ELEKTRA
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Wiener Staatsoper
19. Oktober 2018

Dirigent: Michael Boder


Klytämnestra - Waltraud Meier
Elektra - Lise Lindstrom
Chrysothemis - Anna Gabler
Aegisth - Jörg Schneider
Orest - René Pape
Pfleger des Orest - Wolfgang Bankl
Vertraute - Simina Ivan
Schleppenträgerin
- Ulrike Helzel
Junger Diener
- Benedikt Kobel
Alter Diener
- Marcus Pelz
Aufseherin - Donna Ellen
Mägde - Monika Bohinec, Szilvia Vörös, Margaret Plummer, Lydia Rathkolb, Ildiko Raimondi
Dienerinnen - Jung Won Han
, Secil Ilker, Kaya Maria Last, Jozefina Monarcha, Sabine Kogler , Zsuzsanna Szabó,


„Auf Besuch in Mykenes Kohlenkeller

(Dominik Troger)

Die Staatsoper gewährt wieder einmal einen Blick in Mykenes Kohlenkeller. Seltsam, was sich dort für „Typen“ herumtreiben. Sogar zwei kläffende Hunde zischen über die Bühne und würden am liebsten die Kohlen umgraben. Und auf der rechten Bühnenseite droht der „Fahrstuhl des Grauens“.

Immerhin hat es diese Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg innerhalb von drei Jahren auf 18. Aufführung gebracht, aber die Sehnsucht nach der alten Produktion, die Harry Kupfer verantwortet hat, bleibt trotzdem ungebrochen. Natürlich können eine gute Orchesterleistung und eine adäquate Besetzung über so manche szenische Missliebigkeit hinwegtrösten. Ein Trost, der einem an diesem Abend nur partiell zugesprochen wurde.

Michael Boder hat seine erste Staatsopern-„Elektra“ im Jahr 1997 (!) dirigiert – und er bringt diese Musik jedesmal erneut zum Kochen. Das Orchester befleißigt sich eines etwas trockenen, wuchtigen Klangs, der aber gut ausdifferenziert ist, schwelgerische Momente ebenso einfängt wie viele der kleineren „Pointen“ der Strauss’schen Partitur. Außerdem wird dieser Wille zur Überwältigung spürbar, diese Wucht, mit der das Mordbeil auch auf das Publikum losgeht, als Schatten einer düsteren, aus vorzeitlichen Grüften aufsteigenden Bedrohung, die Hofmannsthal und Strauss einer „modern-hysterischen“ Deutung zugeführt haben.

Dieses bedrohliche Brodeln aus dem Orchestergraben, das in der angesprochenen Produktion szenisch nur marginal eingefangen wird, müsste natürlich auch durch die Protagonisten transportiert werden. Und ist Elektras Rachewahn nicht eine düstere, wenn auch in ihrer Genese verständliche „Psychopathologie“? Lise Lindstrom punktete mit ein paar dramatischen, warmleuchtenden Spitzentönen, aber die Tiefe und Mittellage klangen einmal mehr ausgezehrt und wenig durchsetzungsstark. Das hochdramatische Repertoire, das Lindstrom inzwischen singt (auch Brünnhilde) mag mich Lügen strafen, aber eine Chrysothemis wäre dieser Stimme angemessener gewesen. Auch diese ganz kurzen „Umschaltpausen“ beim Sprung ins hohe Register, die einige Male zu hören waren, förderten nicht unbedingt mein Vertrauen in dieses Organ. In einem kleineren Haus mag sich die Stimme als Elektra vielleicht wohler fühlen.

Die Elektra als Chrysothemis, die Chrysothemis als – nun ja vielleicht als Agathe? Anna Gablers Sopran klang als Elektraschwester überbeansprucht. Die Mittellage ist etwas schmal, das Haus für sie eigentlich zu groß – und dann noch die von der Partie eingeforderte Leidenschaftlichkeit, das drückte für meinen Geschmack den Zeiger zu weit in den „roten Bereich“. An Waltraud Meiers Klytämnestra scheiden sich inzwischen ein wenig die Meinungen: Was ihr an Ausdruck zuzurechnen ist, wird durch den Eindruck, den ihr inzwischen schon sehr kalkuliert eingesetzter Mezzo hinterlässt, nicht unbedingt verstärkt. Meier geht sehr sparsam mit ihren Mitteln um, und dadurch wird das Rollenbild einer verbügerlichten, recht kraftlos gewordenen Frau betont, die sich mehr nach Kindesliebe verzehrt, als dass sie von den archaischen Kräften, die ihr Innerstes aufwühlen, verzehrt würde.

René Pape sang einen überzeugenden Orest: einen Orest aristokratischen Geblütes, der sich nach getaner Rache wahrscheinlich gleich die Blutspritzer abwischt und seine Waffen reinigt. Bei der Rachetat wurde ihm von einem bodenständigen Pfleger, Wolfgang Bankl, assistiert. Jörg Schneider, der kurz vor seinem Rollendebüt als Rheingold-Mime steht (Staatsoper Hamburg), verlieh dem Aegisth eine feste tenorale Lyrik, ohne die Partie zu „überzeichnen“. Die Mädge, Dienerinnen etc. hinterließen sehr unterschiedliche Eindrücke – und es wäre vielleicht zu überlegen, manch um das Haus verdienter Stimme in Hinkunft den Auftritt im mykenischen Kohlenkeller zu ersparen.

Der Schlussapplaus dauerte rund fünf Minuten lang. Vielleicht wurde dem Publikum die Stimmung auch durch einen Besucher von der Galerie „vergällt“, der sich die Sängerin der Elektra zum Ziel seines Protestes gemacht hatte.