ELEKTRA
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Wiener Staatsoper
14. Dezember 2023

Musikalische Leitung: Alexander Soddy


Klytämnestra - Michaela Schuster
Elektra -
Aušrinè Stundytè
Chrysothemis - Camilla Nylund
Aegisth - Thomas Ebenstein
Orest - Güntherb Groissböck
Der Pfleger des Orest - Wolfgang Bankl
Die Vertraute -
Daria Kolisan
Die Schleppträgerin - Alma Neuhaus
Ein junger Diener -
Lukas Schmidt
Ein alter Diener - Marcus Pelz
Die Aufseherin - Stephanie Houtzeel
Fünf Mägde: Stephanie Maitland,
Juliette Mars, Daria Sushkova, Regine Hangler, Aurora Martens
Sechs Dienerinnen:
Marie Isabel Segarra, Secil Ilker, Kaya Maria Last, Dymfna Meijts, Zsuzsanna Szabo und Sabine Kogler


„Elektra mit Leerstelle

(Dominik Troger)

Eine Aufführung der „Elektra“ hat noch selten vorweihnachtliche Gefühle geweckt. Sie bietet vielmehr ein gruseliges Kontrastprogramm zu Punschständen und Weihnachtsmarktkitsch, über die man zu dieser Jahreszeit in der Wiener Innenstadt an jeder Ecke stolpert. Insofern war es eine willkommene Abwechslung, um den Trägern von rotblinkenden Santa Claus-Mützen zu entgehen – in der Staatsoper wurden zumindest keine gesichtet.

Die Wiederaufnahme der alten Inszenierung von Harry Kupfer ist bis dato einer der raren szenischen Glücksgriffe unter der Direktion von Bogdan Rošċiċ gewesen. Aber wenn die Sängerin der Titelpartie den Eindruck hinterlässt, als wäre sie nicht im Vollbesitz ihrer stimmlichen Kräfte, dann hilft das auch nichts. Ursprünglich hätte Christine Goerke nach ihrem Wiener Elektra-Einstand vor gut drei Jahren wieder die Partie verkörpern sollen, dann wurde Aušrinè Stundytè für die Aufführungsserie als Umbesetzung genannt. Stundytè musste aber selbst die erste Vorstellung am letzten Samstag absagen und sich von Ricarda Merbeth vertreten lassen. In der zweiten Aufführung ist nun Stundytè selbst zu Gesang gekommen – aber vielleicht hätte sie sich am Beginn der Vorstellung ansagen lassen sollen.

Sie begann vorsichtig, doch der Eindruck einer nur mit Mühe am gesanglichen Leben erhaltenen Titelpartie besserte sich im Laufe des Abends kaum: Mittellage leise, Tiefe kaum vorhanden, Spitzentöne dünn und forciert, die Stimme insgesamt unstet und fahl. Anlässlich ihres Wiener Rollendebüts vor zwei Jahren notierte ich, ihre Elektra sei „eine Gratwanderung auf Kosten stimmlicher Solidität“ – und damals ist die Sängerin besser in Form gewesen, als an diesem Abend. Somit fehlte der Aufführung trotz Stundytès starkem darstellerischem Einsatz ein wesentlicher Kristallisationspunkt und die zwischen den einzelnen „Familienmitgliedern“ flutenden aufwühlenden Energien summierten sich nur phasenweise zu jenem dichten „Elektra“-Erlebnis, dass man sich erhofft hatte.

Den homogensten Eindruck hinterließ an diesem Abend Camilla Nylund: Schon das erste Zwiegespräch mit Elektra wurde von ihr (und dem Orchester) zu einem emotionalen Höhepunkt getragen. Der naive Wunsch von Chrysothemis nach Familienglück wird außerdem durch die helle Stimme Nylunds positiv unterstrichen und die Sängerin hatte auch für das Finale genug Reserven. Michaela Schusters Klytämestra lebte überzeugend ihre Ängste aus, um dabei zwischen Hinterlist und letzten Resten mütterlicher Fürsorge zu schwanken. Insgesamt ein gelungenes Rollenportät, wenn auch gesanglich schon stark ins „Deklamatorische“ verschoben.

Günther Groissböck gibt mit dieser Aufführungsserie seiner Wiener Debüt als Orest: Er lieh der Figur eine sportliche Kämpferstatur, gesanglich mehr grimmig als schwelgerisch unterwegs, ein geradliniger Mensch der Tat, noch unangefochten von der Erinnyen-Rache. Mit Wolfgang Bankl stand ihm ein hilfreicher Pfleger zur Seite, Bankl kann sogar kleinsten Rollen zu starker Bühnenpräsenz verhelfen. Der Aegisth verschob sich durch Thomas Ebensteins gestrengem Charaktertenor in die Richtung einer etwas trockenhumorigen Karikatur. Aus den soliden Mägden stach noch Regina Hangler als vierte hervor. Lukas Schmidt gab einen markanten jungen Diener.

Das Staatsoperorchester unter Alexander Soddy spielte sehr engagiert, im Klang mehr trocken, auch bei gebotener Lautstärke differenziert, wobei Soddy die Dynamik gut unter Kontrolle hatte. Der Abend erfreute insgesamt mit gestalterischen Details, mit klangmalerischen Akzenten der Holzbläser, mit der pointierten Begleitung von Klytämnestras selbstquälerischen Ausführungen. Phasenweise gelang das Heraufbeschwören brodelnder mythischer Urgründigkeit (wobei sich Soddy insgesamt vielleicht sogar zu stark zurückhielt) aus der dann wieder mit gleichsam ausatmender Entspannung die Straussschen Gefühlszustände romantisierend hervortraten. Aber insgesamt fehlte doch jene Zugkraft, mit der die Handlung unaufhaltsam dem Finale zustreben müsste.

Der Schlussapplaus im stark von Touristen bevölkerten Haus brachte es auf eine Länge von fünf bis sechs Minuten.