ELEKTRA
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Wiener Staatsoper Dirigent: Seymon Bychkov
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Klytämnestra - Waltraud
Meier |
Die aktuelle „Elektra“-Produktion der Wiener Staatsoper ist auch schon wieder fünf Jahre alt. Zwischen Kohlenkeller und dem „Paternoster des Grauens“ tummelt sich in der aktuellen Aufführungsserie eine teilweise neue Besetzung: In der Titelpartie gab Christine Goerke ihr Wiener Hausdebüt. Nachstehende Eindrücke stammen von der zweiten Vorstellung der Aufführungsserie. Christine Goerke hat ihre Karriere schwerpunktmäßig in Amerika bestritten. Die aus New York stammende Sängerin ist erst seit einigen Jahren im „schweren Fach“ unterwegs. 2013 hat sie an der Metropolitan Opera die Färberin gesungen, 2019 die „Ring“-Brünnhilden. Für diesen Sommer ist ihr Bayreuth-Debüt geplant. Ihr Instagram-Account mit dem Namen „heldenmommy“ verrät eine sympathische Ironie, sagt aber auch einiges über das künstlerische Selbstverständnis aus. Ihre Wiener Elektra nährt nun nach meinem Eindruck einige Zweifel an diesem „Social-Media-Status“. Auffallend war jedenfalls ein Registerbruch zwischen kräftiger Tiefe und einem stark flackrigen, nicht mehr so durchsetzungsstarken Bereich ab der oberen Mittellage (* siehe Anmerkung). Goerkes Elektra klang verglichen mit dem schlanken, aber kernig-metallischen Sopran von Simone Schneider dann weniger kompakt und auch im Ausdruck nicht so prägnant wie erhofft. Darstellerisch wirkte auf mich ihre Elektra konventionell und wenig mitreißend, wobei es eine Herausforderung bedeutet, in dieser Inszenierung mythische Greuel zu beschwören. Die Regie von Uwe Eric Laufenberg hat den Mythos bekanntlich zu einem sehr schlechten Horrorfilm „downgegradet“. Wie angedeutet hat Simone Schneider als Chrysothemis sehr gut „dagegen halten“ können. Ihr heller, metallischer Sopran klang nur bei einigen Spitzentönen etwas spröde. Waltraud Meier gab wieder eine „blutleere“ Klytämnestra. Die Szene mit Elektra erzeugte kaum Spannung. Meier reduzierte sie auf das „Therapiegespräch“ einer schwer depressiven Frau; für die Darstellung eines existentielles Ringens mit Elektra schien sie keine Kraft mehr zu finden. Michael Volle füllte als Orest das Haus mit seinem angenehm timbrierten Bariton, der die mythischen Abgründe mehr wohltönend überspannte, als sicht- und hörbar machte. Norbert Ernst ist seit vielen Jahren ein verlässlicher Aegisth, jedenfalls macht er die Rolle nicht zur Karikatur. Das
Orchester unter Semyon Bychkov bot eine sehr gute
Leistung, auch wenn im Finale der Spannungsbogen nicht mit dieser
Unerbittlichkeit zu Ende gebracht wurde wie erhofft. Aber unter Bychkov
wird ein fülliger Straussklang ausgepackt, trotz der Orchestermassen
bleibt das Spiel differenziert, das Wühlen und Brodeln wird zu
keinem Klangbrei vermanscht und für gefühlvolle, breite
Romantizismen bleibt auch noch genug Platz. Unter diesen Umständen
kann es dann und wann auch etwas lauter werden * Als Vergleich der Verweis auf zwei Rezensionen des „Observer“ zur Met-Brünnhilde von Christine Goerke im Jahr 2019. Demnach habe sie angestrengt („effortful“) geklungen, mit einem rasselnden („rattling“) Vibrato und die Stimme sei in der Höhe „chronically flat“ gewesen. (1) Auch die abgesetzte Tiefe („massive and organ-like“) wird vermerkt.(2) (1)
„Götterdämmerung”, Metropolitan Opera, Oberver 29.4.2019,
https://observer.com/2019/04/gotterdammerung-met-opera-ring-cycle-review-success-despite-lepage-set/
[10.2.2020] |