INTERMEZZO
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Theater an der Wien
11.12.2008
Premiere

Musikalische Leitung: Kirill Petrenko
Szenische Realisation: Axel Weidauer & Thomas Wilhelm
basierend auf einem Regiekonzept von Christof Loy
Bühne: Henrik Ahr
Kostüme: Judith Weihrauch
Licht: Stefan Bolliger
Choreografische Mitarbeit, Regieassistenz: Thomas Wilhelm

Radio-Symphonieorchester Wien

Robert Storch - Bo Skovhus
Christine - Carola Glaser
Baron Lummer - Oliver Ringelhahn
Anna - Gabriela Bone
Kapellmeister Stroh - Andreas Conrad
Kommerzienrat - Wolfgang Newerla
Justizrat - Klemens Sander
Kammersänger - James Creswell
Notar - Lauri Vasar
Notarin - Ulla Pilz
Resi - Anne-Kathrin Frank
Franz - Martin Mairinger
Fanny (Köchin) - Barbara Spitz
Therese - Andrea M. Dewell
Marie - Doris Hindinger


Strindberg statt Strauss

(Dominik Troger)

Mutig hat man im Theater an der Wien „Intermezzo“ von Richard Strauss auf den Spielplan gesetzt. Die „bürgerliche Komödie mit sinfonischen Zwischenspielen“ gilt als Rarität und ist nur selten auf Opernbühnen zu finden. Der Premiereneindruck: musikalisch sehr gelungen, szenisch schwach.

„Intermezzo“ beleuchtet das Eheleben von Richard Strauss alias Hofkomponist Robert Storch und lockte zur Uraufführung 1924 mit seiner Schlüssellochperspektive viel Publikum in die Opernhäuser. Gute 80 Jahre später hat diese biographische Verknüpfung viel von ihrem Reiz verloren – zurück bleibt eine Ehekrise, die durch das hysterische Gebaren der Gemahlin Storch angeblich in eine Katastrophe zu kippen droht.

Allerdings – und das ist ein wichtiger Punkt: Es ist immer klar, schon in dem langen Gezanke zwischen Storch und Storch am Beginn, dass Strauss keinen Strindberg sucht, sondern seine Opernbagatelle nur in eine walzerleichte, schwerelose Drehung versetzen möchte, in ein übertreibendes, in Ironie getauchtes Spiel, bei dem die Kontrahenten ein wenig ins Stolpern kommen und sich auf die Füße steigen. Herr Storch wäre nicht das, was er ist, ohne die emphatische Energetik seiner Frau, und sie wäre nicht Frau Storch, die ihren Mann bemutternde Behüterin eines Genies. Die Krise ist nur eine angebliche, sie dient dem gemeinsamen Zusammenhalt im Eheleben und der eigenen Ich-Befriedigung.

In dieser Produktion wird daraus ein schwerblütiges Drama konstruiert, gar der Sittenverfall im Hause des Hofkapellmeisters anhand von inszenierten Zwischenspielen vom Storch‘schen Hauspersonal und den übrigen Mitwirkenden üppig-absurd ausgebreitet. Da kann der Sohn (in dieser Aufführung viel zu alt dargestellt) sogar transvestitische Anwandlungen bekommen, das Hauspersonal koksen oder mit einer Ratte spielen. Ja, Christine selbst, als „Mausi L.“ zu einem medial präsenten Mittelpunkt der aktuellen Wiener Seitenblicke-Gesellschaft gestylt, wird zu einem depressiven Burn-out-Fall, den der Gemahl nach überstandener Krise noch psychologisch geschickt zu einer huldreichen Entschuldigung nötigt.

Schon das räumliche Ambiente, eine bühnenhohe und breite, nach rechts hinten verschiebbare Holzwand, zerstörte in seiner Abstraktion die stimmungsvolle regionale und historische Verknüpftheit der handelnden Personen mit Grundlsee und Wien. Denn dieser lokale und historische Hintergrund hätte einiges erklärt - und hätte zum Beispiel auch die Skatpartie am Beginn des zweiten Aufzugs, bei der in dieser Inszenierung die Spieler nebeneinander (!) sitzen und mit den Karten nur so um sich schmeißen, zu einer amüsanten, mentalitätserhellenden Studie geformt. Aber kann man ortsfremden Regisseuren vorwerfen, dass sie von der nuancierten Psychologie des süddeutsch-katholischen Sprachraums keine Ahnung haben? (P.S.: Man sollte sie für solch spezifischen Stücke aber auch nicht engagieren.)

Zum Glück hat die musikalische Darbietung viel aufgewogen – um ihretwillen sei auch der Besuch der Aufführung empfohlen. Sicher, der Abend ist für die gebotene Substanz deutlich zu lange (drei Stunden mit Pause), aber man nimmt trotzdem viel schöne Musik mit nach Hause.

Kirill Petrenko am Pult gestaltete den Abend, hielt das RSO Wien zu nuanciertem Spiel an, formte den begleitenden Parlandoton und tauchte in den Zwischenspielen und am Schluss voll in die Strauss’sche Melodie. Dass er dabei manchmal fast schon zu viel Dramatik entwickelte, mag mit der Szene abgestimmt worden sein. Letztlich – und das hat auch mit dem RSO Wien zu tun – kann man sich alles luftiger und zugleich schmelzender gespielt vorstellen, überpinselt mit romantischer Ironie.

Carola Glaser, während der Proben für Soile Isokoski eingesprungen, brachte die lange und von gesprochener Sprache bis zum straussariosen Schluss gespannte Partie eindrucksvoll zur Geltung. Ihr Sopran wirkte etwas leicht, war im Theater an der Wien deshalb bestens aufgehoben. Am Schluss, wenn Strauss dann noch einmal „dick“ aufträgt, fehlten der Stimme ein wenig die satteren Farben und das kraftvolle „Los-lassen-können“.

Bo Skovhus liegt die Partie des Hofkapellmeisters stimmlich bestens. Er gestaltete sie mit schöner, im dramatischen Moment steigerungsfähiger Stimme. Regiebedingt vermittelte er mit Kurzhaarfrisur und seinem Auftreten nicht gerade das gemütliche, von der Frau Gemahlin „verzogene“ Künstlergenie.

Oliver Ringelhahn sang rollendeckend einen schmierigen und etwas dümmlichen Baron Lummer, der darauf aus ist, von ihren Männern enttäuschten Ehefrauen, das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Das restliche Ensemble hatte teilweise nur kurze Passagen zu singen, nicht alle schienen hier auf dem gleichen Niveau. Andreas Conrad, Kapellmeister Stroh und Auslöser der ganzen Verwechslungsgeschichte, muss seinen Abbittgang zum Hofkapellmeister in Unterwäsche antreten (auch so ein platter Inszenierungsgag).

Am Schluss gab es viel Applaus und Bravo für den Dirigenten und für Glaser und Skovhus. Das Regieteam wurde sowohl Bravorufen als auch ebenso deutlich hörbaren Buhrufen bedacht. Da hat es nichts genützt, dass Direktor Geyer am Beginn der Vorstellung die Nöte der Produktion in den letzten 14 Tagen geschildert hat, die neben dem Ausfall der Sopranistin in der Abreise des Regisseurs Christof Loy kulminierten. Im Programmheft heißt es dazu, eine krankheitsbedingte mehrfache Umbesetzung habe dazu geführt (diese Formulierung verschweigt wohl mehr, als sie enthüllt). Axel Weidauer und Thomas Wilhelm führten die Arbeit zu Ende.