CAPRICCIO
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Wiener Staatsoper
27. Mai 2018

Dirigent: Michael Boder

Gräfin - Camilla Nylund
Graf - Adrian Eröd
Flamand - Michael Schade
Olivier - Markus Eiche
La Roche - Wolfgang Bankl
Clairon - Angelika Kirchschlager
Monsieur Taupe - Peter Jelosits
Italienische Sängerin - Daniela Fally
Italienischer Tenor - Pavel Kolgatin
Junge Tänzerin - Natalie Salazar
Junger Tänzer - Samuel Colombét
Haushofmeister - Marcus Pelz
Acht Diener - Franz Gruber, Michael Wilder, Martin Müller,
Hermann Thyringer, Wataru Sano, Jens Musger, Oleg Zalytskiy, Burkhard Höft



Bewährtes Capriccio

(Dominik Troger)

Nach fünf Jahren hat die Wiener Staatsoper das Richard Strauss’sche „Capriccio“ wieder auf den Spielplan gesetzt. Gespielt wurden vier Aufführungen – nachstehende Anmerkungen beziehen sich auf die letzte Aufführung dieser Serie.

Die aktuelle „Capriccio“-Produktion der Wiener Staatsoper in der Inszenierung von Marco Arturo Marelli stammt aus dem Jahr 2008 – und achtzehn Aufführungen in zehn Jahren ist nicht gerade eine üppige Ausbeute. Das Werk ist bekanntermaßen kein Publikumshit, auch an diesem Abend verließen Besucher die Aufführung, schlichen sich mehr oder weniger „geräuschlos“ aus dem selbstironisch sich im Spiegel betrachtenden Strauss’schen „Elfenbeinturm“.

Natürlich macht so ein „Eskapismus“ verdächtig. Im Jahr 2016 hat das Theater an der Wien versucht, „Capriccio“ dem Diktat des moralischen Zeigefingers zu unterwerfen (Regie: Tatjana Gürbaca) – und hätte das „Konversationsstück für Musik“ dabei fast erwürgt. Die Inszenierung an der Wiener Staatsoper von Marco Arturo Marelli gibt dem Werk einen deutlichen komödiantischen Anstrich. Sie reißt den Elfenbeinturm nicht ein, sie malt ihm da und dort nur eine kleine burleske Arabeske auf. Das zweieinhalb Stunden lange „Selbstgespräch“ der Kunstgattung Oper wird dadurch aufgelockert, aber nicht in Zweifel gezogen. Und ist die Gräfin nicht die personifizierte „Oper“ selbst, die im Finale mit feinem Silberklang das Publikum melancholischen verzückt?

Soviel Silberklang wie erhofft, gab es an diesem Abend in der Wiener Staatsoper aber dann doch nicht zu hören. Und so wie Silberbesteck im Laufe der Jahre an Glanz verliert, hat auch die Besetzung beim Stimmklang ein bisschen „nachgelassen“. Immerhin sind Adrian Eröd, Michael Schade und Angelika Kirchschlager schon bei der Premiere vor zehn Jahren dabei gewesen.

Angelika Kirchschlager hat als selbstbewusste Clairon und aus stimmlichen Gründen die Schauspielerin stark hervorgekehrt, und das hat bis auch wenige Passagen keine Rolle gespielt – ganz im Gegenteil, wie die gekonnte Rezitation aus Oliviers Stück bewies. Michael Schades Tenor ist wohl an der Grenze des „Lyrischen“ angekommen, klang manchmal etwas grell bei metallischer gewordenem Timbre. Aber seine Rollenerfahrung ist unbezahlbar und „potenziert“ sich im Zusammenspiel mit Adrian Eröd. Eröds Bariton ist in den Jahren mehr philosophisch gereift, sozusagen ein Dichter, der auch im Herzschmerz das richtige Vermaß nicht vergisst. Markus Eiche steuerte einen im Verhalten recht lockeren und wenig adelig gestrengen Grafen bei. Er hat die Partie bereits in der Wiederaufnahme 2013 verkörpert. Wolfgang Bankl machte als La Roche eifrig und überzeugend Werbung für das „Theater“, von seiner Aufgabe beseelt und mit allen Wassern der Bühne „gewaschen“.

Nur Camilla Nylund war neu in diesem „Sextett“, hat in dieser Serie ihr Wiener Rollendebüt gegeben und ist– ab der dritten Vorstellung – für Anna Gabler eingesprungen. Auch bei Nylund funkelte – um bei dem obigen Beispiel zu bleiben – das Silber nicht mehr so klar und aufblühend wie erhofft, aber ihr Sopran fühlte sich bei Strauss nach wie vor sehr wohl und sie wusste die Gefühle der Gräfin mit Charme und feiner Selbstironie zu präsentieren.

Diese sechs genannten sorgten für eine spielfreudige, schwungvolle, aber auch kluge Umsetzung des philosophisch überhauchten Librettos – und wurden von den übrigen Mitwirkenden dabei eifrig unterstützt. Wenn beim Auftritt von Monsieur Taupe (Peter Jelosits) gelacht wird, dann ist ohnehin alles Bestens. Die Diener kommentierten ihre Herrschaften köstlich. Die italienische Sängerin (Daniela Fally) und der italienische Sänger werden in dieser Inszenierung (zu) stark in Richtung Persiflage gedrängt (wobei Pavel Kolgatin nicht wirklich den Schmelz eines italienischen, lyrischen Tenors bereitzustellen vermochte).

Das Orchester unter Michael Boder, geschickt die Konversation mit Spannung versehend, spielte manchmal vielleicht eine Spur zu drängend, um sich nicht zu sehr im Detail zu verlieren. Sehr schön die Streicher, die Mondscheinmusik (mit an diesem Abend unsicherem Horn) aufwühlend, die stürmische Gefühlsverwirrung Madeleines in den Vordergrund stellend und weniger die romantische Szenerie.

Ein Teil des Publikums spendete Pflichtapplaus, der kleinere Teil klatschte die Protagonisten noch einmal vor den Vorhang. Insgesamt ist es doch eine stimmige Aufführung geworden, auch wenn sie die Habitués nicht „wunschlos glücklich“ gemacht hat.