ROSENKAVALIER
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Wiener Staatsoper
20. November 2014

Dirigent: Kirill Petrenko



Feldmarschallin - Soile Isokoski
Baron Ochs -
Peter Rose
Octavian -
Alice Coote
Faninal - Clemens Unterreiner
Sophie -
Chen Reiss
Leitmetzerin - Caroline Wenborne
Valzacchi -
Thomas Ebenstein
Annina -
Carole Wilson
Polizeikommissar - Alfred Sramek
Haushofmeister bei der
Feldmarschallin - Gerhard Reiterer
Haushofmeister bei
Faninal - Peter Jelosits
Notar - Alfred Sramek
Sänger- Benjamin Bruns
Eine adelige Witwe - Anna Maria Birnbauer
Drei adelige Waisen - Jung-Won Han
Maria Gusenleitner, Evelin Saul
Modistin -
Annika Gerhards
Tierhändler - Martin Müller
Wirt -
Herwig Pecoraro
V ier Lakaien: Dritan Luca, Burkhard Höft,
Konrad Huber, Jens Musger
Vier Kellner - Gerhard Reiterer, Martin Müller,
Karl Nebenführ, Florian Tomaschitz
Leopold - Michael Kuchar
Hausknecht - Ion Tibrea
Ein kleiner Mohr - Manami Ziervogel


Unter Strom
(Dominik Troger)

Kirill Petrenko, Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, leitet vier „Rosenkavalier“-Vorstellungen in Wien. Bereits der ersten Aufführung dieser Serie prägte er seinen Stempel auf.

Schon die ersten Takte des Vorspiels sprühten voller Energie, gleich einem Stromstoß, der – würde man über die Fähigkeit verfügen solche künstlerischen Energieausbrüche zu speichern – für ein Dutzend Repertoireabende gereicht hätte. Aber im Laufe der Aufführung fand Kirill Petrenko auch am walzersinnlichen Auskosten der Strauss’schen Musik gefallen. Während im ersten Aufzug die agile Gestik des Dirigenten noch ein wenig „übersteuernd“ wirkte, und die philosophischen Betrachtungen der Feldmarschallin etwas einengte, explodierte der Abend ab der Mitte des zweiten Aufzugs, angefacht vom „Aufpudeln“ der Herren Ochs und Faninal und im Anfeuern der echauffierten Ensembles.

Petrenko begann auf dem Podium gleichsam Walzer zu tanzen und alle Anspannung wich einem genussvollen Musizieren. Derart formte sich gemeinsam mit dem philharmonischen Staatsopernorchester dieser „Rosenkavalier“ zu einer komödiantischen und sehr wienerischen „Farce“, die in einen hinreißend gespielten dritten Aufzug mündete. Und dieser dritte Aufzug fand schließlich im weitgespannten Auf- und Abschwingen der lustvoll und mit gehaltvollem Klang aufspielenden Streicher zur erhofften Richard Strauss’schen „Apotheose“, der mit den akzentuiert modellierten „Trippelschrittchen“ des kleinen Mohren noch ein köstlich-burleskes Lächeln „aufgesetzt“ wurde.

Die Feldmarschallin hat Soile Isokoski wieder mit großer Gefühlstiefe ausgestattet. Bereits am stürmischen Beginn wurde ihr Rollenporträt von einer wehmütigen Melancholie überschattet. Isokoskis Sopran trägt diese leicht herbe, zu Herzen gehende Melancholie schon im Timbre mit sich – und das verlieh ihrer Feldmarschallin Würde und Ernst.

Alice Coote gab als Oktavian ihr Hausdebüt. Die Sängerin zeigte viel Komik-Potenzial als Mariandl und überzeugte als stämmiger, den Ochs herausfordernder Jungspund im zweiten Akt. Die Liebeszene im ersten Akt mit der Feldmarschallin war nicht so prickelnd, später – etwa beim Überreichen der Silbernen Rose – half dann das Kostüm einigermaßen. Coote war sehr spielfreudig und die Szenen mit Baron Ochs gelangen amüsant. Die Interaktion im Extrazimmer war so heftig, dass sich beim Suppenessen ein Leberknödel selbstständig machte, und der Baron aufsprang, um das über die Bühne kollernde Lebensmittel wieder einzufangen. Eine Gefahr, dass die Suppeneinlage in den Orchestergraben gerollt wäre, bestand aber nicht. Coote ließ eine gute Aussprache hören, auch bei der Dialektfärbung des Mariandl. Ihr Mezzo blieb aber in der Strahlkraft zu begrenzt, um die Strauss‘schen Verklärungsmomente richtig auskosten zu können.

Ähnlich erging es mit Chen Reiss, die am Beginn der Vorstellung als leicht indisponiert angesagt wurde, den Abend aber gut über die Runden brachte. Ihr Spiel wirkte allerdings etwas fragil, ihr Sopran klang stellenweise etwas zart – und Sophie war diesmal von Schutzbedürftigkeit geprägt, was aber gut zur reschen Alice Coote passte.

Peter Rose hat den Ochs schon öfters in Wien gesungen und immer einen sehr guten Eindruck hinerlassen. Er übertreibt es nicht mit dem Dialekt, bleibt standesbewusst und doch ein ziemliches „Ego“ und mimt die Rolle mit viel Humor. Seine Tanzeinlage im zweiten Aufzug mit großen Walzerschritten zeichnete treffend die Überheblichkeit dieser Bühnenfigur und brachte das Publikum zum Lachen. Er ließ ebenfalls eine sehr gute Aussprache hören, wenn sich auch einige „Germanismen“ einschlichen. In der untersten Tiefe fehlte es der Stimme ein wenig an Volumen, aber insgesamt handelte es sich um eine erstklassige Darbietung.

Das reichhaltige Personal dieser „Komödie“ bietet für viele Kräfte des Ensembles die Möglichkeit, einmal so richtig „aus dem Vollen zu schöpfen“: Clemens Unterreiner sang einen sich mächtig aufplusternden Faninal, Benjanmin Bruns debütierte in der Partie des Sängers und machte witzig und gesanglich überzeugend aus der kurzen Szene die Hauptrolle in einer italienischen „Fünf-Minuten-Oper“; Thomas Ebenstein sang einen etwas überdrehten, stimmlich präsenten Valzacchi, mit dem die Annina der Carole Wilson nicht ganz mithalten konnte. Alfred Sramek würzte seine Kurzauftritte als Notar und Polizeikommissar mit humorvoller Gelassenheit, und Herwig Pecoraro hat laut Onlinearchive der Staatsoper an diesem Abend seinen vierzigsten Wirten gesungen. Gerade bei den kleinen Partien ist der Spielwitz fast immer gut aufgehoben, dem diese Inszenierung von Otto Schenk – in ihrer laut Programmzettel 358., laut Online-Archiv 359. Aufführung – einen hervorragenden Rahmen bot.

Als ich die Oper betrat und an der Sitzplatzkasse vorüberging, fiel mir ein Herr auf, der das „Ausverkauft“-Schild fotografierte – es war der Direktor des Hauses höchstpersönlich. (Dass einige Sitzplätze trotzdem leer geblieben sind, hatte vielleicht mit der für einen Werktag doch eher frühen Beginnzeit von 18.00 Uhr zu tun.) Der Stehplatz – auf den sich das Schild natürlich nicht bezogen hat – hätte hingegen noch viele Besucher vertragen.

Petrenko erhielt schon am Beginn des zweiten und dritten Aufzugs Bravorufe und wurde ebenso wie die Sängerinnen und Sänger der Hauptpartien mit viel Beifall bedacht, der knapp zehn Minuten lang anhielt.