ELEKTRA
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Wiener Staatsoper
11.12. und 15.12.2000

Dirigent: Michael Boder

Klytämnestra - Hanna Schwarz
Elektra - Gabriele Schnaut
Chrysothemis - Silvana Dussmann /Inga Nielsen am 15.12.
Aegisth - Kurt Schreibmayer
Orest - Franz Grundheber
Pfleger des Orest - Goran Simic

Orgie mit Schwächen
(Dominik Troger)

Seit sich Michael Boder in Wien der Elektra angenommen hat, reiht sich eine glanzvolle Aufführung an die nächste. In Kooperation mit Gabriele Schnaut (Elektra) bietet man hier seit dem 97er Jahr eine schwer zu überbietende Mischung aus archaischer Wucht und schwelgerischem Strauss´schern Melodienreigen. Und während das Orchester praktisch jede Elektra-Aufführung zu einem siedenden Hexenkessel werden ließ, aus dem einem die mythischen Urmotive nur so unter die Haut krochen, sorgten sängerische Tagesverfassung und wechselnde Besetzungen durchaus für ein unterschiedliches Niveau. Dabei war klar, dass die Serie von "Jahrzehnt-Elektras" im Dezember 98
nur mehr schwer zu überbieten sein würde.

Diesmal standen die Vorzeichen ohnehin schon schlechter, weil einer von den gefürchteten Rosa-Zetteln am Besetzungsplakat eine gröbere Indisposition verhieß. Silvana Dussmann sprang für
Inga Nielsen
als Chrysothemis ein. Etwas, dass sie ihrer Stimme (und dem Publikum) in Hinkunft lieber nicht zumuten sollte. Zwar gelang es ihr, sich forciert und expressiv die Rolle zu erkämpfen, allerdings um den Preis des stimmlichen Wohlklangs, was vor allem gegen den Schluss hin die Schmerzgrenze ihrer Stimme (und der anwesenden Zuhörer) schon markant überschritt. Dermaßen immer wieder aus dem schwülstigen "Elektra"-Taumel gebeutelt, war einem schnell klar, dass man
bei dieser Auführung mit gewissen Einschränkungen zu rechnen haben würde.

Bei allen Superlativen, die sich Gabriele Schnaut in dieser Partie schon ersungen hat, ließen sich trotzdem die Korrosionsspuren, die das Singen all der Isolden, Brünnhilden und Elektras hinterlässt, bereits deutlicher erahnen, als man zugeben möchte. Diese schon im heurigen Frühjahr anläßlich des "Rings" gewagte Feststellung erfuhr leider ihre Bestätigung. Das Einschleichen eines unüberhörbaren Tremolos in die Mittellage würde einen noch weniger erschreckt haben, als die beginnende Verlustigkeit jener samtenen Hülle, die die gebotene Schärfe ihres hochdramatischen Organs bisher so wohlklingend und strahlend umschmiegt hatte. Auch schien die Leichtigkeit etwas verloren gegangen, die Mühelosigkeit, mit der sich bei ihr dramatische Attacke und dieser Wohlklang zu
einem orchesterüberwindenden Gesang verbunden hatten. Trotzdem möchte man sie gerade in dieser Rolle nicht missen, die sie erfüllt und singt wie derzeit kaum eine andere Sängerin.

Neben ihr und gleichsam mit ihr erwies sich der Orest von Franz Grundheber als kongenialer "Racheengel". Die Erkennungsszene, vom Orchester mit wunderbaraufrauschenden Klangwogen begleitet, geriet derart zur packenden, psychische Urmotive heraufbeschwörenden Schlüsselszene,
in der sich die spröde Elektra zu einer geschwisterlichen Verzückung hinreißen ließ, die Orest deutlich, und voll erwartungsgespanntem Sendungsbewußtsein erwiderte. Aber was kann man
anderes erwarten, wenn sich zwei Idealbesetzungen duettieren?

Die Klytemnästra von Hanna Schwarz geriet vor diesem Hintergrund ein wenig blass. Sie müsste sich stärker auf die expressionistische Gewalttätigkeit einlassen, die den Hofmannsthal´schen Text ebenso durchsetzt wie die Musik. Aber vielleicht ist das auch schon mehr ein physisches Problem.
An die großen Vorbilder in dieser Rolle konnte sie nicht anschließen und sich ihnen ebenbürtig zu Seite stellen. (Man vermisste diese vollausdeutende Hingabe an den Text. Einer dieser Marker dafür ist jenes "zerfressen von den Motten", das als eksaltierter Ausbruch einen praktisch alle Register gesanglichen Ausdrucks ziehen ließe, gepaart mit jenem grabesdumpfen Fatalismus, mit dem einstens und unübertroffen Christa Ludwig den Daseins-Raum Klytemnästr´schen Schicksals durchmaß.)

Ja, und abschließend muss unbedingt erwähnt werden, dass Kurt Schreibmayer als Ägisth eine wahre Luxusbesetzung gewesen ist.

Die Aufführung am 15.12. ....

....brachte mit Inga Nielsen die Partie der Chrysothemis wieder mit hörbarer Akzeptanz auf die Bühne. Wenn man die schrille Attacke der Frau Dussmann noch im Ohr hatte, war man hier für den sängerischen Input besonders dankbar. Wohltuend, dass bei der Nielsen auch die forcierte Höhe nie eine unschöne Einfärbung bekommt, wie wohl man ihr die Anstrengung schon anmerkt.

Zu Gabriele Schnaut wäre noch anzufügen, dass Puristen mit ihr an diesem Abend nicht froh wurden und mehr tonale Treffsicherheit einforderten, sprich: Sie sang nicht immer die Noten, die sie singen sollte. Nun wurde da schon öfters eine gewisse Freizügkeit bemerkt, die man freilich gerne zugunsten ihrer expressiven und raumsprengenden Rollengestaltung in Kauf genommen hat.

So war denn Franz Grundheber der wirklich unumstrittene Star des Abends - im Einklang mit dem Orchester.