SALOME
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Staatsoper
14.3.2022

Musikalische Leitung: Thomas Guggeis


Salome - Jennifer Holloway
Jochanaan - Erik Van Heyningen
Herodes - Wolfgang Ablinger-Sperrhacke
Herodias - Claudia Mahnke
Narraboth - Daniel Jenz
Page der Herodias - Margaret Plummer
1. Jude - Thomas Ebenstein
2. Jude - Andrea Giovannini
3. Jude - Carlos Osuna
4. Jude - Robert Bartneck
5. Jude - Artyom Wasnetsov
1. Nazarener - Sergey Kaydalov
2. Nazarener - Michael Arivony
1. Soldat - Wolfgang Bankl
2. Soldat - Dan Paul Dumitrescu
Ein Kappadozier- Johannes Gisser
Ein Sklave - Alejandro Pizarro-Enriquez


Salome im Repertoire
(Dominik Troger)

An der Wiener Staatsoper wird wieder einmal der erotischen Grenzüberschreitung gepflogen. Salome schnappt sich des Johannes Kopf für einen saftigen Kuss. Recht „lüstern“ machte die Vorstellung aber nicht. Dafür was das Orchester zu laut und die Salome zu wenig sinnlich.

Aber was ist schon eine sinnliche Salome? Entweder es macht „Klick“ oder der Abend rauscht an einem vorüber. Jennifer Holloway feierte mit dieser Aufführungsserie ihr solides Hausdebüt in der Titelpartie. Holloway ist kein genuiner Sopran, sie begann als Mezzo. Ihre Stimme zeigte diesen leicht fahlen Anstrich, der ins Sopranfach gewechselten Mezzosopranistinnen öfters eigen ist. Ihre Stimme versprach keine prallen roten Kusslippen. Und vor allem war sie im Forte nicht frei von einem starken Vibrato, was den Eindruck pubertärer Lüsternheit verwischte. Die textliche Ausgestaltung blieb eher flach.

Mir ist schon in der Vergangenheit aufgefallen, dass US-amerikanische Sängerinnen die Salome gern mit einem College-Girl verwechseln. Die perfide Kunst der unmoralischen Grenzüberschreitung, zu der Oscar Wildes poetisch umrankte Grausamkeiten einladen und die Richard Strauss mit viel Kalkül „orchestriert“ hat, findet sich dann in einem alltäglichen Kontext wieder, der dem Stück nicht gerecht wird. Besonders im Finale wirken trotzige Teenageraufwallungen deplatziert. Salome ist im Finale kein Teenager mehr, sondern sie vergisst sich in einem von höllischer Lust und qualvoller Scham erfüllten dekadent-mystischen Liebesakt.

Sehr seltsam war auch Holloways Tanz. Immer wieder hat sie ihre Hände in das Gitter von Jochanaans Verließ gesteckt, dann dem Herodes gezeigt oder abgewischt, so als ob sie sich mit dem Schweiß des Propheten oder was auch immer befleckt hätte. Manchmal wäre es besser, für den Tanz der sieben Schleier eine Balletteuse zu bemühen – auch wenn das den Nachteil hat, dass die Sängerin der Salome einen Teil von ihrer persönlichen künstlerischen Aussage abtreten müsste.

Jochanaan hatte an diesem Abend einen schweren Stand. Erik Van Heyningen musste kurzfristig für John Lundgren einspringen. Der junge Sänger ist Mitglied des Opernstudios der Wiener Staatsoper. Er hat die Vorstellung gerettet. Aber sein Stimme hatte wenig Durchschlagskraft und wurde vom Orchester gnadenlos zugedeckt. Eigentlich müsste die Frage gestellt werden, ob sich Heyningen den Jochanaan überhaupt schon antun sollte – an der Wiener Staatsoper jedenfalls nur in Notfällen wie diesem.

Wolfgang Ablinger-Sperrhacke gab den Herodes in Spiel und Gesang sehr seriös – auch wenn sein Tenor manchmal nach „Mime“ klang. Er konnte sich gut gegenüber dem Orchester behaupten. Vom Wahnsinn „angekränkelt“ war er nicht – wobei es auf die richtige Dosierung ankommt, damit Herodes nicht zur Karikatur gerät. Herodias war bei Claudia Mahnke gut aufgehoben. Sie gestaltete die Partie selbstbewusst und mit klarer Diktion. Mit kräftigem, ansprechendem Tenor buhlte Daniel Jenz als Narraboth um Salome – natürlich ohne ihr Herz zu erweichen. Margarethe Plummer war ein guter Page. Aus dem umfangreichen Ensemble sollen noch Thomas Ebenstein (Erster Jude) und beispielsweise Sergey Kaydalov als Erster Nazarener hervorgehoben werden.

Problematisch war das Wirken von Thomas Guggeis im Orchestergraben. Er sorgte für ein zupackendes Dirigat, das aber zu stark das Orchester präferierte – und insgesamt eher kühl gestimmt, mit den schwelgerischen Klangreserven des Staatsopernorchesters wenig anzufangen wusste. Saftigen Strauss’schen Streicherschmelz suchte man in diesen rund eindreiviertel Aufführungsstunden vergebens. Guggeis brachte die Modernität der Strauss’schen Partitur unbarmherzig zum Klingen – ohne ihren Anteil an sinnlich-schmachtender Dekadenz zu entwickeln. Das Bühnenpersonal kam dabei unter die Räder. Dynamisch viel zu wenig abgestuft rauschte Guggeis relativ flott durch die Vorstellung, eilte über subtile Übergänge hinweg (die Stimmungsumschwünge des Herodes zum Beispiel) und schien – wie viele der neuen jüngeren Dirigenten am Haus – in Sachen „Mitatmen mit der Bühne“ noch ausbaufähig zu sein.

250. Aufführungen hat laut Programmzettel diese „Salome“-Produktion schon hinter sich. Sie stammt aus dem Jahr 1972. Jürgen Rose hat damals ein wunderschönes Jugendstilbühnenbild entworfen und die Kostüme gleich dazu. Aber wie man hört, steht auch diese Inszenierung schon auf der Abschussliste der Direktion. Schade!

Der Schlussapplaus dauerte knapp fünf Minuten. Das Haus war gut besucht. Es gab einen auffälligen „Cluster“ an leeren Plätzen auf der Galerie Halbseite Links. Auch im Parkett waren einzelne Plätze leer geblieben.