ELEKTRA
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Wiener Staatsoper
23.4.2007

Dirigent: Peter Schneider

Klytämnestra - Agnes Baltsa
Elektra - Deborah Polaski
Chrysothemis - Melanie Diener
Aegisth - Michael Roider
Orest - Egils Silins
Pfleger des Orest - Goran Simic
Vertraute - Waltraud Winsauer
Schleppenträgerin
- Nadia Krasteva
Junger Diener
- Benedikt Kobel
Alter Diener
- Johannes Wiedecke
Aufseherin - Margareta Hintermeier
Mägde - Zoryana Kushpler, Juliette Mars, Michaela Selinger, Asa Elmgren, Caroline Wenborne

Routiniert geführte Gruppenreise
(Dominik Troger)

„Elektra“ an der Staatsoper: ein routiniert geführter Ausflug ins düstere Mykene – mehr „gemütlich“ als orgiastisch – bei dem das Rollendebüt von Agnes Baltsa als Klytämnestra besondere Aufmerksamkeit verdiente.

„Zerfressen von den Motten“ ist Agnes Baltsa keineswegs – auch ihre Stimme nicht – und wenn sie die archaisch-argeische Königin unter die Fittiche ihrer starken Bühnenpersönlichkeit nimmt, dann wird eine Herrscherin daraus, die noch ein frischer Hauch früherer Jugendlichkeit umhüllt. Mögen sie auch schlechte Träumen quälen, ihre Körperlichkeit ist noch nicht abgestorben, ihr seelischer Verwesungsprozess noch nicht so weit fortgeschritten, dass man meint, sie müsse ohnehin wie eine abgefaulte Frucht vom Baume fallen. In der Baltsa'schen Variante ist die Verlockung des Eros noch greifbar: eine aparte Mischung aus sexueller Ruchbarkeit und Königinnen-Stolz, die Klytämnestra in eine begehrenswerte Frau verwandeln – trotz der Racheängste und Schuldgefühle, die nach und nach ihre Psyche unterminieren. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist Baltsas Akzent, der manche Betonungen so stark verschiebt, dass die Hofmannsthal'sche Wortmelodie stark ins Schleudern kommt. Gesanglich gestaltet sie die Partie beeindruckend, und ihr Timbre würdigt ihre Rolleninterpretation mit verfestigtem, ausgereiftem Glanz.

Deborah Polaski bringt ihre starke Emotionalität mit ein, ihre Rachegelüste brechen sich an dem unstillbaren Schmerz um den Verlust des Vaters – im Auftrittsmonolog von verzweifelter Trauer geplagt. Polaski ist auch als Elektra keine Heroine, sondern zeichnet in ergreifender Weise ein menschliches Schicksal, das ein Publikum in tiefer Betroffenheit zurücklässt. Die Faszination des zerstörerischen Mythos, seine alles Lebendige verachtende Brutalität, wird von ihren kurzgesetzten, nicht gerade souveränen Spitzentönen weniger eingefordert. Bei ihr siegt moderne Psychologie über dem schicksalshaften Prozess dumpfbrütender Archaik, die mit ihrem metallischhallenden Racherausch alles niederwalzt.

Melanie Diener gab eine Chrysothemis, die zwischen Verletzbarkeit und Handlungsunfähigkeit eingespannt, sich nach der Ruhe eines häuslichen Lebens sehnt – und trotzdem zu starken Gefühlsausbrüchen gezwungen wird. Da fand ich dann auch ihre Stimme ein wenig überspannt, wenn es darum ging, sich in die impulsive Dramatik der Elektra-Partitur hineinzusteigern. Im ruhigeren Fluss der Musik ruhte ihr Gesang angenehm in der Strauss'schen Melodie.

Egil Silins sang einen ordentlichen Orest, das leicht gerauhte Timbre passte gut zum blutigen Handwerk, dass er üben muss. Aegisth rutscht schnell ins karikaturgemäße ab, die Darstellung von Michael Roider schien mir nicht ganz frei davon.

Peter Schneider betonte mehr den kantablen späteren Strauss, mit einer gewissen Trägheit und Lust am breitwandigeren Ausmusizieren der Melodiebögen. Das versah die Aufführung mit einer sinnliche Note, ohne der barbarischen Schärfe nachzuspüren, die Elektra-Aufführungen mit enervierender Spannung aufzuheizen vermag. Es war eigentlich eine recht „gemütliche“ Reise ins alte Mykene, mit etwas holprigem Beginn und dann gestützt von jener Routine, gegen die man im täglichen Betrieb schwer Einwände wird vorbringen können.

Deborah Polaski erhielt den meisten Beifall, gefolgt von Diener und Baltsa. Der Applaus kam mir insgesamt etwas schaumgebremst vor, erreichte bei Polaski schon eine ordentliche „Bravo-Stärke“, war aber vom Euphorielevel ein gutes Stück entfernt.