicht hat ihr Wiener Rollendebüt zu spät stattgefunden. Die Sängerin kämpfte sich stimmlich durch den Abend. Ihr Sopran klang überbeansprucht, neigte zu einem starken Vibrato, mit wenig Tiefe und Höhe und ohne verführerischem Piano.

Erfreulich gestaltete sich hingegen der Herodes von Jörg Schneider. Er weiß, was er aus dem Libretto herausholen kann. Zwischen strausschem Parlando und kräftigen charaktertenoralen Ausbrüchen bediente sich Schneider wortdeutlich und gewitzt am schillernden Pointenreichtum der Partitur. Der Spagat zwischen (Selbst)-Ironie und finaler Tragik, weil er doch das Werkzeug seiner lüsternen Gedanken am Schluss dem Henker preisgibt, gelang ihm überzeugend. Michaela Schusters Herodias konnte Herodes nur sehr bedingt nacheifern, stimmlich nicht mehr so „frisch“ wie ihr Gemahl.

Ein Narraboth könnte einen sinnlicheren Tenor ins Feld führen als Hiroshi Amako, und der Page von Isabel Signoret ging im musikalischen harschen Beginn ziemlich unter. Denn das Orchester unter Philipp Jordan kochte im Gegensatz zum Johanaan gar nicht auf Sparflamme. Spröde und laut unterwegs suchte Jordan den grellen Effekt, brach er mit scharfkantigen vokalen Erschütterungen den Eros dieser Musik. Man sollte nicht nur die Schrecken dieser Partitur herauskehren, sondern genauso ihre Sinnlichkeit und Ironie. Dass zum Tanz der sieben Schleier das Haus mit einem eigens dafür kreierten Duft geflutet wird, ist gutes Marketing – aber wozu braucht es anregende Gerüche, wenn in dieser Inszenierung der Tanz vom Mißbrauch berichtet, dem Salome durch Herodes ausgesetzt gewesen sein soll?

Das Publikum spendete am Schluss dieser insgesamt schwachen Aufführung rund fünf oder sechs Minuten langen Beifall.