ROSENKAVALIER
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Wiener Staatsoper
8.12.2011

Dirigent: Peter Schneider



Feldmarschallin - Anja Harteros*
Baron Ochs -
Kurt Rydl
Octavian -
Michaela Selinger
Faninal -
Franz Grundheber
Sophie -
Chen Reiss
Leitmetzerin -
Caroline Wenborne*
Valzacchi -
Benedikt Kobel
Annina -
Zoryana Kushpler*
Polizeikommissar - Walter Fink
Haushofmeister bei der
Feldmarschallin -
Roland Winkler
Haushofmeister bei
Faninal - Peter Jelosits
Notar - Marcus Pelz
Sänger- Norbert Ernst*
Eine adelige Witwe - Maria Bierbaumer
Drei adelige Waisen - Jung-Won Han
Hannelore Auer, Evelin Saul
Modistin -
Jeanine De Bique*
Tierhändler - Martin Müller
Wirt -
Herwig Pecoraro
V ier Lakaien: Jacek Krzyskowski, Franz Gruber,
Hiro Ijichi, Oleg Savran
Vier Kellner - ZWolfram Igor Derntl, Martin Müller,
Karl Nebenführ, Hacik Bayvertian
Leopold - Florian Tomaschitz
Hausknecht - Csaba Markovits
Ein kleiner Mohr - Felix Hadinger

* Rollendebüts an der Staatsoper


Kein Schnee vom vergangenen Jahr
(Dominik Troger)

In der 343. Aufführung dieser Otto Schenk’schen-„Rosenkavalier“-Inszenierung gab Anja Harteros ihr Hausdebüt als Feldmarschallin. Ein Debüt, das der künstlerisch bedeutenden und langen Vergangenheit dieser Produktion würdig war.

Am Beginn der Vorstellung trat Direktor Dominique Meyer vor den Vorhang und widmete den Abend im Namen der Künstler und des Hauses der jüngst verstorbenen Kammersängerin Sena Jurinac, Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper. Sena Jurinac hat selbst die Marschallin in dieser Produktion gesungen. Mit dieser Partie feierte sie am 20. November 1982 ihren Abschied von der Bühne. Unter der Leitung von Horst Stein sangen damals Kurt Moll den Ochs, Agnes Baltsa den Octavian und Patricia Wise die Sophie.

Es überrascht vielleicht nicht, dass der Schreiber dieser Zeilen diese Vorstellung besucht hat. Er war damals, vor ziemlich genau 29 Jahren, allerdings mehr ein manischer „Operngeher“ als ein ausgewiesener „Rosenkavalier“-Fan. Aber im Laufe der Jahre ist auch er empfänglicher geworden für den seltsam unerbittlichen Reiz dieses „sonderbaren Dings“, das da „Zeit“ genannt wird, und das laut Feldmarschallin in den Gesichtern rieselt. Hofmannsthal hat das gut auf den Punkt gebracht, wenn auch ein bisschen (zu) sentimental und (zu) restaurativ.

Man könnte nun – geschlossen aus der eigenen Biographie – mit Fug und Recht behaupten, dass die Sängerin Anja Harteros für diese Partie noch zu jung sei (und das ist jetzt nicht als „tröstendes Kompliment“ gemeint, sondern als Tatsache). Andererseits weiß man, dass die Feldmarschallin gar nicht körperlich „alt“, sondern nur „verheiratet“ ist. Die Erkenntnis, die ihr im Laufe der Handlung zuwächst, ist ohnehin an kein Alter gebunden, setzt aber eine gewisse Reife an Erfahrung und Beobachtungsgabe voraus. Es ist der Moment, in dem man das eigene Leben als Lebensgeschichte zu begreifen beginnt, als einen Prozess des Älterwerdens und Vergehens.

Die Feldmarschallin der Anja Harteros befand sich in dem glücklichen Zustand, die mit dieser Erkenntnis heranschleichende Bedrohung noch durch zart-kokettierende Selbstironie „umgehen“ zu können. In der Blüte ihrer Jahre (und ihrer Stimme) stehend spielt diese Frau mit dem Gedanken, einmal alt zu werden – und ist sich dabei doch bewusst, noch nicht (so) alt zu sein. Dass sie dann weitreichendere Konsequenzen zieht – zumindest für ihr Verhältnis mit Octavian – zeugt von einer tieferen Einsicht in zwischenmenschliche Belange und von einer, wahrscheinlich religiös motivierten Demut.

Harteros verlieh der Feldmarschallin Selbstbewusstsein und Sinnlichkeit. Sie agierte mit nobler Zurückhaltung in der Gestik, fand zu humorvollen Nuancen und Momenten voll von mädchenhaftem Charme, den dann im Schlussbild ein Hauch von Resignation überlagerte. Die Sängerin färbte mit ihrem, an diesem Abend kammerspielartig eloquent geführten Sopran Hofmannsthals Text mit feinen emotionalen Schattierungen und wahrte jene schwebende Leichtigkeit, die letztlich die verzaubernde Wirkung dieses Werkes ausmacht. Im Finale wars vielleicht ein Spur zu zurückhaltend gesungen – oder es war das unter Peter Schneider üppig aufspielende Orchester, das zwar sehr gemütvoll, aber etwas stimmdeckend agierte.

Diesem eher deckenden Klangbild musste Michaela Selinger deutlicher Tribut zollen, außerdem verlor bei den emotionalen Ausbrüchen und in der Höhe ihr Mezzo an stimmlicher Ausgewogenheit. Als Bühnenerscheinung passte ihr die Rolle nahtlos, burschikos und stürmisch forschte sie nach dem Gemüt des siebzehnjährigen „Buben“, forderte sie als „Stubenmadel“ den Eros des Ochs auf Lerchenau heraus.

Der Sänger des Ochs, Kurt Rydl, ist ein Phänomen für sich. In der aktuellen Ausgabe der Publikumszeitschrift der Wiener Staatsoper findet man (nicht zum ersten Mal) eine Aufstellung seiner in Wien verkörperten Partien. Diese Liste ist sehr lange. Wenn ich die Statistik richtig interpretiere, dann sang er in dieser Vorstellung seinen 49. Wiener Ochs. Rydl beließ der Figur eine menschliche Qualität, die sie nicht zum völligen „Ungustl“ herabwürdigt, aber in jugendlichen Jahren hat er die Partie wohl ein wenig „raumgreifender“ gesungen. Rydl war an diesem Abend gut bei Stimme, auch mit der geforderten Tiefe. Der Abend war zugleich sein 35. jähriges Bühnenjubiläum an der Staatsoper. Der Sänger hat am 8. Dezember 1976 im Haus am Ring debütiert. (Nein, in dieser Vorstellung war der Schreiber dieser Zeilen nicht.)

Die Sophie der Chen Reiss bewährte sich mit Lebhaftigkeit im zweiten Aufzug, und blieb im dritten etwas blass. Die Sängerin ließ einen hübschen Sopran hören, in der Höhe etwas schmal und dadurch nur bedingt der Sinnlichkeit Strauss’scher Melodien nachspürend.

Franz Grundheber sang einen „gestandenen“ Faninal – ein Mann mit festem Charakter, ohne karikaturhaften Zug ins Komische. Der italienische Tenor von Norbert Ernst (Rollendebüt) wirkte im Vortrag nicht sehr südländisch und klang angestrengt. Ein szene-belebendes Intrigantenpaar gaben Zoryana Kuspler als Annina und Valzacchi, Benedikt Kobel. Sehr markant hevorstechend: der Wirt von Herwig Pecoraro.

Das Orchester spielte mit wienerischem Charme und jener wohligen Streicher-Süffigkeit, die es gerade bei Werken von Richard Strauss so einzigartig macht. Dass der Schluss des ersten Aufzugs vom Publikum zerklatscht wurde, verdient negativ angemerkt zu werden. Es wurde zwar kurz gezischt und der bereits begonnene Applaus stockte für einen Augenblick, aber die Stimmung war dahin. Anja Harteros erhielt schon nach dem ersten Aufzug sehr starken Beifall, der Schlussapplaus dauerte rund zehn Minuten lang.