SALOME
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Wiener Staatsoper
10. Dezember 2015

Dirigent: Dennis Russell Davies

Herodes - Herwig Pecoraro
Herodias - Carole Wilson
Salome - Lise Lindstrom
Jochanaan - Tomasz Konieczny
Narraboth - Carlos Osuna
Page - Juliette Mars
1. Jude - Dietmar Kerschbaum
2. Jude - Peter Jelosits
3. Jude - Michael Roider
4. Jude -
Benedikt Kobel
5. Jude - Ryan Speedo Green
1. Nazarener - Alexandru Moisiuc
2. Nazarener - Mihail Dogotari
1. Soldat -
Dan Paul Dumitrescu
2. Soldat - Il Hong
Ein Kappadozier- Jens Musger
Ein Sklave - Daniel Lökös


Eine züchtig-unzüchtige Prinzessin
(Dominik Troger)


Zwei „Salome“-Vorstellungen tauchten die Wiener Staatsoper wieder ins schwülstige Licht kindfraulicher Erotik – oder auch nicht. Die Geschmäcker sind erstens verschieden und zweitens fängt für manche die Erotik schon dort an, wo andere kaum erst mit der Wimper zucken.

Die „Salome“ der US-amerikanischen Sängerin Lise Lindstrom hat sich bis auf den Schluss des wenig inspiriert wirkenden Schleiertanzes, als sie Herodes die nackte und trikotlose Tatsache ihres geöffneten Dekolletés zublitzen ließ, kaum auf eine erotische„Grenzüberschreitung“ eingelassen. Ihre Salome bot zwar viel jugendlichen Reiz, sie gab die Prinzessin aber mehr als sportliches College Girl aus gut bestalltem Hause, das den Aufstand probt. Diese Salome wirkte auf mich „angelernt“ und nicht bis zur Selbstaufgabe empfunden – und das wurde gleich bei ihrem Auftritt deutlich, als ihr die „Maulwurfsaugen“ so unverdächtig glatt über die Lippen kamen. Kommt es nicht nur hier buchstäblich auf jede Silbe an – und auf jede begleitende Geste? Diese Salome hielt es noch mit einer „biblischen Zucht“, die sie vor dem Exhibitionismus des europäischen Theaters bewahrte – und wahrscheinlich kann sie deshalb die Partie auch mit Erfolg in aller Welt singen.

Aber es ist kaum zu glauben, dass sich hier eine Sängerin dem Publikum präsentierte, die gleichwohl auch als Turandot, Elektra und Brünnhilde reüssiert, und die doch in der Tiefe und überraschender Weise auch in der Mittellage einen so schlanken, wenig tragenden Sopran ins Feld führte, der zugleich mit einer leichten metallischen Sprödigkeit vermengt war, die gerade bei der Salome im Verhältnis zur blumig ornamentierten Wild’schen Sprache ein Zuviel an Klangfarben vermissen ließ. Im oberen Register konnte die Stimme (unter der Beimengung eines kurzwelligen Vibratos, das sich auch in der Mittellage immer wieder einschlich) aufblühen und dann zu passend silbrigüberhauchten Spitzentönen finden. Der gesangliche Eindruck blieb also zwiespältig.

Tomasz Koniecznys Jochanaan bot vor allem einen wort- und stimmgewaltig zelebrierten Fanatismus. Er lieferte sich als wüster Prediger mit dem lautstarken Orchester unter Dennis Russell Davies ein Match, das beim mehrmaligen, mächtig in das Auditorium geschleuderten „Du bis verflucht“ seinen Höhepunkt erreichte. Mächtig auch das folgende kurze Zwischenspiel, das mit trockenem, gewaltanrührendem Klangbild das Haus beschallte, während der Prophet trotzig wieder in sein Verlies zurückmarschierte. Für die restliche Zeit des Abends klang der wieder einsitzende Jochanaan stimmlich angeschlagen und einer Indisposition bedrohlich nahe.

Herwig Pecoraros wortdeutlicher und gesanglich immer ein wenig an seinen Mime erinnernder Herodes stand diesmal unter der Fuchtel von Carole Wilson: eine körperlich und stimmlich robust gebaute Herodias, die auch mal nach dem Nudelwalker greifen könnte, wenn ihr Gatte Cäsars Weinkeller über den Durst geplündert hat. Keine Luxusbesetzungen: Carlos Osuna als Narraboth, Juliette Mars als Page sowie die reichlich vorhandenen Religionsgelehrten. Der Streit der Juden wurde vom Orchester oft zugedeckt, von einem Orchester, das zwar spannungsfördernd das grausige Bedrohungspotenzial der Geschichte an die Oberfläche hob, aber weniger seine impressionistisch überhauchte mit sündig-süßer Erotik angereicherte Dekadenz.

Das Publikum war zufrieden – und leistete entsprechend lautstarken Applaus.