ELEKTRA
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Wiener Staatsoper Dirigent: Ingo Metzmacher
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Klytämnestra - Waltraud
Meier |
Auf die „Daphne“ folgte im Rahmen der Richard-Strauss-Tage an der Wiener Staatsoper die „Elektra“ – eine Feiertags-Nachmittagsvorstellung, Beginn um bereits 16 Uhr. Es gibt misslungene Inszenierungen, an die man sich mit der Zeit gewöhnt. Die „Elektra“-Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg (Staatsopern-Premiere im Jahr 2015) gehört für mich nicht dazu. Dabei könnte man seitens der Direktion mit wenigen Eingriffen durchaus Verbesserungen erzielen: die neckische Abduscherei von ein paar frierenden Nackerpatzerln am Beginn sofort streichen und die tanzenden Paare im Finale dazu – und schon hätte man die allerstörendsten Missgriffe ausgeräumt, sozusagen den Beginn und das Ende „gerettet“. Die aktuelle „Elektra“-Serie musste wegen Erkrankungen in zwei wesentlichen Punkten neu besetzt werden: Elena Pankratova übernahm die Titelpartie von Evelyn Herlitzius und Gun-Brit Barkmin die Chrysothemis von Adriana Pieczonka. Elena Pankratova ließ sich von den Orchestermassen nicht zum Forcieren verleiten und überzeugte mit ihrem wohldosierten Stimmeinsatz und sicheren Spitzentönen. Ihr Sopran punktete weniger mit einem Mykenes Grundmauern erschütternden „Jubelton der Rache“ als durch eine schwelgerische Erkennungsszene oder durch ihre menschlichen Anwandlungen gegenüber Klytemnästra, in der sie ihren Spott nicht auf die äußerstes Spitze getriebenen hat. Dieses ausdifferenzierte Rollenbild hat seine archaische Wucht abgeschwächt und wurde von Ingo Metzmacher am Pult gestützt, der mit deutlich abgestufter Dynamik den Sängern auch die Chance gab, gehört zu werden. Mit Elena Pankratova als Gegenüber kam die Klytemnästra der Waltraud Meier diesmal besser zur Geltung, als bei ihrem Wiener Rollendebüt im Juni. Meier hat die Figur ihres Pathos entledigt, in Klytemnästra einen alte, hilflose Frau gefunden, die eine starke Sehnsucht nach Menschlichkeit und Mutterliebe in die Arme ihrer mit zwiespältigen Gefühlen ringenden Tochter treibt. Die beiden Sängerinnen haben sich gegen Ende der Szene sogar umarmt – eine überraschende Geste, die zumindest dem Anschein nach für Sekunden ein tröstliches Mutter-Tochter-Verhältnis imaginiert hat. Der erste Teil des Monologs geriet Meier wieder eher flach. Die Rücknahme des Hofmannsthal’schen Pathos, seine Reduktion auf eine psychologische Fallstudie läuft allerdings Gefahr, die Radikalität des Stückes zu verwässern. Meier hat die Rolle quasi verbürgerlicht, sie zeigt, was ein Ibsen aus dem Stoff gemacht hätte. Gun-Brit Barkmin sang eine leidenschaftliche Chrysomethis. Ihr Sopran schwang sich mit gespannter Klarheit und Enthusiasmus zu ihren Zukunftsträumen auf – und ging dabei mehrmals an – und wohl auch ein wenig über – seine Grenzen. Sonor tönte der Orest Johan Reuter, mit gepflegtem kräftigem Organ. Der Ägisth von Norbert Ernst war keine Karikatur – und damit ist schon viel gewonnen. Ingo Metzmacher spannte die Musik zwischen starke Lautstärkekontraste und setzte auf einen eher trockenen Klang. Metzmacher ist „Strukturalist“. An diesem Abend errichtete er im Orchestergraben gleichsam eine Stahlkonstruktion, die sich bedrohlich grau über die von einzelnen Wachfeuern spärlich erhellte Mykeneburg spannte. Dieser Eindruck war imposant, Strauss gleichsam silhouttenhaft zugespitzt, aber nicht unbedingt sehr emphatisch. Fazit: Starker Schlussbeifall. |