DIE FRAU OHNE SCHATTEN
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Wiener Staatsoper Aufführung "In Memoriam Erwin Ringel
1921-1994" |
Der
Kaiser - Johan Botha Die Kaiserin - Deborah Voigt Die Amme - Marjana Lipovsek Barak, der Färber - Falk Strukmann Sein Weib - Gabriele Schnaut Geisterbote - Wolfgang Bankl Der Einäugige - Geert Smits Der Einarmige - Peter Köves Der Bucklige - Herwig Pecoraro |
Diese Produktion zählt
sicher zu den interessantesten der letzten Jahre. Die Entmythisierung
der "Frau ohne Schatten" hat dem Werk aber leider auch viel
Substanz gekostet. Doch kann man den einseitigen
Blick auf ihren psychotherapeutischen Gehalt nicht unbedingt als Themaverfehlung
werten. 100 Jahre "Traumdeutung" fordern zu solche "Stellungnahmen"
nur zu deutlich heraus. Insoferne ist die Operation gelungen. Die eklatanten
Schwächen der Inszenierung vor allem am Schluss zeigen jedoch,
dass auch die Psychoanalyse dort an ihre Grenzen stößt, wo
die Transzendenz beginnt. Aber das ist bekanntlich nichts Neues. Erste Erfahrung: Ein Geisterbote der Sigmund
Freud aehnlich sieht. Die Amme ist vielleicht die Anna Freud? Jedenfalls
scheint sie die Kaiserin zu therapieren. Schleppt die ganze Zeit eine
Mappe mit der kaiserlichen Krankengeschichte herum. Blättert darin. Die
Kaiserin hat ueberhaupt Wahnvorstellungen und einen Vaterkomplex. Eine
überdimensional große Videoeinspielung verdeutlicht im zweiten Aufzug
das psychische Problem der Kaiserin. Etwas ist mit ihrem Vater, der krank
im Bett liegt, ein Wasserglas fällt herunter. Er stirbt, sie hat das Gefühl,
an seinem Tod schuld zu sein. Oder handelt es sich um einen verdrängten
sexuellen Übergriff? Es dauert jedenfalls drei Stunden bis der Kaiserin
geholfen wird. Wenn endlich das "Wasser des Lebens" vom Nachtkasterl
rieselt, wird das Vaterproblem geloest. Unvermutet kommt der Kaiser bei
der Tür herein. Ihr Mann, der drei Tage weg war, irgendwo, nur nicht auf
der Jagd. Ins gutbürgerliche Zimmer kehrt wieder eitle Wonne ein. Läppisches
Liebesgeflüster. Die psychotische Krise der Kaiserin ist vorüber. Faerber
und die Faerberin werden in das psychotische Krankheitsbild eingeschlossen.
Die Inszenierung deutet eine Verschmelzung von Kaiserin und Färberin an,
als ein Art von abgespaltenem Ich. Das Zimmer der Kaiserin öffnet sich
im ersten Akt zu einem Spiegelbild, das ist die Behausung der Färber,
die "Menschenwelt". Aber was macht der Barak dabei? Repräsentiert er die
unausgelebten sexuelle Wünsche der Kaiserin? Im Pausenfoyer wurde viel
analysiert. Es war wie Rätselraten. Die Färberszenen und der Schluss offenbarten
aber auch die Inhomogenität dieses Regiekonzeptes. Wohin wirklich
mit dem Barak? Und wenn der Kaiser und Kaiserin sich wiedergefunden haben,
was tun mit dem "weltenversöhnenden" Schluss"? Warum
lässt Carsen da auf einmal eine ganze Komparserie "Ungeborener"
aufmarschieren, die mit ihrem hilflos scheinenden Geschmuse die ganze
Radikalität einer therapierten Frau ohne Schatten untergraben? |
"Szenische Attacke auf die Frau ohne Schatten an der Wiener Staatsoper. Viel Lärm auf der Diät-Station" titelte im Standard (13.12.1999) Peter Vujica. Vujica hat zwar grundsätzliche Bedenken, was das Libretto betrifft "schwulstreich formulierte szenische Allerweltsfabel" und "Second-Hand-Beauty", aber er stellt auch fest, dass "die aktuelle Szenographie mit nichts weniger anzufangen weiß als mit Schönheit - aus welchen Händen auch immer". Sinopoli verwechselt für ihn "Intensität mit Lautstärke". Viel Lob für die Sänger mit Abstrichen bei Falk Strukmann und Marjana Lipovsek. Und: "Das Schlussbild gleicht einer Stellprobe." Besonders interessant, dass gerade Michael
Krassnitzer in der katholischen Wochenzeitschrift "Die Franz Endler im Kurier meinte "Mit Professor Freud geht es auch nicht". Und er empfiehlt bei der Aufführung die Augen fest geschlossen zu halten. In der Presse vom 13.12.99 konstatiert Wilhem Sinkovicz: "Manche Regisseure sind dem Geheimnis der Kunst gegenüber mindestens so hilflos wie die Jünger Sigmund Freuds gegenüber der Seele des Menschen." Auch für ihn ist die Inszenierung ein Desaster. "Wie im Vorjahr bei "Palestrina" hat man damit ein tiefgründiges Meisterwerk jeglicher metaphysischer Qualität beraubt und damit den Zuschauern die Möglichkeit genommen, sich mit dem Gehalt des Stücks auseinanderzusetzen." Auch Guiseppe Sinopoli hatte für Ihn Mühe, die "tönenden Mysterien" des Werks zur Entfaltung zu bringen: "Erst beim großen Cellosolo im Mittelakt war zu hören, wie das sein könnte, wenn ein Dirigent es verstünde, die Philharmoniker zu freiem, ungehindertem Spiel zu führen, Kantilenen über die Taktstriche hinweg zur Entfaltung zu bringen." Hingegen viel Lob für die sängerischen Leistungen. "Konnte das Solistenensemble die
Erwartungen des verwöhnten Wiener Publikums erfüllen? Natürlich ist die
Kaiserin von Deborah Voigt von erlesener Qualität, mühelos meistert die
Künstlerin die Koloraturen des Anfanges, ihre Falkenrufe sind von depressivem
Pathos umflort, ekstatisch ihre Traumszene und perfekt die schwierigen
Intervallsprünge der Tempelszene, ... Positiv ihre absolute Identifikation
mit dem Regiekonzept, in dem sich auch eine singende Tragödin wie Gabriele
Schnaut (Färberin) sichtbar wohl fühlte. ... Eine dämonische Amme war
in diesem Regiekonzept nicht gewünscht, was der wenig durchschlagskräftigen
und zudem mit intonationsunsicheren Höhen ausgestatteten Marjana Lipovsek
durchaus entgegen kam. ... Falk Struckmann bewies, dass man den Barak
mit einem Heldenbariton besetzen, sofern dieser etwas auf Linie singen
kann und nicht nur auf das Volumen seiner Stimme vertraut. .... Ja und
einen Kaiser wie Johan Botha, der sowohl heldentenorale Attacke in schwierigster
Tessitura und endlose Phrasierungsbögen spinnen kann, hat es seit Jahren
nicht mehr auf der Opernbühne gegeben." Karlheinz Roschitz in der Kronen Zeitung (13.12.99): "Mit seiner Staatsopernregie der "Frau ohne Schatten" erlitt Robert Carsen eine Bruchlandung, die diese Art mutwillig durchgeboxter Ideen bloßstellt." Die orchestrale Deutung durch Giuseppe Sinopoli lässt Roschitz aber gelten und spricht von einem makellos aufblühenden und magisch leuchtenden Philharmonikerklang. In der Kronen Zeitung wird anläßlich der Premierenfeier auch ein Auspruch des Staatsoperndirektors Ioan Holender überliefert: "Ich weiß, dass ich jetzt nicht alle glücklich gemacht habe - mich habe ich aber sehr glücklich gemacht!" "Und sind damit beim grundlegenden Problem: Diese Inszenierung kennt überhaupt kein Geheimnis. Sie ist sozusagen eineindeutig. Und damit nach nur wenigen Minuten schon durchschaubar. Alles ist gesetzt, keine Situation wird erspielt." Meinte Karl Harb in den Salzburger Nachrichten. Bezüglich Sinopolis muskalischer Interpretation notiert er:: "Man hört, fasziniert und immer faszinierend, einen exzellenten Klang-Befund. Das operntheatralisch Packende muss man sich eher denken." |